Britta Taddiken ist Pfarrerin der Thomaskirchgemeinde in Leipzig. Sie ist Nachfolgerin von Christian Wolff. Mit ihr sprach ich über die geplanten Aktivitäten zum großen Reformationsjubiläum 2017, den Katholikentag 2016, das Paulinum und die Rolle der Gemeinde bei den letzten Demonstrationen für ein weltoffenes Leipzig. Ein Rückblick auf die friedliche Revolution rundete das Gespräch ab.

Ob Kirche und Glaube in der Schule überhaupt etwas verloren hat, ist eine Frage, die in Leipzig immer wieder gestellt wird. Was hat Kirche in der Schule zu suchen?

Also das ist so eine Frage: als ob irgendwas in der Schule nichts zu suchen hätte. Ich denke, wenn wir Kindern etwas über das, worauf unsere Kultur basiert, beibringen wollen, dann ist Kirche immer noch ein Thema, über das man Bescheid wissen muss. Keiner muss zur Kirche gehören, keiner muss der Kirche irgendetwas glauben … das ist sowieso keine protestantische Position. Aber ich glaube schon, dass man sagen muss und auch selbstbewusst sagen kann: wir sind immer noch eine Säule der Kultur.

Es wird dann auch immer wieder auf die Trennung von Kirche und Staat hingewiesen und gesagt, die Kirche und der Religionsunterricht sollten außerhalb der Schule sein.

Das stimmt ja so nicht. Im Grundgesetz ist davon die Rede, dass keine Staatskirche besteht. Wir haben ja das Subsidiaritätsprinzip, das nicht nur deshalb von staatlicher Seite hochgeschätzt wird, weil die Arbeit, die christliche Kirchen für den Staat machen, eine gute ist und weil man weiß, ohne diese Arbeit hätten einige Kommunen und einige Bundesländer ein Riesenproblem. Und nach dem Grundgesetz ist es ja nicht so, dass der Staat den Staat vor der Kirche zu schützen hat, sondern dass der Staat die Kirchen zu schützen hat und freie Religionsausübung zu gewährleisten ist.

Das ist der Punkt. Es gibt im Grunde eine Pflicht zur Zusammenarbeit in einer demokratischen Gesellschaft. Eine organisatorische Trennung ist ja gegeben.

Ein anderer Ort in Leipzig, wo die verschiedenen Meinungen zum Thema Kirche und Gesellschaft aufeinanderprallen, ist das Paulinum, Paulinerkirche… da wird schon im jeweils verwendeten Begriff deutlich, wie die Positionen sind. Auch Sie hatten sich dazu deutlich positioniert. Wie sehen Sie da jetzt den Stand?

Wenn Sie jetzt das Gebäude meinen: den Termin zur Eröffnung der Universitätskirche kennt im Augenblick niemand. Die Direktorin nicht und ich auch nicht.

Und der Stand der Diskussion?

Der Stand der Diskussion ist, dass die Kanzelkommission befürwortet hat, dass die Kanzel in der Kirche aufgestellt wird.

So dass aus ihrer Sicht die Sache erledigt ist und keine weitere Diskussion erforderlich ist?

Ich denke, ja. Aber ich kann es mir auf der anderen Seite auch nicht vorstellen, dass über irgendetwas da nicht mehr diskutiert wird. Das ist schade. Es ist aus meiner Sicht im Dezember eine ganz große Chance verpasst worden, als der Paulineraltar dort umgezogen ist und dort aufgestellt wurde und es dort eine – ja was eigentlich – eine Einweihungsfeier des Altars gab. Es war irgendwie weder Fisch noch Fleisch. Und dann sollte die Öffentlichkeit rausgehalten werden, obwohl sie in einer Zahl da war, dass man sie durchaus hätte reinlassen können. Also ich glaube, da wäre ganz viel möglich gewesen von Seiten des Rektorats, wenn gesagt worden wäre: Kommt rein, nehmt es als euren Ort an. Und dann hätte man ganz viel erreicht. Schade. Das wäre die Chance gewesen, aus dieser ganzen Diskussion etwas an emotionaler Schärfe, an Verletzungen rauszunehmen.

Ich hatte es ja erlebt, ich hatte ja eine Einladung und war dann an der Tür und versuchte, Frau Schücking zu bewegen, die auch an der Tür war, nun diese 50, 60 Leute noch reinzulassen in diesen halbleeren Raum. Wir haben Fotos gemacht. Die hätten alle reingepasst. Es wäre überhaupt kein Thema gewesen. Aber sie hat sich mit Sicherheitsbedenken rausgeredet, das muss man klar sagen. Aber viele von denen, die da standen, hatten eben 68 gesehen, wie diese Kirche gesprengt wurde und haben das im Grunde noch mal erlebt. Das ist natürlich blöd.

Sie haben das also so empfunden, dass sie rausgedrängt wurden?

Genau, wie damals, sie mussten hinter der Absperrung bleiben und konnten es nur geschehen lassen. Wenn man die gewonnen hätte, hätte man gesagt: wir wissen, was so ein Tag für euch bedeutet. Kommt rein. Das wäre super gewesen. Mit einer kleinen Geste hätte man da ganz viel bewirkt. So macht nun das Gebäude den Anschein, hier kommt keiner rein. Ab und zu kommt mal eine Nachricht, was sich da drin bewegt und was nicht. Die Politik der Universität verstehe ich da nicht …

Im morgigen Teil drei des Interviews spricht Britta Taddiken u.a. über weitere Projekte der Thomaskirchgemeinde, die neue Propsteikirche und über den Katholikentag.

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