Jüdisches Leben in Deutschland reicht zurück bis in das Jahr 321 – Anlass für ein bundesweites Festjahr „1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland“. In Leipzig allerdings gibt es ein durchgängiges deutsch-jüdisches Miteinander erst seit dem 19. Jahrhundert. Es ist für die Zeit ab etwa 1850, d.h. für die letzten 170 Jahre, möglich, einen Kulturaustausch sichtbar zu machen – mit fruchtbaren Phasen der gegenseitigen Bereicherung und beschämenden Zeiten der Ausgrenzung und Verfolgung.

Weil die Leipziger Notenspur dem Wunsch der jüdischen Gemeinden gefolgt ist, sich nicht nur mit der schrecklichsten Periode im Zusammenleben von Juden und Deutschen zu befassen, sondern auch die Zeiten lebendigen Austausches erlebbar zu machen, erhält sie für ihr Projekt  „170 Jahre deutsch-jüdisches Miteinander in Leipzig – Vertraute Töne im Fremden entdecken“ Bundesförderung. Richtet man den Fokus auf die dunklen Perioden des Zusammenlebens, lenkt man die Aufmerksamkeit vor allem auf die nichtjüdischen Peiniger.

Zeiten gelingenden Miteinanders rücken jüdisches Leben und Kultur in den Mittelpunkt und schaffen positive Anknüpfungspunkte für ein neues Miteinander in der Zukunft. Ingolf Thiele, Musik- und UNESCO-Lehrer der kooperierenden 94. Oberschule, unterstreicht dies: „Die Vielfalt der jüdischen Kultur und Religion ist beeindruckend, aber leider vielen Menschen nicht oder nur teilweise bekannt, da der Fokus meist auf der Shoah liegt. Das SchülerInnenprojekt an unserer Schule schafft Raum für Begegnung mit dem jüdischen Leben in unserer Stadt.“

Besondere Kennzeichen des Notenspur-Jahresprojektes sind:

· Musik dient als verbindendes Element, das eine emotionale Beziehung zur jüdischen Kultur schafft.

· Das deutsch-jüdische Miteinander wird mit authentischen Orten jüdischen Lebens im Leipziger Stadtraum verknüpft, um ihm beständige Haftpunkte in der heutigen Stadt zu geben.

· Wie in der jüdischen Erinnerungskultur gibt es Beteiligungsformate, die aus Zuschauern Träger und Multiplikatoren der Erinnerung machen.

Projektkoordinatorin Karoline Konrad freut sich auf die Umsetzung: „Das Gesamtprojekt ist unglaublich facettenreich und umfasst mit seinen 12 Teilprojekten partizipative und bürgernahe Formate, die die kulturelle Vielfalt des Judentums in den Mittelpunkt stellt. Das macht das Projekt nahbar und einzigartig.“

Dafür stehen folgende Beispiele:

· Am 13. April 2021 gibt es im Lößniger Park ein stilles Schneeblumen-Gedenken. Mit Texten aus dem Buch „Schneeblumen“ und Live-Musik wird an die 1300 ungarisch-jüdischen Frauen und die 250 französischen politischen Gefangenen erinnert, die am 13. April 1945 von Markkleeberg nach Theresienstadt aufbrechen mussten.

· Am 8. Juli 2021 gestalten die Leipziger Notenspur und die HTWK Leipzig mit dem Leipziger Hörspielsommer einen Themenabend. Die Hörspiele ranken sich um den Reichtum jüdischer Kultur, um wiederkehrende Fluchterfahrungen jüdischer Menschen und um das Ringen der jüdischen Gemeinde, ihren Weg in Deutschland zu finden. Interviews und Live-Musik vertiefen die Thematik.

· Am 15. August widmet der Notenspur-Verein seine Notenrad-Tour jüdischer Friedhofs- und Erinnerungskultur. Die Fahrt führt über den Alten und den Neuen Israelitischen Friedhof Leipzig zum jüdischen Friedhof nach Delitzsch. Grabstätten werden besucht und Friedhofsbräuche werden erläutert. Auf einer Unterwegsstation erklingt jüdische Musik. Partner ist der ADFC Leipzig.

· In der zweiten Septemberhälfte 2021 laden die jüdischen Gemeinden in Deutschland ein, mit ihnen Sukkot (Laubhüttenfest) als Begegnungsfest zu feiern. Geplant sind von der Leipziger Notenspur Sukkot-Mitmachformate mit Schulen, Vereinen und Wohnprojekten, um die jüdische Kultur durch eigene Erfahrungen besser kennenzulernen. Werner Schneider, spiritus rector der Leipziger Notenspur, unterstreicht: „Die Unkenntnis und die Unsicherheit im Umgang mit dem vermeintlich Fremden sind der Boden, auf dem Antisemitismus gedeiht. Diesem wirken wir mit unseren Mitmachaktivitäten entgegen.“

Überblick und Einzelheiten zu den Projektaktivitäten und Partnern unter www.notenspur-leipzig.de/jns

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