Der Freistaat Sachsen rühmt sich gern, dass er seit der "Jahrhundertflut" 2002 ungefähr 1,6 Milliarden Euro für die Beseitigung der Hochwasserschäden und die Stärkung des Hochwasserschutzsystems ausgegeben hat. Was bei dem Jubel meist unterbleibt, ist der Hinweis darauf, dass die Kommunen mit ihrem Anteil am Hochwasserschutz zumeist allein gelassen werden. Zumindest Leipzigs Umweltbürgermeister Heiko Rosenthal hofft, dass sich das jetzt deutlich ändert.

Immerhin hatte Leipzig 2011 und 2013 zwei weitere Hochwasserereignisse, die gezeigt haben, dass nicht nur an den vom Freistaat (und ihrer Tochter Landestalsperrenverwaltung) verwalteten Gewässern 1. Ordnung (Weiße Elster) Schutz- und Handlungsbedarf besteht. Gerade dann, wenn Hochwasserereignisse auch die Gewässer 2. Ordnung im Leipziger Raum betreffen, ist auch das innerstädtische Abflusssystem der Mühlgräben gefragt. Aber da sind die Arbeiten seit 2007 gewaltig ins Stocken geraten. Aus eigener Kraft kann Leipzig die Öffnung der innerstädtischen Fließgewässer nicht stemmen. Und auch mit Fördermitteln wir das ein ganz dicker Brocken.

Am 20. November hat Umweltbürgermeister Heiko Rosenthal (Die Linke) erstmals das “Mittelfristige Programm zur Finanzierung von Hochwasserschutz- und ausgewählten Gewässerentwicklungsmaßnahmen für Gewässer der II. Ordnung in der Stadt Leipzig” in der Dienstberatung vorgestellt. Im Januar soll das dicke Paket im Fachausschuss Umwelt und Ordnung Thema werden und dann im Februar in die Ratsversammlung gehen.

Es soll Handlungsgrundlage für die Gewässerentwicklungsmaßnahmen von 2013 bis 2025 werden und “in zeitlicher Abhängigkeit von der Bereitstellung der kommunalen Eigenmittel und der Fördermittel” erfolgen. Das ist der Knackpunkt. Denn gebaut werden kann nur, wenn Geld da ist. “Die aufgezeigten Eigenmittel gelten vorbehaltlich der Beschlussfassung und Genehmigung der jeweiligen Haushaltspläne 2014 ff.”, heißt es in der Vorlage.

Erstmals nennt Rosenthal eine Gesamtsumme, die jetzt noch fehlt, um das innerstädtische Gewässersystem hochwassertauglich und wieder durchlässig zu machen: rund 48.116.000 Euro. Etwas übersichtlicher formuliert: 48 Millionen Euro.

Die große Hoffnung des Umweltbürgermeisters: dass es für diese Gelder Förderung in Höhe von mindestens 50 Prozent gibt, bei einigen Maßnahmen, wo man mehrere Förderoptionen koppeln kann, auch bis zu 75 %. “Bei einer Förderrate zwischen 50 und 75 % für die meisten investiven Maßnahmen können bis zum Jahr 2025 Fördermittel in Höhe von insgesamt rd. 25.500.000 Euro abgerufen werden.”

Bleiben für die Stadt trotzdem noch aufzubringende Eigenmittel von rund 23 Millionen Euro.

Ein wirklich nicht billiges Teilprojekt ist ja schon im Bau: die Öffnung des Elstermühlgrabens. Hier hat der Stadtrat auch schon das grüne Licht zur Gesamtfinanzierung über 18,3 Millionen Euro für das Bauvorhaben “Öffnung des Elstermühlgraben”, Bauabschnitt 3, Teilbauabschnitt 3.3 und den Neubau der Westbrücke gegeben. Das war am 10. Juli 2013 (Beschluss Nr. RBV-1712/13).
Bleiben nun noch 19 Millionen Euro, die die Stadt Leipzig bis zum Jahr 2025 in einzelnen Jahresscheiben aufbringen muss. In seiner Vorlage weist Rosenthal deutlich darauf hin, wie wichtig die Freilegung der Mühlgräben für den Hochwasserschutz und vor allem die hydraulische Ableitfähigkeit der Gewässer in der Innenstadt sind.

Beim Elstermühlgraben ist zumindest ein Abschluss des Großprojekts in Sichtweite. Der letzte Abschnitt bis zur Thomasiusstraße soll bis 2019 offengelegt sein.

Zu den schon genehmigten 18 Millionen Euro kommen dann noch 32,8 Millionen Euro, die bislang noch nirgendwo eingetaktet sind. In der Formulierung des Umweltdezernats: “Der Stadtrat nimmt zur Kenntnis, dass zur Umsetzung der Maßnahmen Nr. 32, 35, 36 und 37 von 2026 bis zum Jahr 2030 weitere Mittel in Höhe von rund 32.800.000 Euro erforderlich sind.”

Die genannten Nummern bezeichnen die noch fehlenden Teilstücke im Pleißemühlgraben. Jedes für sich eine eigene Investitionsmaßnahme. Über das erste – die Nr. 32 – wird sich der Verein Neue Ufer besonders freuen, der nun seit über 20 Jahren für die Freilegung der alten Mühlgräben kämpft. Das ist die Offenlegung des Pleißemühlgraben zwischen Simson- und Lampestraße, geplant für den Zeitraum 2013 bis 2018. 2013 deshalb, weil der Verein Neue Ufer die Spende eines Anliegers schon mal als Planungsmittel an die Stadt weitergereicht hat. Die Baumaßnahme soll 5,8 Millionen Euro kosten.

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Die Nr. 35 ist die Freilegung des Pleißemühlgrabens an der Wundtstraße für 11,7 Millionen Euro – geplant aber erst für den Zeitabschnitt 2023 bis 2028. Noch etwas später soll der Abschnitt zwischen Tauchnitzbrücke und Rudolphstraße vis-à-vis vom Neuen Rathaus geöffnet werden: 2024 bis 2029, Kostenpunkt 2,45 Millionen Euro (Nr. 36 auf der Liste). Und Nummer 37 wäre dann der Abschnitt an der Gottschedstraße bis zur Käthe-Kollwitz-Straße, vorgesehen für 2025 bis 2030, 7,7 Millionen Euro teuer.

Vorher steht noch die Nummer 33 im Plan – ebenso wie die anderen Öffnungsvorhaben unter Priorität 1 aufgeführt: “Offenlegung Pleißemühlgraben VIC”. Ein Blick auf die Karte zeigt: Das muss der Abschnitt von der Käthe-Kollwitz-Straße bis zum Ranstädter Steinweg sein, wo man sich noch nicht wirklich über den Verlauf geeinigt hat – nach historischem Verlauf hinter der Feuerwache oder in völligem Bruch damit direkt am Dittrichring. Kostenvoranschlag: 7,7 Millionen Euro.

Auch das daran anschließende Stück steht schon in Rosenthals Liste. Denn historisch dockt der Pleißemühlgraben am Ranstädter Steinweg nicht an den Elstermühlgraben an (hier gibt es nur ein Verbindungsstück), sondern fließt zwischen Rosenthalgasse und Lortzingstraße weiter nordwärts und mündet dann in die Parthe. Dieses Stück soll 2013 bis 2030 wieder geöffnet werden für geschätzte 13,3 Millionen Euro.

Das ist alles noch Zukunftsmusik und hängt aufs engste von der Leipziger Haushaltslage und der Gnade der Fördergeldgeber ab. Nicht enthalten in der Liste ist natürlich die Freilegung der Alten Elster, die – da ein Gewässer 1. Ordnung – in Hoheit des Landes und damit der Landestalsperrenverwaltung steht. Das trifft auch auf den geplanten Überlauf von der Weißen Elster zur Neuen Luppe zu.

Dafür wird eine Maßnahme, die schon 2014 umgesetzt werden soll, Manchen überraschen: Für 626.580 Euro soll am Karl-Heine-Kanal noch 2014 ein Hochwasserschutztor gebaut werden, das bei Hochwasser verhindern soll, dass das Wasser in den Lindenauer Hafen und perspektivisch weiter in den Elster-Saale-Kanal fließt und dort Schäden anrichtet.

Direkt zur Vorlage:
http://notes.leipzig.de/appl/laura/wp5/kais02.nsf/docid/C3255674ADE34340C1257AB40033E0DA/$FILE/V-ds-2654-text.pdf

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