Im Sommer sind auch mal andere Dinge wichtig. Da soll ausgeruht werden und wenn's schön ist, dürfen ein paar Gedanken freigelassen werden zum Selbst und zum Morgen der Welt. Deshalb fragt Tanner Menschen nach ihrer Eigensicht und bringt diese dazu, innezuhalten und darüber nachzudenken. Heute: Der ehemalige Chef vom KilliWilly und Black Label - und Whiskey-Experte Gerhard Smole.

Wohin fahre ich dieses Jahr in den Urlaub?

Kurzurlaube mit meinen Kindern (und Enkelin, ganz wichtig!) hier sowie in Hamburg und Dublin.

Welches ist mein Traumort und warum?

Alles auf Kuba – wegen der Herzlichkeit und Standhaftigkeit der Menschen dort – auch abseits aller Strände – dem Rum und der Musik.

Welches Buch liegt derzeit auf meinem Nachttisch und warum? Und um was geht es darinnen?

“Das Kartell” von Don Winslow. Ein spannender 830-Seiten Wälzer über den Drogenkrieg in Mexiko. Die ersten beiden Seiten sind komplett(!) mit Namen von Journalisten gefüllt, die zu diesem Thema gearbeitet haben und ermordet wurden. Stellenweise ist die Schilderung der “Arbeitsweise” der Drogenmafia an Brutalität kaum auszuhalten. Erschütternd und aufrüttelnd. Und dann kommt die Meldung, dass der mächtigste aller Bosse – der des Sinaloa-Kartells – aus dem Gefängnis ausbrechen konnte. Da zuckst du schon zusammen, denn du weißt nach der Lektüre des Romans alles über die drei großen Kartelle.

Wenn ich die Möglichkeit hätte, diese Welt gut zu machen, vielleicht sogar zu heilen – und ich würde es auch machen wollen, wie sähe diese Welt ab morgen aus?

Oh, für diese Frage bräuchte ich eigentlich viel Platz… Die Welt braucht keine Milliardäre und Multimillionäre, abschaffen, in den Orkus der Geschichte. Es kann mir eh keiner schlüssig erklären, warum es gut sei, solche Unmengen von Geld und Werten zu besitzen. Und jene, die mir erklären wollen, dass dies nun mal so sei – Mund halten, denn es gibt zwei Dinge, die stetig wachsen: Der Reichtum und die Armut.

Damit sind nicht die vielen Mittelständler, Selbständigen oder Gewerbemenschen gemeint – das sind meist fleißige Leute, gute Arbeitgeber. Und alles, was das Gemeinwesen betrifft, gehört nicht in private Hände (Wasser/große Ackerflächen/Bahn/der Wald/ u.v.m.) Und es gäbe ganz klar ein Bedingungsloses Grundeinkommen!

Das wäre mal ein Anfang. Und natürlich kluge, empathische und mutige Journalisten in den großen Medien, die das thematisieren. Da es die kaum (mehr) gibt, würde ich all diese “Medien” – die ja im wesentlichen zur Abteilung Volksverdummung gehören, erst einmal einstampfen und dann personell neu besetzen. Ach, und dann würde ich (ist ja innerhalb der Fragestellung möglich) die Zeit zurückdrehen und so, wie der Runde Tisch 1989/90 eigentlich plante, eine neue Verfassung initiieren, mit dem aufrechten Gang der DDR-Bürger in die Einheit. Die Präambel schrieb Christa Wolf. Wir vergessen zu schnell.

An was glaube ich oder an wen und warum?

Glaube im traditionellen Sinne ist nicht mein Ding. Allerdings bin ich überzeugt, dass ungeheure Kraft oder Magie in guter Musik liegt, zum Beispiel in Beethovens Klavierkonzert Nr. 5 oder Bachs Air.

Was mag ich an mir und was mag ich nicht an mir? Und warum natürlich!

Immer noch die Gier auf was Neues, sprich Neugier, dank WorldWideWeb immer neu entfacht und die Lust auf Bücher. Kein einziger Tag ohne diese. Und nicht mag ich: eine gewisse Leichtgläubigkeit und, das teile ich zum Glück mit vielen anderen: das Prokrastinieren (die “Verschieberitis”). Warum? Ist halt so, schauen wir mal, was der morgige Tag bringt.

Wenn ich mich an meinen letzten Traum erinnere, welche Geschichte war das?

Ein Traum mit Fragezeichen: Bei der schwierigen Renovierung einer alten Wohnung zum Atelier, Farbe dunkelgrün (überhaupt nicht meine Farbe) mit mehreren Malern in einem Zimmer und dem Erklärungsversuch, dass die ganze Chose für fünf Leute viel zu eng ist, keiner hört zu, Ende offen, unzufrieden. Aufgewacht, geärgert, amüsiert.

Gibt es ein Motto, nach dem ich mein Leben gestalte? Und wenn ja, welches ist das und warum?

Kein Motto, kein Zitat, kein schlauer Spruch (was ja fast schon wieder ein Motto ist) – aber Harmonie könnte drüberstehen.

Was macht mich traurig?

Der Umgang mit Flüchtlingen am Beispiel Freital und anderenorts. Aber da trifft es das Wort zornig wohl besser.

Was wollte ich schon immer einmal sagen? Aber es passte nie so wirklich – doch, da die Frage ja jetzt hier gestellt wurde, nehme ich die Chance beim Schopfe und sage es allen einfach mal:

Ihr alle, die ihr Konzerte, Festivals, Theater, Lesungen u. a. veranstaltet – schließt euch zusammen, verkauft eure Tickets über eigene Wege, gründet einen eigenen Service dazu und lasst den Gier-Monopolisten Eventim einfach links liegen, in Wirklichkeit wird ein solches Abzockerkonstrukt nicht gebraucht. Dazu die Leseempfehlung “Das Geschäft mit der Musik” von Berthold Seeliger.

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Keine Kommentare bisher

Schreiben Sie einen Kommentar