2013 stand auch die Universitätsklinik Leipzig mitten im Brennpunkt der Medien, als sie mit einem massiven Aufkommen multiresistenter Keime zu kämpfen hatte. Der Aufwand zur Eindämmung war enorm. Und es ist schon lange kein lokales Problem mehr. Bundesweit haben Kliniken mit dem Auftreten multiresistenter Keime zu kämpfen, denen Antibiotika nichts mehr anhaben können. Mindestens 15.000 Menschen sterben in der Bundesrepublik jedes Jahr daran, schätzte die "Süddeutsche Zeitung" in einem Beitrag in dieser Woche ein. Ein brandheißes Thema auch für Sachsen.

“Die Zahl der Infektionen mit multiresistenten Keimen hat seit 2010 in allen Regionen Sachsens zugenommen. Gründe dafür sind die großen Mengen an Antibiotika, die in der Massentierhaltung und der Humanmedizin verabreicht werden. Doch auch mangelnde Hygiene in Krankenhäusern ist eine wesentliche Ursache”, kommentierte am Donnerstag, 20. November, Volkmar Zschocke, Vorsitzender und gesundheitspolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion im Sächsischen Landtag, die neue, bundesweit aufkommende Diskussion. “Erschwerend kommt der Mangel an Fachkräften in der Hygiene- und Umweltmedizin in Sachsen hinzu. Seit 1996 wurden lediglich zehn Fachärztinnen und Fachärzte in diesem Bereich weitergebildet. 2013 waren insgesamt nur 19 Hygieniker im Freistaat tätig.”

So greift eins ins andere, die Nachlässigkeit bei der Kontrolle in der Tierhaltung mit den Auswüchsen der Sparpolitik im Gesundheitswesen.

“Besonders im Pflegebereich kommt die Hygiene aufgrund des schlechten Betreuungsschlüssels zu kurz. So lange das Personal im Gesundheitswesens so knapp bemessen ist, dass Pflegekräften kaum Zeit zum Hände desinfizieren bleibt, ist es kein Wunder, dass Krankheitserreger leichtes Spiel haben”, kommentiert Zschocke das auf reine Zeit-Optimierung getrimmte Effizienz-Denken in der Finanzierung der Gesundheitswirtschaft.Zschocke weiter: “Ein Ausbau der Überwachung mit Hilfe des MRE-Netzwerkes in Sachsen, wie von Sozialministerin Barbara Klepsch (CDU) angekündigt, reicht nicht aus, denn der Fehler steckt im System. Massentierhaltung funktioniert beispielsweise nur mit Antibiotika. Überzüchtete Tiere sind auf engem Raum zusammengepfercht. Das macht sie anfällig für Krankheiten. Deshalb bekommen sie immer wieder prophylaktisch Antibiotika verabreicht.”

Nur hat die neue sächsische Regierung mit der Neubesetzung des Postens des Umwelt- und Landwirtschaftsministers den Schwerpunkt in diesem Ministerium wieder deutlich verschoben – weg vom Umweltschutz, hin zu einer stärkeren Vertretung der eh schon starken sächsischen Bauernlobby und der industriell geprägten Form der Landwirtschaft.

“Wir fordern von der Staatsregierung seit langem einen Reduktionsplan für Antibiotika in der Tierhaltung. Ziel muss sein, dass ausschließlich kranke Tiere mit Antibiotika behandelt werden”, sagt Zschocke dazu. “Würde die Staatsregierung Anreize für Tierhalter schaffen, damit diese ihre Tierbestandsdichten verringern und die Mastdauer verlängern, könnte dieses Ziel schneller erreicht werden. Der neue Landwirtschaftsminister Thomas Schmidt muss unverzüglich handeln. So lange er sich selbst als ‘Wirtschaftsminister für den ländlichen Raum’ begreift, ist zu befürchten, dass das System der industriellen Tierhaltung wieder nicht angefasst wird.”

Schon unter Schmidts Vorgänger Frank Kupfer gab es heftige Querelen um die massiv ausgebaute Massentierhaltung vor allem im Landkreis Nordsachsen. Wenn sich diese Politik unter Thomas Schmidt fortsetzt, sind auch Probleme, die sich bis ins sächsische Gesundheitswesen bemerkbar machen, nicht ausgeschlossen.

Volkmar Zschocke: “Nicht-Handeln ist teurer. Neben dem Leid der Betroffenen sind auch die Behandlungskosten infolge einer nicht rechtzeitig entdeckten MRSA-Infektion enorm. Sie kostet das Krankenhaus durchschnittlich etwa 18.000 Euro an Zusatzaufwendungen. Allein in sächsischen Kliniken fallen derzeit über fünf Millionen Euro Zusatzkosten an.”

Die Versicherten in den Krankenkassen zahlen also indirekt auch mit für die teuren Folgen einer massiven Antibiotika-Gabe in der Massentierhaltung.

Wer die digitale Karte der “Süddeutschen” zum Vorkommen multiresistenter Keime aufruft, wird innerhalb Sachsens nicht nur Leipzig besonders dunkel eingefärbt finden, sondern auch die beiden angrenzenden Landkreise Nordsachen und Leipzig.

Zum Beitrag der “Süddeutschen” zum Vorkommen multiresistenter Keime in Deutschland: http://blog.zeit.de/open-data/2014/11/22/mrsa-esbl-vre-keime-daten/

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