Ab Leipzig einen Tagesausflug in den Europa-Park machen? Warum nicht? Sollten Sie jetzt die Stirn runzeln, dann völlig zu Recht. Deutschlands größter Freizeitpark befindet sich nämlich in Rust. Nie gehört? Die 3.700-Seelen-Gemeinde liegt mitten im Schwarzwald, etwa 40 Kilometer nördlich von Freiburg. Trotzdem kann man ab der Messestadt eine Tagestour in das legendäre Achterbahnparadies unternehmen. Martin Schöler hat für L-IZ.de den Selbstversuch unternommen.

Die Reise beginnt am Mittwochabend um 22:50 Uhr. Der Nachtzug chauffiert mich ins Breisgau, wo mich um 7 Uhr in Freiburg eine dunkle Wolkendecke empfängt. Das Frühstück beim bekannten Burgerbrater schmeckt so fettig wie das Konzernimage. Weil Rust nicht ans Bahnnetz angeschlossen ist, fährt mich der Regionalzug ins benachbarte Ringsdorf. Ab dort pendelt ein Shuttle-Bus. Dass der Service kostenpflichtig ist, erweist sich als Katastrophe. Bis zwei Schulklassen ihre Tickets gelöst haben, ist eine Viertelstunde um.

Nach zehnminütiger Fahrt durch’s badische Nirgendwo treffe ich um 9:45 Uhr am Park ein. Mir bleiben sechseinhalb Stunden, um die rund 900.000 Quadratmeter zu erkunden. Kaum hab ich das Gelände betreten, meldet sich Petrus zu Wort. Bis in den frühen Nachmittag hinein wird der Himmel immer wieder seine Schleusen öffnen.

“Queueing” heißt dieser Tage der Achterbahnfreaks liebstes Hobby. Nicht nur der britischen. An den Hauptattraktionen sind Wartezeiten bis zu 30 Minuten keine Seltenheit. Trotz schlechten Wetters. Vordrängeln? Ist nicht drin. Nicht einmal gegen Bezahlung. Wenigstens verfügen die Hauptattraktionen, Holzachterbahn “Wodan” und Stahlcoaster “Blue Fire”, über Eingänge für “Single Rider”. Wer allein kommt, wird neben wildfremden Menschen auf leere Plätze drapiert. Ein genialer Einfall, doch bei Zweier-Bestuhlung sind freie Plätze in einer Achterbahn eher selten. Immerhin warten Einzelfahrer heute nur halb so lange wie Paare und kleine Grüppchen.

Grund genug, das “blaue Feuer” öfters zu beehren. Der Coaster wird auf gerader Strecke in den ersten Hang beschleunigt und überschlägt sich in der Folge mehrfach. Das kribbelnd-leichte Gefühl, ein paar Sekunden schwerelos im Sitz zu schweben, macht süchtig. Die rumpelige Holzachterbahn nebenan sorgt derweil für Migräne-Schübe. Ähnlich unangenehm fährt sich “Silver Star”, mit 73 Metern die zweithöchste Bahn Europas.
Als das Wetter am frühen Nachmittag aufklart, gönne ich mir einen Trip mit “Poseidon” – ein kurvenreicher Mix aus Familiencoaster und Wildwasserbahn. Mein Einweg-Regencape leistet hervorragende Dienste. Die nagelneue Super-Splash-Bahn meide ich dagegen. Ebenso wie das skandinavische Fjord-Rafting und die Tiroler Baumstamm-Fahrt.

Der Europa-Park ist nicht nur Deutschlands größter Freizeitpark, sondern auch einer der schönsten. Thematisch gliedert sich das weitläufige Areal in Länderzonen, die die kulturelle Vielfalt des Kontinents widerspiegeln. Ob englische Kleinstadt oder skandinavische Blockhütten: Die Gestalter beweisen viel Liebe zum Detail. Für die kleinsten Besucher schufen sie sogar einen malerischen Märchenwald. Dornröschens Schloss oder das berühmte Pfefferkuchenhaus laden zum Entdecken ein.

Für gemütliche Abwechslung sorgen kleine Klassiker, etwa die Koggenfahrt oder das Kaffeetassenkarussel. Ein Highlight sind die “Piraten in Battavia”: Eine sanfte Bootsfahrt durch einen schnuckeligen Piratenkosmos aus unzähligen Puppen. Muss man erlebt haben. Im russischen Themenbereich besichtige ich das ausrangierte Trainingsmodul der MIR-Astronauten. Ein Stück lebendige Raumfahrtgeschichte. Längere Distanzen lege ich mit der parkeigenen Monorail-Bahn zurück. Die Rundfahrt ist auch zum Entspannen geeignet. Oder zum Verzehr des mitgebrachten Proviants. Das Catering ist im Park nämlich maßlos überteuert und in weiten Teilen ungesund.

Sechseinhalb Stunden gehen schnell vorüber. Zumindest im Europa-Park. Zwar reicht meine Zeit, um alle Fahrgeschäfte zu besuchen. Teils sogar mehrmals. Doch um das besondere, internationale Flair der Anlage aufzusaugen, hätte ich sicher noch einen zweiten Tag benötigt. So war mir leider der Besuch einer der vielen Shows nicht vergönnt. Wer den Park an mehreren Tagen besuchen möchte, findet in Rust und Umgebung zahlreiche Gästezimmer. Oder mietet sich in eines der angeschlossenen Erlebnishotels ein.

Mein Parkbesuch endet um halb fünf. Der Linienbus fährt mich nach Ringsheim. Wäre mein Zug pünktlich um 16:55 Uhr abgefahren, wäre ich um kurz nach 1 Uhr nachts in der Messestadt eingetroffen. Schön wär’s gewesen. Dass ich Leipzig erst mit 14-stündiger Verspätung erreicht habe, ist eine andere Geschichte.

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