Jeder dritte Mensch leidet im Laufe seines Lebens an einer behandlungsbedürftigen psychischen Erkrankung. Ein Zehntel der Fehltage bei Berufstätigen geht auf Erkrankungen der Psyche zurück. Expert*innen halten diese Zahlen für alarmierend. Gerade seit den letzten zehn Jahren machen psychische Erkrankungen weltweit und auch in Deutschland einen immer größeren Anteil im Diagnose- und Behandlungsspektrum aus.

Zu den häufigsten psychischen Leiden in Deutschland zählen Angststörungen, Depressionen, Störungen durch Alkohol- und Medikamentenkonsum sowie Zwangsstörungen, heißt es in der Studie „Psychische Störungen in der Allgemeinbevölkerung“ (2020).

19 Prozent der Arbeitsausfälle

Vor allem aus der Arbeitswelt lassen sich aussagekräftige Daten zu psychischen Erkrankungen ziehen. Die Fehltage-Statistiken zeigen, dass 2021 psychische Störungen auf Platz 2 der wichtigsten Krankheitsarten für Arbeitsunfähigkeit waren. Sie machten fast 19 Prozent der Diagnosen aus. Davor kamen nur Muskel-Skelett-Erkrankungen, die 25 Prozent ausmachten.

Cover Leipziger Zeitung Nr. 116, VÖ 31.08.2023. Foto LZ

Der aktuelle Psychreport der DAK-Gesundheit mit einer Datenauswertung des IGES Instituts für rund 55.000 DAK-versicherte Beschäftigte in Sachsen bricht diese Daten auf Landesebene herunter. Pro 100 Versicherte fielen 92 Fehltage auf Depressionen zurück, 79 auf Anpassungsstörungen. Dahinter reihen sich weitere neurotische und Angststörungen ein. Somatoforme Störungen, also körperliche Beschwerden, die nicht auf organische, sondern psychische Gründe zurückzuführen sind, machten 17 Tage pro 100 Versicherte aus.

Steigende Entstigmatisierung und Akzeptanz

Diese Zahlen waren aber noch nicht immer so hoch. Arbeitsunfähigkeitsfälle, aber auch Krankenhausdiagnosen, Rehabilitationsmaßnahmen und vorzeitiger Renteneintritt aufgrund von psychischen und Verhaltensstörungen haben in den letzten Jahren stark zugenommen.

Die Autor*innen des Psychreports vermuten, dass es sich nicht um einen epidemiologischen Anstieg handelt. Vielmehr sei davon auszugehen, dass bestehende Angebote aufgrund der Entstigmatisierung und der gestiegenen gesellschaftlichen Akzeptanz stärker in Anspruch genommen werden. 2020 war beispielsweise die häufigste Diagnose stationärer Krankenhausbehandlungen bei 15- bis 24-Jährigen „Psychische und Verhaltensstörungen“. Erst danach kamen mit 14,7 Prozent Verletzungen.

Das Statistische Bundesamt veröffentlichte eine Statistik, die zeigt, wie die Anzahl stationärer Behandlungen aufgrund psychischer Erkrankungen in Deutschland im letzten Vierteljahrhundert gestiegen ist. Während es 1995 noch knapp über 800.000 Fälle gab, wurden 2015 1.230.330 Fälle bestätigt. Die Zahl sank dann 2020 wieder auf knapp über eine Million Fälle.

Stress, Unsicherheit und Isolation: Der Einfluss von Corona

Der Rückgang könnte laut den Expert*innen an den Auswirkungen der Corona-Pandemie liegen. Die Corona-Krise stellte zwar viele Menschen vor große Herausforderungen. Soziale Kontakte waren auf ein Minimum beschränkt, viele Erwerbstätige mussten in Kurzarbeit gehen oder haben ihren Job verloren, die Zukunft galt als ungewiss. Doch während diese Belastungen wahrscheinlich viele Menschen zusätzlich krank gemacht haben, könnte die Isolation ein wichtiger Faktor gewesen sein, der für den Rückgang der Zahlen 2020 spricht.

Nun lasse sich aber erkennen, dass die Corona-Pandemie eindeutig zu einem starken Anstieg einiger psychischer Krankheiten geführt hat. Das berichtet die Weltgesundheitsorganisation (WHO) in ihrem neuen Bericht über mentale Gesundheit. Diese sei Jahrzehnte vernachlässigt worden, heißt es in dem Bericht. Alle Länder müssten mehr tun, um den Betroffenen zu helfen, sowohl durch Prävention als auch eine bessere Versorgungslage.

Infos zu Daten

Wie häufig ist auch die Datenlage im Bereich der mentalen Gesundheit nicht vollumfänglich. Um die Datengrundlage zu verbessern, hat das Bundesministerium für Gesundheit eine umfangreiche Zusatzerhebung zur psychischen Gesundheit im Rahmen der Studie des Robert Koch-Instituts zur Gesundheit Erwachsener in Deutschland (DEGS) gefördert. Neben einer differenzierten Erfassung psychischer Störungen sollten auch Informationen zur Inanspruchnahme von Einrichtungen des Versorgungssystems gewonnen werden. Derzeit werden die Daten aus der Erhebungsphase ausgewertet.

Statistiken:

Entwicklung:


„Alarmierende Zahlen: Psychische Erkrankungen zählen zu den häufigsten Diagnosen für stationäre Behandlungen und Arbeitsausfälle“ erschien erstmals in der -August-Ausgabe, ePaper LZ 116, der LEIPZIGER ZEITUNG.

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