"Wir wollen den Lotterhof der Nachwelt erhalten", sagt Christine Meyer. Diesen Anspruch muss sich im Gedächtnis wach halten, wer hinunter in den Keller des Lotterhofes oder hinauf steigt. Befunde, wie es die Denkmalpfleger und Restauratoren nennen, ragen aus allen Wänden unter zerbröselndem Putz, abgestützten Deckenbalken und Holzkassetten hervor.

Was davon ist wann schon erfasst und nummeriert, bewertet und in die Erhaltung eingeordnet worden? Vorschnelles Resümee nach einem kurzen Rundgang: Vor dem nächsten Tag des offenen Denkmals sollte man darauf hinweisen, dass es auch der letzte gewesen sein könnte. Nach Arbeitsschutz- und anderen Vorschriften. Auch aus Marketing-Sicht.

Was will Vereinsvorsitzende Dr. Marlies Kutzer mit rund 40 Vereinsmitgliedern machen, mit einer finanzhaushaltsgeschüttelten Stadt im Hintergrund? Was machen aus der großen überregionalen, ach was, globalen Idee vom Weltkulturerbe Erzgebirge? Ist das nicht im Kleinen auch die Stadt Geyer mit Wachtturm, Kirche und einem Renaissance-Wohnhaus? Wie kriegt man die Planer und – hoffentlich – die Geldausgeber nach Geyer? Wie macht man auf sich aufmerksam? Wie kann man sich wünschen, dass ein reicher Prinz einen Sack voll Geld auf den Lotterhof bringt?

Tafeln wie zu Lotters Zeit

Neulich geriet eine spontane Frage zur ausufernden Geschäftsidee, na ja, das Geschäft hält sich in Grenzen: Wie lebte man einst auf dem Lotterhof? Zwanghaft schließt sich die Frage an: Was gab es bei Lotters zu essen? Ein unterschiedliche Küchen, Rezepte, Geschmäcker und Kalkulationen erprobter Miet-Koch wurde in der Region schnell gefunden, und schon tafelten die Geyerschen bei Rahmfladen mit Speck, Hühnerpasteten, Krautpfanne, Lachs-Forelle auf Tomaten-Lauchragout. Danach gab’s noch Obst. Mehr Leute wollten noch mehr Lotter-Essen, mehr Termine … Vielleicht geht ja Geschichte durch den Magen. Kräftige Arbeiter braucht der Lotter-Hof allemal.

Schau zur Renaissance in Sachsen und Böhmen

Visionen und Planungen gibt es viele, dazu sind die Enthusiasten schon seit 1998 zusammen, nicht nur bei Sitzungen, mehr noch bei der Arbeit auf der Baustelle oder Führungen durchs Haus, vorbei an den Ausstellungstafeln mit älteren Skizzen für mannigfaltige kulturelle Nutzungen bis hin zu einem Anbau mit moderner Haustechnik. Aktuell ist immer noch die Idee vom Renaissance-Museum über Sachsen und Böhmen in einer Etage, Räume für Ausstellungen, Konzerte, Lesungen im oberen Geschoss. Und es sind immer wieder neue Förderanträge und Genehmigungen an Ämter und Behörden unterwegs, bis hin zur Stiftung Denkmalschutz, mit deren Initiative schon etliche Baudenkmäler gerade noch vor dem Verfall gerettet wurden, und die ihren Mitgliedern und Förderern regelmäßig Reisen zu den Denkmals-Baustellen anbietet.

Einst war Hieronymus Lotter Baumeister und Bürgermeister in Leipzig, hatte neben etlichen Bauwerken den Umbau des Rathauses am Marktplatz zu verantworten. Und Leipziger Kontakte gibt’s in Geyer seit Langem. Zum Museum in Lotters altem Rathaus und seinem Förderverein, der Hieronymus-Lotter-Gesellschaft.

Zwei Lotter-Darsteller in fairer Abwartung

Klar, dass Hieronymus Lotter in Person in Geyer präsent ist. Living History heißt das im modernen Museumstheater. Zum ersten Vereinsabend 2011 in Geyer hätte es Knatsch und Krach geben können. Eingeladen, besser gesagt vorgeladen, war der in Leipzig tätige Hieronymus-Lotter-Darsteller, wie gefordert, im historisch nachempfundenen Kostüm. Doch der Geyersche trat in zivil in den Ring – zum Kampf kam es nicht. Statt dessen legten Historiker wie Klaus-Peter Herschel und Alexander Stoll die ihnen bekannten Fakten auf den Tisch zu Datenabgleich und kriminalistischer Bewertung.

Als sportliche Freundschaftsgeschenke wurden nicht Wimpel, sondern Publikationen ausgetauscht. “Lotter-Wirtschaft” erschien im BuchVerlag für die Frau Leipzig, und “Lotters Kalender” liegt als Manuskript vor, eine Zusammenschau von Terminen des 16. Jahrhunderts, in der Welt, in Sachsen, Leipzig, Geyer – und das Haus Lotter mittendrin.

“Starb Hieronymus Lotter verarmt in Geyer?”, was sich mit der stillen Post der Gästeführungen auf Schloss Augustusburg wie auch in Leipzig herumgesprochen zu haben scheint. Wohl kaum. Besitzlos war er nicht. Doch was ist Besitz?

Ein Thema für ein Symposium? Deuten sich neue Publikationen über das Leben auf dem Lotterhof an? Kann man den Kurfürsten noch einmal auf den Hof locken, wo er einst Hieronymus zum Bau der Augustusburg überredete? Auf Schloss Augustusburg ist ja ein Kurfürst-August-Darsteller präsent.

Unübersehbar ist eine neue, ehrbare Lotter-Wirtschaft auf dem Lotterhof zu Geyer. Mit mehreren neuen Mitgliedern begann das Vereinsjahr, mit etlichen Plänen und öffentlichen Terminen.

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