Den Kinderchirurgen des UKL um Klinikdirektor Prof. Martin Lacher ist es gelungen, eine Ösophagusatresie bei einem extremen Frühchen zu behandeln. Als Ösophagusatresie bezeichnen Mediziner eine angeborene Erkrankung, bei der die Speiseröhre (Ösophagus) nicht durchgängig ist. Wird ein Baby damit geboren, kann nichts vom Mund in den Magen gelangen, weder Nahrung noch Speichel.

Nur eine anspruchsvolle Operation kann diesen Kindern helfen. Ein Neugeborenes mit einer solchen Fehlbildung hat aber sehr oft noch ein anderes Problem: eine Verbindung zwischen Luft- und Speiseröhre, eine sogenannte tracheo-ösophageale Fistel. Dadurch kann Magensaft in die Lunge gelangen.

Erste Operation am zweiten Lebenstag

Die kleine Sonja Trümper aus Leipzig lebt, konnte kürzlich ihren ersten Geburtstag feiern und wird auch weiterhin ein normales Leben führen. Danach sah es am Tag ihrer Geburt Anfang März des vergangenen Jahres nicht aus. Sonja kam als extremes Frühchen in der 25. Schwangerschaftswoche zur Welt, wog nur 510 Gramm und litt an einer Ösophagusatresie. “Bei einer Kombination aus dieser Krankheit und dem geringen Gewicht ist ein Überleben in der internationalen Fachliteratur bisher nicht beschrieben”, erklärt Prof. Lacher.

Trotz dieser Ausgangslage entschloss sich der Spezialist für Speiseröhrenchirurgie zu einer riskanten Operation. Nach Stabilisierung des Kindes durch die Neonatologen um Prof. Ulrich Thome wurde Sonja bereits an ihrem zweiten Lebenstag operiert, die Fistel durch einen Clip unterbunden. “Diese gefährliche Verbindung zwischen Speise- und Luftröhre muss in den ersten Lebenstagen schnell gekappt werden”, erläutert der Kinderchirurg, “der Eingriff ist schon bei reifen Kindern anspruchsvoll.” Nach künstlicher Ernährung auf der Neugeborenen-Intensivstation erhielt Sonja in einer zweiten Operation etwa drei Wochen später mittels einer künstlich gelegten Fistel einen direkten Zugang von außen in den Magen, über den sie ernährt wurde.

Chirurgische “Hochseilartistik”

Geschehen solche Eingriffe normalerweise im Operationssaal, musste in Sonjas Fall ihr kleiner Brustkorb von den UKL-Spezialisten im Inkubator geöffnet werden. Für den Operationstisch wäre das Frühchen viel zu instabil gewesen und vielleicht gestorben. Lacher: “Eine Operation im Inkubator ist besonders riskant, war jedoch hier die einzige Option. Dieser Eingriff war wie ‘Hochseilartistik’ – sowohl der Neonatologen, die gleichzeitig die Narkose durchführten, als auch der Chirurgen, es musste sehr schnell gehen und jeder Handgriff sitzen”.

Anfang Juni 2017 stand dann bei 2500 Gramm Körpergewicht die dritte OP an. Beide Stümpfe der Speiseröhre wurden über eine Brustkorbspiegelung (Thorakoskopie) minimal-invasiv aneinander genäht. Nach den multiplen Operationen musste eine Enge der Speiseröhrennaht über Wochen hinweg aufgedehnt werden – letztlich aber erfolgreich. Auch die Ernährungsfistel konnte nach der letzten Operation wieder entfernt werden. Heute kann Sonja normal atmen, essen und schlucken.

Für die Eltern ist es wie ein Wunder

“Dass ein Frühgeborenes mit einer solchen Erkrankung überlebt und sich nun normal entwickeln kann, ist ein großer Erfolg für unser Perinatalzentrum”, freut sich Prof. Lacher. “Hier ist ein perfektes Zusammenspiel aller beteiligten Fachdisziplinen nötig. Dies fängt mit einer schonenden Geburt durch die Abteilung von Prof. Holger Stepan an und setzt sich in der anspruchsvollen Versorgung der extremen Frühgeburt durch die Neonatologie-Abteilung von Prof. Ulrich Thome fort”, hebt er hervor. “Allein ein 510 Gramm schweres Kind ohne weitere Fehlbildungen durchzubringen, wäre schon bemerkenswert gewesen.”

Für Sonjas Eltern Annika und Simon Trümper ist das Ganze nach eigenen Aussagen “ein kleines Wunder”. “Als sie geborgen wurde, so klein war und das Problem mit der Speiseröhre hatte, haben wir nicht an ihr Überleben geglaubt”, erinnert sich Annika Trümper. “Erst nach der ersten OP, als wir erfuhren, dass alles gut lief, konnten wir beginnen, für Sonja zu hoffen.” Allein auf der Intensivstation lag sie 111 Tage lang. “Sie gehörte schon zum Inventar”, kann ihre Mutter heute lachend erzählen. “Damals haben wir uns gewünscht, dass mal eine Zeit käme, in der wir auf all das zurückblicken könnten, weil alles gut gegangen wäre. Und dieser Moment war kürzlich zu Sonjas erstem Geburtstag da gewesen.”

UKL ist Zentrum für Speiseröhrenchirurgie in Sachsen

Für die Nachbehandlung der kleinen Patienten arbeitet das UKL eng mit der Elterninitiative “KEKS” (Patienten- und Selbsthilfeorganisation für Kinder und Erwachsene mit kranker Speiseröhre) zusammen, Prof. Lacher ist  einer von fünf Professoren des wissenschaftlichen Beirats.Das Leipziger Universitätsklinikum stellt ein Zentrum für Speisenröhrenchirurgie bei Kindern in Sachsen dar. Von jährlich etwa 15 neuen Fällen von Ösophagusatresie in Sachsen wurden 2017 allein neun am UKL behandelt.

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