Die Prognosen werden steigen, hieß es in den vergangen Wochen zu den Flüchtlingszahlen. Am Freitag veröffentlichte die Landesdirektion ihre Schätzung für Sachsen und diese ist, nicht sonderlich überraschend, gestiegen. Für Leipzig bedeutet das nun, dass es sich auf knapp 1.400 Unterbringungsmöglichkeiten zusätzlich einrichten muss.

Der Landtagsabgeordnete Roland Pohle ist nicht gerade glücklich, wie er und seine Bürgerschaft im Leipziger Osten über eine neue Asylunterkunft in der Zweenfurther Straße unterrichtet wurden. „Unsere einheimische Bevölkerung, die die Lasten letztendlich zu tragen hat, hat Anspruch auf transparente, klare und wahrhaftige Informationen“, stellte der CDU-Abgeordnete am Donnerstag heraus.

Der Bürgerverein Sellerhausen-Stünz veröffentlichte Ende Juli seine Reaktion auf die Veröffentlichung der Information in den Medien: „Am 30.07.2015 fand, nach intensiver Nachfrage durch Stadtrat Swen Kuthe und Bürgerverein, ein Informationstermin bei Prof. Dr. Fabian im Rathaus statt.“

Im Termin beschwerten sich verschiedene Vertreter über die Informationspolitik und äußerten Sorgen über die „neue Qualität“, die das Objekt darstelle, weil es sich inmitten eines „kleinteiligen“ Wohngebietes befinde.

Die Menschen würden sich auch Sorgen um den Wert ihrer Grundstücke und Altersvorsorge machen, so der Verein – ein oft vorgebrachtes Argument gegenüber geplanten Asylunterkünften.

„Auch die Dichte der Unterkünfte im Leipziger Osten wurde sehr kritisch angemerkt“, war ein weiterer Einwand. Aus der Liste der veröffentlichten Standorte für Unterkünfte geht eine außergewöhnlich starke Belastung allerdings nicht hervor. Die Erstaufnahmeeinrichtungen in der Ernst-Grube-Halle und der Friederikenstraße 37, die in der Verantwortung der Landesdirektion Sachsen liegen, tragen ebenfalls nicht dazu bei.

Übersicht Kapazitäten der Asylunterkünfte in Leipzig (Stand August 2015). Quelle: Stadt Leipzig
Übersicht Kapazitäten der Asylunterkünfte der Stadt Leipzig (Stand August 2015). Quelle: Stadt Leipzig

Oberbürgermeister Burkhard Jung erklärte das Thema Asyl erst kürzlich zur Chefsache und will die Verfahren dazu beschleunigen. Abgeordneter Pohle wirft Jung daher vor, dass er Informationen über die Umnutzung einer ehemaligen Schule in der Zweenfurther Straße bewusst zurückgehalten habe.

Die Informationspolitik gegenüber dem Thema Asyl verläuft zurzeit gelinde gesagt nicht ideal. Zu spät und zu unzureichend sind oft genannte Kritikpunkte in ganz Sachsen. Im Fall der Ernst-Grube-Halle hatte die Kommune erst kurz vorher von der Belegung erfahren. Dass dagegen die städtische Verwaltung mitunter ein Schweizer Käse in Sachen Geheimhaltung sein kann, zeigen zahlreiche Fälle, in denen neue Standorte durchsickern, noch bevor die erste Ankündigung einer Informationsveranstaltung veröffentlicht ist.

„Alle Fragen zum Thema Asyl werden voraussichtlich am 2. September auf einer Pressekonferenz beantwortet“, teilte Matthias Hasberg im Namen der Stadt auf Anfrage mit. „Für die Anwohner der Schule in der Zweenfurther Straße wird es zuvor eine Informationsveranstaltung geben.“

Weitere Standorte sachsenweit

„2014 waren vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) für Deutschland insgesamt etwas mehr als 202.000 Asylanträge registriert worden“, stellte die Landesdirektion in einer Mitteilung vom Freitag dar. „Nun kommt es 2015 gegenüber dem Vorjahr voraussichtlich zu einer Vervierfachung der Asylantragstellungen in Deutschland.“

Über die Prognosen des BAMF informiert die Behörde regelmäßig. „Die Verantwortlichen werden damit in die Lage versetzt, die notwendigen Kapazitäten zu schaffen“, übermittelte Holm Felber von der Direktion, „um die ihnen obliegende Unterbrin­gungsverpflichtung gegenüber den zu erwartenden Asylbewerbern erfüllen zu können.“

Entsprechend der Erhöhung der Zahlen wird von 40.800 Asylbegehren für Sachsen bis zum Jahresende ausgegangen. 5.402 entfallen davon auf Leipzig und schultert damit knapp so viele wie Dresden. Die Stadtverwaltung  ging bis vor Kurzem noch von circa 3.000 Asylbewerbern aus.

Aus einer Übersicht der Landesdirektion Sachsen geht hervor, dass für die Erstaufnahme in Sachsen zurzeit Kapazitäten für 7.206 Plätze existieren, davon entfallen 834 auf die Ernst-Grube-Halle und Friederikenstraße 37 in Leipzig. Dresden kann 1.650 Menschen und Chemnitz 2.120 aufnehmen. Die restlichen Kapazitäten von 2.602 Plätzen entfallen auf Böhlen (150), Freital (280), Grillenburg (80), Görlitz (136), Meißen (356) und Schneeberg (840). Für Anfang 2017 wird eine weitere Einrichtung in der Max-Liebermann-Straße 36 in Leipzig angekündigt.

Übersicht der Erstaufnahmeeinrichtungen in Sachsen (August 2015). Quelle: Landesdirektion Sachsen
Übersicht der Erstaufnahmeeinrichtungen in Sachsen (August 2015). Quelle: Landesdirektion Sachsen

Die Landesdirektion intensiviert aufgrund der steigenden Zahlen ihre Suche nach möglichen Gebäuden. Dass nicht bei jedem in Frage kommenden Objekt eine Information an die Anwohner verschickt wird, macht die Behörde ebenfalls klar. „Grundsätzlich ist eine Information der Öffentlichkeit erst nach Festlegung und vertraglichen Bindungen möglich.“

Auf Grundlage der neuen Prognose ist davon auszugehen, dass es weitere Einrichtungen geben muss. Dies betrifft auch Leipzig und darauf dürfen sich die Bewohner jetzt schon einmal einrichten.

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