Die Stadt Leipzig hat zum 1. Januar 2012 ein neues Haushaltsrechnungssystem eingeführt. Die Umstellung von der Kameralistik auf die Doppik (doppelte Buchführung in Konten) ist vor allem ein riesiger technischer Aufwand. Bis Juni muss die Eröffnungsbilanz stehen. Deshalb hat Oberbürgermeister Burkhard Jung die Ämterbudgetierung, die eigentlich der Entscheidungsmacht des Stadtrates obliegt, in seine Zuständigkeit geholt.

Um dem Wechsel auf das Neue Kommunale Finanzmanagement (NKF) gerecht zu werden, stand in der Februar-Ratsversammlung die Änderung der Hauptsatzung auf der Tagesordnung. Der Stadtrat hat der Vorlage, durch die dem OBM die erste Festlegung der Dezernatsgeldtöpfe zugesprochen wurde, mehrheitlich zugestimmt. Das ging aber nicht ganz ohne Diskussion vonstatten.

Die Fraktionen Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen hatten berechtigte Einwände vorgebracht. “Denn mit dieser Änderung der Hauptsatzung berühren wir ja die zentralen Machtfragen zwischen Verwaltung und Stadtrat”, verdeutlichte Malte Reupert (Grüne) in seiner Rede das Problem. Jung relativiert: “Es geht hier um die ersten Budgets, die wir innerhalb der Dezernate bilden und die dann auch gegenseitig deckungsfähig werden.”
Die 15. Satzung zur Änderung der Hauptsatzung hat dann ein Verfallsdatum erhalten, so dass die Ämterbudgetierung nicht bis in alle Ewigkeit in der Hand des Oberbürgermeisters liegt – insofern der Stadtrat die Satzung zum veranschlagten Termin im September wieder ändert. Jung erklärt im Interview, dass er dieses Recht auch gar nicht haben will: “Das Budgetrecht hat grundsätzlich der Stadtrat. Das ist das ureigenste Recht des Stadtrats, über die Budgets und damit auch den Haushalt zu bestimmen.” Es gehe nur um die Zeit, bis die Doppik vollständig eingeführt ist.

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Doch bei der komplexen Umstellung des Systems hält es Jung für einfach besser und unkomplizierter, selbst die Dezernatsetats vorzugeben. Der Stadtrat entscheidet dann ja trotzdem über den städtischen Gesamthaushalt und “dort können dann noch Änderungen vorgenommen werden”. Jung sagt es zwar nicht so deutlich, aber seine Antwort lässt diese Interpretation zu: Er traut es dem Gremium nicht zu, die Budgets in der kurzen Zeit zu errechnen. Er sehe das von der technischen Seite her, das Einpflegen der Daten in die neue Computer-Software sei sehr aufwendig, “dass wir uns mit dem Stadtrat viel mehr mit den inhaltlichen Fragen aufhalten sollten”.

Dieser Vorgang könnte als Demokratieverlust verstanden werden. OBM Jung widerspricht dieser These: “Ich finde das sehr demokratisch, weil es erstens immer zum Wohle der Stadt geschieht und zweitens wir um Verständnis bitten […], dass wir in diesem Jahr, in dieser Zeit dieses Verfahren erstmalig so anwenden, und nicht die Budgethoheit des Stadtrats tangieren.” Er will sogar noch weiter gehen und bald Stadtbezirksbudgets bilden. “Das wird noch eine spannende Frage, wie viel basisdemokratische Elemente lässt eine repräsentative Demokratie zu. Aber die Frage der technischen Budgetbildung in Ämtern berührt nicht die Budgethoheit des Stadtrats und ist weiß Gott nicht undemokratisch.”

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