Chronische Schmerzen sind für die Betroffenen sehr belastend und schränken ihren Alltag massiv ein. Zusätzlich können sie zu Schlafstörungen, Depressionen und sozialem Rückzug führen. Da viele Schmerzpatienten über Jahre hinweg erfolglos mit Opioiden oder Antidepressiva behandelt wurden, steigt erfahrungsgemäß irgendwann einmal das Interesse an alternativen Therapieformen.
Eine davon, die aufgrund der Gesetzesnovelle, von Karl Lauterbach 2024 verabschiedet, auch etwas in den Focus gerückt ist, ist die Therapie via medizinischen Cannabis. Doch trotz der noch ganz jungen gesetzlichen Anpassung bzgl. einer Grundlage zur Kostenübernahme, bleiben trotzdem viele Cannabis-Therapie-Patienten auf den Kosten sitzen! Was aber tun, wenn die Kasse einfach nicht zahlt?
Der Genehmigungsparcours: Zwischen deutschester Bürokratie und eben auch ein bisschen Willkür
Bleiben wir der besseren Vorstellbarkeit bei unserem Beispiel, der Verschreibung medizinischen Cannabis. Wer diese alternative Schmerztherapie gern ausprobieren, bzw. sich gern dauerhaft verschreiben lassen möchte, der muss in der Regel einen Antrag auf Kostenübernahme bei der Krankenkasse stellen. Dafür ist eine enge Zusammenarbeit mit dem behandelnden Arzt erforderlich. Der Antrag sollte ein ausführliches ärztliches Attest, einen klar strukturierten Behandlungsplan und eine nachvollziehbare Darstellung der bisherigen Therapieversuche / -verläufe enthalten, inklusive dokumentierter Fehlschläge oder Unverträglichkeiten herkömmlicher Medikamente.
Trotz sorgfältiger Vorbereitung lehnen viele Krankenkassen den Antrag ab. Begründet wird das häufig mit pauschalen Formulierungen wie „unzureichende Evidenz“, „nicht ausgeschöpfte Therapiealternativen“ oder „unzureichende medizinische Begründung“.
Selbst wenn ein Arzt die Behandlung mit Cannabis klar befürwortet, was ebenfalls nicht wirklich die Regel zu sein scheint, bedeutet das noch lange keine Genehmigung. Viele betroffene Patienten bleiben aktuell oft noch auf den Kosten für alternative Heilmittel sitzen oder müssen über Monate hinweg auf eine wirksame Schmerztherapie verzichten. Cannabisblüten und -präparate können je nach Erkrankung mehrere hundert Euro im Monat kosten, ein Betrag, den viele nicht dauerhaft selbst tragen können.

Wenn der eigene Hausarzt nicht so richtig will
Wer auf die Kostenübernahme seiner Kasse nicht zwingend angewiesen ist, hat vielleicht aber noch ein ganz anderes Problem und steht vielleicht trotzdem vor einer ähnlich schwierigen Situation. Einige Mediziner sind von Cannabis als wirkstoffreiches alternatives Heilmittel nicht oder vielleicht auch nur noch nicht besonders überzeugt und stellen deswegen in der Regel auch keine Rezepte dahingehend aus, weshalb auch aus solchem Grund einige Patienten nach anderen Wegen Ausschau halten. Eine der praktikablen Alternativen diesbezüglich könnte der Weg über telemedizinische Plattformen sein.
Ein Nordleaf – Cannabis Rezept. Funktioniert ähnlich, der Anbieter (Mellow) scheint dieses Problem, welches Patienten hier haben könnten, scheinbar auch erkannt und bietet auf seiner HomePage für Suchende ein bisschen Schützenhilfe an.
Hier wird keine Kostenübernahme durch die Krankenkasse organisiert, sondern die Patienten werden meist via telemedizinischer Online-Konzepten von anderen Ärzten begleitet, was in etwa einer medizinischen Zweitmeinung entspricht.
Grundsätzlich ist dies sowieso immer eine gute Idee ist, sich bei schwieriger medizinischer Sachlage, einen zweiten oder gar noch einen dritten Therapieansatz aufzeigen zu lassen, denn es ist doch auch menschlich, dass ein Arzt seine Präferenzen pflegt, in Bezug auf Medikamente, die er besser kennt und auf langjährige Erfahrungen damit zurückblicken kann und die damit verbundenen therapeutischen Wirkungen viel besser abschätzen kann.
Patienten werden in dem Fallbeispiel nun auch noch einmal durch einen ihnen meist ganz fremden Arzt untersucht und neu begutachtet. Sieht dieser Arzt nun vielleicht doch einen sinnvollen Therapieansatz via alternativer Heilmittel, wie vom Patienten erwünscht, so können diese Patienten sich meist doch noch ein Rezept ohne bürokratischer Hürden online ausstellen lassen.
Das Problem der Nichtübernahme durch seine KK ist damit allerdings noch nicht vom Tisch, doch ist solch eine alternative Behandlung für die meisten Patienten oft eine so wertvolle Option, dass der monetäre Effekt für diese kaum ins Gewicht fällt, da diese oft schon unendlich viele erfolglose Versuche mit diversen Schmerzmitteln hinter sich gebracht haben.

Wann sind die Kassen rechtlich gezwungen, die Kosten zu übernehmen?
Die gesetzliche Grundlage bildet das Cannabis-Gesetz, welches 2017 in Kraft trat. Es erlaubt Ärzten, Patienten mit schwerwiegenden Erkrankungen medizinisches Cannabis zu verschreiben. Der Gesetzgeber sieht ausdrücklich eine Erstattung durch die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) vor, sofern folgende Voraussetzungen erfüllt sind:
- Schwerwiegende Erkrankung: Dazu zählen unter anderem chronische Schmerzen, Multiple Sklerose, Krebs, Epilepsie oder neurologische Erkrankungen.
- Therapiealternativen fehlen: Es dürfen keine anderen allgemein anerkannten und wirksamen Behandlungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen.
- Begründung durch den Arzt: Die erwartete Wirkung der Cannabismedikation muss nachvollziehbar dokumentiert sein.
Obwohl diese Kriterien klar definiert sind, kommt es in der Praxis häufig zu Konflikten. Denn jede Kostenübernahme erfordert die vorherige Genehmigung durch die Krankenkasse. Und hier beginnt für viele Cannabis-Patienten ein zermürbender Kampf.
Fallbeispiel – Gericht stärkt Rechte eines Schmerzpatienten
Wie groß die Diskrepanz zwischen gesetzlichem Anspruch und Realität sein kann, zeigt ein Fall aus Niedersachsen-Bremen, den der Sozialverband VdK begleitet hat. Eine Frau litt unter starken chronischen Schmerzen und einer depressiven Erkrankung. Konventionelle Schmerzmittel verursachten erhebliche Nebenwirkungen und Opioide führten zu einer Abhängigkeit.
Ihr Arzt verschrieb ihr daraufhin medizinisches Cannabis, um die Schmerzen zu lindern und das Opioid zu entwöhnen. Mehrere Monate testete sie das Cannabis-Medikament auf eigene Kosten und es stellte sich eine Verbesserung ein. Daraufhin beantragte sie die Cannabis-Therapie bei der Krankenkasse, doch diese lehnte mit der Begründung ab, dass nicht alle Therapiemöglichkeiten ausgeschöpft wurden.
Mit Unterstützung des Sozialverbandes VdK klagte die Patientin vor dem Sozialgericht Oldenburg und bekam Recht. Da im vorliegenden Fall andere Therapien als ausgeschöpft galten und die Cannabisbehandlung nachweislich zu einer Linderung führte, musste die Krankenkasse die Kosten übernehmen.
Was können Cannabis-Patienten bei einer Ablehnung tun?
Auch wenn die rechtlichen Voraussetzungen für eine Kostenübernahme durch die Krankenkasse grundsätzlich bestehen, zeigt die Praxis, dass viele Anträge abgelehnt werden. Umso wichtiger ist es, gut vorbereitet und strategisch vorzugehen. Wer den Antrag auf Cannabis als Schmerztherapie erfolgreich durchbringen möchte, sollte folgende Punkte beachten:
Medizinische Unterlagen vollständig zusammenstellen
Der Antrag sollte umfassend belegt sein. Dazu gehören Arztberichte, Befunde, Medikamentenpläne und Dokumentationen vorheriger Therapieversuche. Entscheidend ist, dass nachvollziehbar wird, welche Behandlungen bereits durchgeführt wurden, welche Nebenwirkungen auftraten und warum diese Maßnahmen nicht zum gewünschten Erfolg geführt haben. Eine lückenlose Dokumentation erhöht die Glaubwürdigkeit des Antrags und zeigt der Krankenkasse, dass Cannabis nicht leichtfertig verschrieben wird, sondern als letzte Option infrage kommt.
Begründung klar und fachlich fundiert formulieren
Die ärztliche Stellungnahme ist das Herzstück des Antrags. Sie muss deutlich machen, warum der Einsatz von medizinischem Cannabis medizinisch notwendig ist. Dabei sollte der Arzt darlegen, dass eine schwerwiegende Erkrankung vorliegt und keine anderen geeigneten Therapien zur Verfügung stehen. Je genauer und sachlicher die Begründung formuliert ist, desto besser stehen die Chancen auf Genehmigung.
Ablehnung nicht einfach hinnehmen – Widerspruch einlegen
Eine abgelehnte Kostenübernahme ist kein Endpunkt, sondern oft nur ein Zwischenschritt. Innerhalb eines Monats kann Widerspruch eingelegt werden. Dieser sollte gut begründet sein und auf die Kritikpunkte der Krankenkasse gezielt eingehen. In vielen Fällen lohnt es sich, den Widerspruch gemeinsam mit dem Arzt oder einem spezialisierten Anwalt zu verfassen. Erfahrungsgemäß werden inzwischen deutlich mehr Anträge nach einem fundierten Widerspruch doch genehmigt!
Rechtsschutzversicherung nutzen
Wer eine Rechtsschutzversicherung hat, sollte prüfen, ob Leistungen im Bereich Sozialrecht abgedeckt sind. Einige Versicherungen übernehmen die Kosten, wenn es zu einem Gerichtsverfahren gegen die Krankenkasse kommt. Da solche Verfahren mehrere Monate dauern können, ist eine Kostenübernahme durch den Rechtsschutz eine große Entlastung.

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