Entwickelt wurde die Droge Methylamphetaminchlorid, auch Crystal Meth genannt, von den Temmler-Werken, einem deutschen, in Marburg ansässigen Anbieter für pharmazeutische Produkte. Unter der Marke Pervitin, wurde das Präparat im Zweiten Weltkrieg eingesetzt, da es Angst- und Hungergefühle unterdrückt und gleichzeitig die Konzentration und Leistungsfähigkeit extrem steigert. In den Vierziger Jahren wurde das Präparat gegen sämtliche Symptome wie Berg- und Seekrankheit, oder auch als Stimmungsaufheller eingesetzt. Erst 1941 wurde das Präparat Pervitin rezeptpflichtig. Heute wird Pervitin immer noch im Extremsport und beim Militär eingesetzt.

Methylamphetamin unterdrückt Hunger, Müdigkeit und Schmerz, verleiht ein übersteigertes Selbstvertrauen, bewirkt allerdings auch Psychosen, Paranoia und eine nachhaltige Persönlichkeitsveränderung, macht aggressiv und einsam. Der Konsument der Droge wird mit regelmäßigem Konsum apathisch, emotionslos und entwickelt eine völlig verdrehte Realität. Heute findet in Deutschland keine medizinische Behandlung mit Methamphetamin mehr statt. Allerdings wurde ein Ersatzstoff Methylphenidat für die Behandlung von ADHS entwickelt, der in dem Medikament Ritalin Einsatz findet. In Amerika hingegen wird Methamphetamin immer noch bei der Behandlung von ADHS (bei Erwachsenen und Kindern ab 6 Jahren) und bei krankhaftem Übergewicht eingesetzt.

Weil der Körper nach der Einnahme von Crystal Meth verstärkt Adrenalin, Noradrenalin und Dopamin ausschüttet, können Konsumenten bis zu 70 Stunden am Stück wach bleiben, tanzen, Sex haben et cetera. Allerdings nur eine kurze Zeit. Danach beginnt schnell der körperliche und geistige Verfall. Ein typisches Syndrom ist der gesteigerte Rededrang.

Mit Crystal im Körper scheint es keine Probleme mehr zu geben. Crystal steigert die Aufmerksamkeit zum Ego-Trip und vermindert Schmerzempfinden, Hunger- und Durstgefühle so sehr, dass der Körper allein schon deshalb schnell verfällt.

Crystal ist billiger als Kokain und Heroin, macht schnell abhängig und zerstört innerhalb kürzester Zeit seinen Konsumenten, im Gegensatz zu Heroin, mit dem man vergleichsweise alt werden kann. Der Zersetzung der Schleimhäute folgt der Ausfall und das Verfaulen der Zähne, starker Gewichtsverlust und Nierenschäden. Trotz der körperlichen Auswirkungen ist eine Schwangerschaft während des Konsums möglich, und durch die extrem gesteigerte Libido auch unter den süchtigen Frauen nicht selten, da es oft zu ungeschütztem Geschlechtsverkehr kommt. Bei den Kindern einer abhängigen Frau führt die Droge zu Defekten wie Hyperaktivität und angeborene psychosoziale Störungen.

In der ausgezeichneten amerikanischen Serie Breaking Bad stellt der Protagonist Walter White als Mittelschichtsfamilienvater unter dem Pseudonym “Heisenberg” ein hochreines blaues Crystal Meth her, was in den USA zu einer seuchenartigen Ausbreitung der Drogensucht führt. Die Serie dreht sich um die Herstellung, den Verkauf und die Auswirkungen der Droge. In Amerika befiel Meth die verarmte Mittelschicht und überrollte die gesamten USA. Tatsächlich existieren mittlerweile in den USA Städte, die wie Zombiestädte fast ausschließlich von Abhängigen bevölkert werden.

Die Herstellung ist vergleichsweise einfach und leicht zu beschaffen. Hustensaft, Erkältungstabletten, Batteriesäure, Frostschutzmittel und Abflussreiniger sind die Zutaten. In Amerika wird schon durch eine Shake and Bake Variante erprobt die Droge herzustellen, wobei eine Vielzahl der Methköche sich damit selbst verbrennen, da die Droge im Herstellungsprozess hochexplosiv ist. Die Zutaten werden einfach in einer Plastikflasche zusammengeschüttet und dann geschüttelt. Oft endet dieser Prozess mit einer Explosion. Die Notfallzentren der Krankenhäuser sind voll mit Menschen mit derartigen Verbrennungssymptomen.

In Leipzig gibt es in den letzten Jahren eine regelrechte Überflutung mit der Droge, die aus Tschechien importiert wird und das Heroin vom Markt verdrängt. Seit 2010 haben sich die Funde der Droge rasant gesteigert.

Die Länder Sachsen und Bayern liegen mit den Drogenfunden im deutschlandweiten Vergleich deutlich vorn, was mit der Grenznähe zu tun hat. Auch in den sächsischen Vollzugsanstalten hat sich die Häufigkeit der Funde in den letzten drei Jahren verdreifacht. Gerade im Januar 2014 ist die Anklage gegen zwei Dealer wegen Besitz und Einfuhr von 50 Kilogramm Crystal Meth eröffnet worden. Die Drogenfunde an der tschechisch deutschen Grenze haben sich laut einer Aussage des Zollamtes seit 2010 vervierfacht, was auch an der Lockerung der Gesetze in Tschechien im gleichen Jahr liegt, sowie dem seit längerem stattfindenden Personalabbau bei Zoll und Polizei. Wurde früher in Grammmengen geschmuggelt sind es heute Kilos, die aufgefunden werden.Die Verbreitung der Droge in Mitteldeutschland gleicht einer Seuche und der Berufsverband Deutscher Psychiater hält die Droge für die “gefährlichste derzeit auf dem Markt”. Die Therapie der Süchtigen sei extrem schwierig, da sie innerhalb kürzester Zeit irreparable Schäden davon trügen und in ihrer Persönlichkeit nachhaltig verändert seien.

Die Süchtigen finden sich meist vor Gericht wieder: Es häufen sich Gewaltdelikte, Einbrüche und Diebstähle. Die Zahl der erstauffälligen Konsumenten ist seit 2012 um 51 Prozent gestiegen und die Zahl der betreuten Konsumenten in den Suchtberatungen hat sich verdoppelt. Die Kriminalitätsrate in Leipzig ist die höchste in ganz Sachsen und die Strukturen der Suchtmittelbeschaffung und die damit verbundenen Strukturen der Beschaffungskriminalität haben sich etabliert.

Mittlerweile steht die Droge nach Cannabis an zweiter Stelle der am meisten konsumierten illegalen Substanzen. Und mittlerweile gibt es schon 12-Jährige in den Suchtberatungen. Auf allen Schulhöfen weiterführender Schulen in Leipzig wird laut dem Polizeibericht die Droge angeboten. Crystal Meth dringt in alle Schichten der Gesellschaft vor: es sind vermehrt Frauen und Mädchen, die in den jüngeren Jahrgängen abhängig werden.

Auch die Kunst beschäftigt sich mit dem Thema. Im Theater der Jungen Welt wird ab dem 6. März ein Stück präsentiert, das sich mit der Droge Crystal Meth und dem Thema Rausch auseinandersetzt. Die Choreographin Heike Hennig produziert “Crystal – Variationen über Rausch” in Koproduktion mit Bayer Kultur.

“Die Droge ist so zerstörerisch, dass sie in einem Körperkrieg endet, wenn man sie regelmäßig nimmt”, sagt Hennig, die selbst Abhängige zu Recherchezwecken für das Stück traf. Was im positiv erlebtem Drogenrausch beginnt, endet mit Kampf, Krieg und Aggression.

Bei dem Konsum von Crystal geht es weniger um die Überschreitung von Grenzen als darum, sich in der Begrenzung, die der Alltag fordert einzurichten. Vermeintliche Optimierung des eigenen Körpers, funktionieren wollen in einer Zeit, die ständige Bereitschaft fordert, das sind die Faktoren einer Substanz, die die Logik einer kapitalistischen Gesellschaft verewigt und den Konsumenten am Ende selbst zerstört – jedoch nicht den Konsum selbst. Der tanzende Dionysos ist nur noch ein verkümmertes Zierrat der Maschine, deren Takt scheinbar nicht gebrochen werden kann. Die Ekstase als frühe und elementare Kulturarbeit degeneriert in unserer Suchtkultur, die nicht nur an Substanzen gebunden ist, zu einem Alltagsphänomen, mittels dessen sich der Konsument sich nicht rauschhaft über sich selbst erhebt, sondern sich um so tiefer in sich selbst einschließt.

Und dennoch tanzen die Tänzer und Schauspieler in dem Stück in wilder Ekstase, springen auf einem Trampolin immer höher, was mit einem Zusammenbruch und Hustenanfall eines der Darsteller endet, und darauf von den übrigen Darstellern mit dem Handy gefilmt wird.

In ihren Gesprächen mit Abhängigen habe Hennig selbst die Zerstörungskraft der Droge erlebt. Die von außen wahrnehmbaren Ergebnisse der Zerstörungskraft beschreibt sie als wahnhaftes Erzählen der Süchtigen, “ein ansatzloses Herumspringen in einer wirren Gedankenwelt”. Ihr Stück kommt mit wenigen Worten aus und setzt stattdessen auf Musik, starke Bilder und Tanz. “Vielleicht kann man das Phänomen auch nicht mit Worten ausdrücken”, sagt Hennig. “Aber vielleicht kann man dagegen antanzen.”

Anm. d. Redaktion: Bei der vorangegangenen Version handelte es sich versehentlicherweise nur um einen zu stark verkürzten Auszug des gesamten Artikels. Dieser ist in der aktuellen März-Ausgabe des 3Viertel zu finden.

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