Und weiter geht's in der großen Ironie namens Geschichte, die wir gerade unsere Gegenwart nennen ... Die Trump-Regierung hat zwei Monate vor Ausbruch des Coronavirus heimlich, still und leise ein USAID-Hilfsprogramm zur Pandemiebekämpfung beendet. Das Programm war 2009 als Reaktion auf Ausbreitung der Vogelgrippe entstanden und trug den Titel „predict“ („vorhersagen“).

In dem Programm waren über zehn Jahre hinweg Mitarbeiter des Gesundheitssystems aus dreißig afrikanischen und asiatischen Ländern – darunter China – ausgebildet sowie Wissenschaftler und Veterinärmediziner darin trainiert worden, Viren zu entdecken, die vom Tier auf den Menschen überspringen können. Ziel war die systematische und frühzeitige Erkennung der Übertragungswege, um potentielle Pandemien bereits im Keim zu ersticken.

Oder, wie es auf der Webseite des Programms geradezu prophetisch heißt: „Die Anstrengungen zur Entdeckung von Viren spielen eine wichtige Rolle bei der Kontrolle kommender Epidemien. Sie tragen zu einem Paradigmenwechsel in der weltweiten Gesundheitsversorgung bei indem sie einen aktiveren Ansatz zur Überwachung von Pandemien verfolgen und uns vorbereitet sein lassen.“

Mit dem Amtsantritt Donald Trumps geriet „Predict“ jedoch aufs Abstellgleis, und im Herbst 2019 kam die Arbeit gänzlich zum Stillstand. Und das, obwohl das Programm mit 207 Millionen Dollar nur einen Bruchteil von dem kostete, was eine Pandemie an Geldern verschlingt. (Erste Schätzungen gehen von 4,1 Billionen US-Dollar aus, aber der Blick in die Glaskugel des globalen Grauens dürfte bald noch weitaus größere Schadenssummen zutage fördern, was aber im Grunde egal ist, denn weder 4,1 noch 10 Billionen sind eine vorstellbare Summe.)

207 Millionen Dollar sind es dagegen sehr wohl, besonders dann, wenn daraus konkrete Ergebnisse erwachsen und Erfolge zu verzeichnen sind. Und die gab es im Predict-Programm zuhauf. Insgesamt wurden 164.000 Proben von Tieren entnommen und dabei 949 neue Viren entdeckt, darunter auch ein bisher unbekannter Strang des Ebola-Virus.

Aber „Predict“ war nicht nur als virologisches Projekt konzipiert, sondern hat mit seiner Arbeit in Zentralafrika und Südostasien fast 7.000 Menschen einen Job verschafft, zahlreiche Untersuchungslabore aufgebaut und mehr als 60 von ihnen über Jahre hinweg unterstützt.

Die Trump-Regierung sah jedoch keine Notwendigkeit darin, weiter in die Pandemie-Forschung in Asien und Afrika zu investieren. Und das, obwohl die USA noch wenige Jahre zuvor unter der Regierung Barack Obamas mehrere Milliarden Dollar zur Bekämpfung des Ebola-Virus ausgegeben hatte. Tausende Soldaten und Hilfskräfte waren 2014 nach Westafrika entsandt worden, und letztlich hatte die massive Intervention trotz anhaltender Probleme vor Ort Erfolge gebracht. (Die USA selbst vermeldeten nach dem Ende der Epidemie 2014 nur elf Infizierte, von denen zwei starben.)

Dennoch wurde das Predict-Programm unter der Trump-Administration nicht aktiv weiterverfolgt und im Herbst 2019 faktisch beendet, was Gesundheitsexperten als großen Fehler ansahen. So erklärte etwa Peter Daszak, der als Präsident der EcoHealth Alliance federführend an dem Programm mitgewirkt hatte: „Das Predict-Programm war ein Ansatz, um Pandemien abzuwenden anstatt rumzusitzen und darauf zu warten, dass sie ausbrechen. Das ist teuer.“

Wie teuer, können wir noch gar nicht erahnen …

PS: Am 1. April (kein Witz!) kam es zu einer spontanen Wiederbelebung des Programms. USAID überwies 2,26 Millionen Dollar an Hilfsgeldern aus dem Notfallpaket, damit ausländische Labore bei der Bekämpfung des Virus vorankommen.

PS die Zweite: Die Ironie der Geschichte ist, so scheint mir, die heimliche Hebamme jeder „guten“ Verschwörungstheorie …

Alle Auszüge aus dem „Tagebuch eines Hilflosen“.

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