Im Sommer sind auch mal andere Dinge wichtig. Da soll ausgeruht werden und wenn's schön ist, dürfen ein paar Gedanken freigelassen werden zum Selbst und zum Morgen der Welt. Deshalb fragt Tanner Menschen nach ihrer Eigensicht und bringt diese dazu innezuhalten und darüber nachzudenken. Heute: Der Autor und Sänger der Band Letzte Instanz Holly Loose.

Wohin fahre ich dieses Jahr in den Urlaub?

Was ist das? Wo muss ich mich melden, dass ich dieses Jahr als freischaffender Künstler Urlaub bekomme? Ok, ganz ehrlich, für mich ist “Mit guten Freunden im Garten sitzen und ‘ne Wurscht grillen” fast schon Urlaub genug. Wenn man ständig unterwegs ist, freut man sich auf die heimatlichen Gefilde umso mehr. Um also letztlich deine Frage zu beantworten: Ich fahre nicht weg. Jedenfalls nicht in Urlaub (falls es so etwas überhaupt gibt…)

Welches ist mein Traumort und warum?

Das hatte ich ja gerade. Ich habe in meinem kurzen Leben schon viele ferne und nahe Länder besuchen dürfen und muss immer wieder feststellen, so schön es hin und wieder da und dort ist, so sehr mir jedoch die Leute ans Herz gewachsen sind, die ich auf meinen Reisen kennengelernt habe – der schönste Ort ist der kleine Garten hinterm Haus, wo kein Radio steht, dafür eine Feuerschale, woran man zufrieden am Tagesende nach einem schönen Whisky eindrusseln kann, um dann am frühen Morgen vom Ökolärm der Waldvögel geweckt zu werden.

Welches Buch liegt derzeit auf meinem Nachttisch und warum? Und um was geht es darinnen?

Es ist ein kleines Handbuch über Soundmixing, dann liegt daneben noch ein leeres Buch nebst Stift (für alle Fälle – die abstrusesten Ideen kommen ja immer nachts, wenn man mal nicht am Feuer sitzt). Ansonsten lese ich gerade ein Sammelsurium an Briefen aus den frühen 50er Jahren, weil ich mich ein wenig eingehender mit der Nachkriegsgeschichte innerhalb Deutschlands befassen möchte.

Wenn ich die Möglichkeit hätte, diese Welt gut zu machen, vielleicht sogar zu heilen – und ich würde es auch machen wollen, wie sähe diese Welt ab morgen aus?

So wie mein Garten. Das wäre aber ein wenig langweilig. Weil ich erkenne, dass ich nicht Jesus oder sonst so einer bin, sondern nur ein einfacher Mann, versuche ich gar nicht erst die Welt besser zu machen. Oder anders: Ich versuche gut zu sein, damit wird ja die Welt  automatisch ein bisschen besser, denn ich bin ja ein Teil von ihr.

An was glaube ich oder an wen und warum?

Ich glaube an die Liebe. Warum kann ich dir nicht sagen, denn wenn ich das wüsste, würde ich wissen, nicht glauben.

Was mag ich an mir und was mag ich nicht an mir? Und warum natürlich!

Ich mag meine zielstrebige und auf kurzen Dienstwegen basierende Schaffenskraft, denn damit lässt sich manchmal ein 24-Stundentag wie ein 48-Stundentag aus und der Laie staunt, was man alles an einem Tag so schaffen kann. Ich mag nicht meine zielstrebige und auf kurzen Dienstwegen basierende Schaffenskraft, denn die verursacht zuweilen, dass ein 24-Stundentag doppelt erscheint, weil alles fehlerhaft war und noch einmal gemacht werden muss. Das passiert zum Glück seltener als die vorangegangene Information über die positive Qualifikation.

Wenn ich mich an meinen letzten Traum erinnere, welche Geschichte war das?

Volly und Holly auf einem Tretboot im Zeuthener See, fachsimpelnd über das Liebesleben der Maikäfer. Nein… obwohl… na gut, die Wahrheit ist: mir träumte heute Nacht, ich säße auf einem Tätowierstuhl und bekäme einen QR-Code in den Nacken. Warum ich so etwas träume, weiß ich nicht. Nüchtern betrachtet muss ich jedoch sagen, dass es wohl eine Scheißarbeit sein muss, die ganzen kleinen schwarzen und weißen Quadrate und Flecken so zu tätowieren, dass der Code danach auch funktioniert. Welche Information soll dann überhaupt hinterlegt werden? Vielleicht träume ich das ja noch. Mal sehen.

Gibt es ein Motto, nach dem ich mein Leben gestalte? Und wenn ja, welches ist das und warum?

Du zwingst mich morgens um elf, ganz schön nachzudenken!!! (zum Verständnis: zu meinen positiven Eigenschaften gehört auch: Wenn ich einen 48-Stundentag hinter mir habe, kann ich problemlos den Rest der Woche faulenzen). Ich glaube, es ist “Leben und Leben lassen”, gerade als freischaffender oder Selbstständiger muss man aufpassen, dass man ein Gefüge aus Partnerschaft, Kontakten, und Aufträgen nicht durch Geldgier oder Größenwahn zerstört, andererseits, möchte ich auch für mein Schaffen in der Art bezahlt werden, dass ich meinen Kühlschrank voll und meinen Kindern sowie meiner Frau ab und an mal ein Geschenk machen kann.

Was macht mich traurig?

Wenn meine Frau weint. Ohne Scheiß. Das kann ich nicht sehen. Kannste mir gleich ne Tempobox geben.

Wann und in welchem Zusammenhang hat sich in letzter Zeit mein Mitgefühl geregt?

Letzte Woche, als mit 91 Jahren ein großartiger Mann aus der Familie verstarb.

Was wollte ich schon immer einmal sagen? Aber es passte nie so wirklich – doch, da die Frage ja jetzt hier gestellt wurde, nehme ich die Chance beim Schopfe und sage es allen einfach mal:

Nö.

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