Drei Neubauten wurden im Rahmen der Lösungssuche für das Naturkundemuseum im lange erwarteten Masterplan der Stadt Leipzig untersucht. Darunter mit der Rudolphstraße ein alter Bekannter, mit dem Museumsquartier eine Utopie und mit dem Standort Stadthafen eine kuschelige, aber etwas abwegige Variante samt wackeliger Zukunftsprognose. Das Areal an der Rudolphstraße schräg gegenüber des Leipziger Rathauses war bereits im Gespräch fürs Bildermuseum, nun hat es die städtische Grünfläche bis unter die besten drei geschafft. Wenn auch nur scheinbar.

Ein Traum für jeden Baudezernenten oder Dezernentin, wie man seit der Wahl von Dorothee Dubrau (Parteilos) sagen sollte. Denn neu bauen heißt ausgiebige, möglichst weltweite Architekturwettbewerbe veranstalten, jungfräuliches Bauland betreten und sich ein bisschen in der Stadtgeschichte verewigen. Und schon im Masterplan der Stadt schimmert so eine Art politischer Wunsch durch, mit einem Standort eben nicht am jetzigen Naturkundemuseumsplatz Aufbruch und Neuanfang zu signalisieren. Denn das bedeutet angeblich ein Bekenntnissignal zur Zukunft eines Hauses, auch wenn es sich gegen den alten Standort und die etablierten Laufwege richtet.

Die Freude auf all dies könnte der neuen Baudezernentin jedoch angesichts der Zahlen hinter den Überlegungen zu einem Neubau in der Katharinenstraße (Museumsquartier) ebenso wegbleiben, wie bei der Stadthafenkonzeption. Wobei Konzeption bei allen Neubauten schon ein gewagter Begriff ist, denn so richtig verfolgt wurden diese Ideen auch im Masterplan nicht.

Runde 25 Millionen und damit die mit Abstand höchste Summe unter allen Ideen steht fett gedruckt hinter den gesamten Baukosten zu einem neuen Museumsgebäude in der Nachbarschaft zum Bildermuseum und damit hinter der Vision eines “Museumsquartieres”. Grund sind notwendige Unterkellerungsarbeiten, vor allem jedoch ein notwendiger Erwerb von nichtstädtischem Grund in Höhe von geschätzt 4,2 Millionen Euro, um bedarfsgerecht bauen zu können. Auch wenn dem Standort ebenfalls das höchste Besucherpotential von 140.000 Gästen pro Jahr und im Betrieb dann ein hoher Stellenwert samt kostengünstigem Wirtschaften attestiert wird, dürfte diese Vision eine bleiben. Und das, obwohl das Stadtplanungsamt sogar schon eine sonst übliche Unterbringung von 30 Prozent der Geschossfläche für Wohnraum ausnahmsweise nicht einfordern würde.

Dafür sind die Sachzwänge im Stadtkässchen und bei den damit ungelöst herumstehenden städtischen Immobilien an der Lortzingstraße und mit dem Bowlingcenter auf dem Leuschnerplatz wohl bereits auf den ersten Blick schlicht zu viele. Hübsche Idee schon, hier eine Art museales Kerngebiet für bildungshungrige Touristen und Leipziger zu schaffen, aber das dürfte mit einem doppelt hohen Budget als der Durchschnitt der anderen Überlegungen sogar ausgewiesenen Bildungsenthusiasten ein bisschen zu happig werden.
Mit rund 16,5 Millionen inklusive Zukäufe kommt da die Idee, das Naturkundemuseum mit einem Standort an der Friedrich-Ebert-Straße 79-81 hinüber Richtung Stadthafen sozusagen direkt an die Natur des Auwaldes zu verpflanzen, schon wieder etwas kuscheliger daher. Der Sympathiepunkt, der verteilt wird, lautet im Konzept demzufolge auch: “Ein Museum, das Freizeitgestaltung in der Natur des Umlandes vermittelt, Umweltbildungsaufgaben übernimmt und zugleich die Sammlung des Naturkundemuseums Leipzig präsentiert. 4.150 Quadratmeter reine Nutzfläche wären möglich, doch auch hier müsste die Stadt zuvor Grundstücke von zwei verkaufswilligen Besitzern erwerben, wenn auch in offensichtlich erschwinglicherem Rahmen als in der City. 646.000 Euro, nach den Zahlen im “Museumsquartier” sozusagen ein Schnäppchen.

Wenn es nur nicht so weit weg von den derzeit üblichen “Trampelpfaden” der Leipziger und der Besucher wäre, hier nimmt man nur eine wackelige 100.000 bei den zu erwartenden Besuchern pro Jahr an. Und um dies ein wenig auszubalancieren, greift die Studie zu einem Trick und mutig aus den noch eher unklaren Planungen zum Neuseenland das heraus, was man schon sicher glaubt. Auch wenn man das Potential nicht zu hoch ansetzen möchte, aber so ein wenig glaubt man an einen Anstieg von “Individualwassersportlern”, welcher die Bekanntheit des Ortes steigern soll. Und dabei an eine Spezies, die es so noch nicht gibt und um die gerade hart gerungen wird. “Bleiben die Naturausflüge und die Angebote der Elektroboote und, nunmehr auch zugelassen, von Motorbooten in die Neuseenlandschaft im Sommer”, die hier für Belebung sorgen sollen, schreiben die Studienmacher vorausschauend. Hoppla, denkt sich da der Eisvogelfreund und der Wasserverkehrsstraßenlogistiker stutzt. Aber bis zum Jahre 2020 wäre dafür ja noch viel Luft, inklusive Streit um Umweltschutz contra vorgeblicher Wirtschaftlichkeit.

Doch im Fazit findet sich hier eine der schlechtesten Noten bei der Refinanzierung und mit 1,146 Millionen der logischerweise höchste städtische Zuschussbedarf Jahr für Jahr. Höhere Marketingkosten zur Bekanntmachung mit 350.000 Euro gegenüber den sonst fast als Standard auftauchenden 200.000 Euro gibt es noch obenauf. Wie auch – man muss dies leider jeder Neubauidee nachrufen – zwei dann weiterhin herumgammelnde, denkmalgeschützte, städtische Immobilien samt Baugrund.
Deshalb flott zum dritten und vielleicht realistischsten Neubauplan und damit zu einem alten Bekannten. Das Areal am Martin-Luther-Ring ist auf Anhieb erreich- und sichtbar, gehört der Stadt und liegt begrünt herum. Ein entsprechender Bau an der Rudolphstraße entlang wäre ein echter Hingucker, der Verkehr rauscht vorüber wie das Meer. Und mit den Kosten inklusive Bau und Eröffnung stehen vergleichsweise freundliche 14,341 Millionen im Raum. Könnte man sich höhere Betriebskosten leisten, könnten hier sogar 5.000 bis 6.000 Quadratmeter – also ein modernes XL-Naturkundemuseum entstehen. Kann man aber nicht, also wird auf die gleiche Größe von rund 4.300 Quadratmetern prognostiziert, wie bei den anderen Sanierungen, An- und Neubauten.

Weshalb es diese Idee auch unter die letzten drei geschafft hat: Sie ist neben den vergleichsweise moderaten Kosten citynah, bestens erreichbar via ÖPNV oder PKW und zukünftige Oberbürgermeister hätten etwas zu zeigen vom Balkon aus. Steht so natürlich nicht im Konzept. Doch auf den letzten Seiten des Masterplans – sozusagen im Finish, verschwindet das Areal auf einmal aus den Planungen. Lapidar wird da nur noch auf den scheinbaren Siegerkandidaten “Bowlingcenter” verwiesen, welches sich bei den Abschlusszahlen nochmals mit dem alten Standort an der Lortzingstraße und den dort anfallenden Kosten duelliert. Die Rudolphstraße fällt dabei nahezu wortlos durchs Raster.

Gut, es sind ja auch keine weiteren Skizzen oder ähnliches möglich, neu bauen, heißt Wettbewerbe darüber ausschreiben und dann einen hoffentlich wunschgemäßen Bau unter Einhaltung aller Vorgaben der neuesten Klimatechnik und allem weiteren Schnipp und Schnapp zu erhalten. Und wenn, dann sollte wohl tatsächlich hier neu gebaut werden – im Rücken über die Friedrich-Ebert-Straße hinweg den Clara-Zetkin-Park und Aug in Aug mit dem Leipziger Zentrum.

Der wichtigere Grund dürfte jedoch im bekannten Refrain liegen, welcher nun zum dritten und letzten Mal erklingt: Was wird aus Bowlingcenter und heutigem Naturkundemuseum, wenn dann am Leuschnerplatz die unterirdischen Hallen weiter leer bleiben, sich das Wasser fröhlich nach oben kämpft, statt dass sich das Gebäude in eine Gesamtidee mit Markthalle und weiteren Neubauten einfügen kann? Und dies, während an der Lortzingstraße eine zunehmend einsturzgefährdete Stadtimmobilie mit beständig breiter werdenden Rissen im Gemäuer und auf schwankendem Grund verbliebe?

Ideen zur anderweitigen Verwendung der beiden Gebäude jedenfalls finden sich im Masterplan für dieses Szenario nicht, weshalb einem die Neubauüberlegungen ein bisschen wie ein lustiges Klötzchenspiel vorkommen. Der Sachzwang könnte sie obsolet machen – allesamt.

In wenigen Stunden auf L-IZ.de “Das Stadtbad und ein ehemaliges Bankgebäude oder Zwei Außenseiter und ein Halleluja”
Der Bebauungsplan “Museumsquartier” als PDF zum download.

Der Raumplan Rudolphstraße als PDF zum download.

Der Stadthafen Friedrich Ebert Straße als PDF zum download.

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Michael Freitag über einen freien Förderbetrag senden.
oder

Keine Kommentare bisher

Schreiben Sie einen Kommentar