Ob es "Schimpf und Schande" war, was der Landtagskandidat der Leipziger CDU Andreas Nowak da am 6. Februar via LVZ in die Welt gab, wie Linke-Stadträtin Dr. Ilse Lauter meint, ist sicher eine Geschmacksfrage. Aber das Wort "Schande" hatte Nowak selbst ins Gespräch gebracht. Dabei geht es bei Leipzigs maroden Schulen nicht um Schande, sondern um richtig viel Geld. Das die Stadt nicht hat und der Freistaat nicht gibt.

“Es ist unglaublich, wie die Leipziger Stadtspitze die Zustände in der 100. Grundschule über Jahre ignoriert”, zitiert die LVZ Andreas Nowak. “Dass in der Schule Zustände wie 1989 und früher herrschen, ist seit Jahren bekannt. Jedenfalls, wenn man sich dafür interessieren würde (…) Vor seinem Job als OBM war Burkhard Jung Schulbürgermeister. Den Zustand der 100. Grundschule hätte er seit Jahren kennen können. Es ist eine Schande für die Stadt Leipzig.”

Mühsam schafft es Leipzig in seinen Haushaltsplänen, irgendwie in die Dimension von 30 Millionen Euro für Schulsanierungen und irgendwie in die Nähe 10 Millionen Euro für Schulreparaturen zu kommen. Geld, das nicht wirklich reicht, die Substanz zu erhalten. Noch immer schiebt Leipzig einen Sanierungsstau von über 500 Millionen Euro allein bei Schulen vor sich her. Ein Investitionsberg, den die Stadt nicht allein stemmen kann. Jahr für Jahr gibt es die Appelle an die Landesregierung, den Fördermitteletat aufzustocken. Im Stadtrat und in den Ausschüssen wird um jedes einzelne Projekt gerungen. Ein Ringen, in das auch die CDU-Fraktion eingebunden ist.Doch nicht nur Ilse Lauter vermisst hier ein ernsthaftes Mitmachen. Irgendwie scheint die CDU wie ein UFO zu sein, das sich an den realen Diskussionen eher zurückhaltend beteiligt – aber gern aus der Perspektive einer glorreich regierenden Landespartei kritisiert, was denn in Leipzig für Zustände herrschen.

“Die angesprochenen Zustände an der 100. Grundschule in Grünau sind wahrhaftig schlimm und bedürfen dringender Maßnahmen”, sagt dazu die schulpolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, Ute Köhler-Siegel, die selbst als Lehrerin die Zustände in Leipzigs Schulgebäuden kennt. “Man darf aber nicht vergessen, dass es an vielen Schulgebäuden der Stadt teilweise untragbare bauliche Mängel gibt. Toiletten, Speiseräume im Keller, undichte und dann zugeschraubte Fenster – die Liste lässt sich fortsetzen. – Herr Nowak sollte sich aber nicht nur über die Zustände an einem Schulgebäude der Stadt beschweren, sondern mal mit seiner Landesregierung besprechen, wie der Freistaat den Kommunen in den nächsten Jahren mit Förderprogrammen bei der Abstellung solcher ‘Zustände’ unter die Arme greifen kann. Als potentieller Landtagsabgeordneter für Leipzig kann er sich dann auch noch darum kümmern, dass die Fördermittel gerecht verteilt werden, denn bisher wurden vor allem Dresden und der Vogtlandkeis überdimensional bedacht.”

Die Zahlen hatte der SPD-Landtagsabgeordnete Holger Mann bei der sächsischen Landesregierung erfragt. Näheres dazu im Artikel “Förderpraxis für Schulneubauten in Sachsen: Wer wenig hat, bekommt auch weniger”. Die Verteilung der Fördermittel in Sachsen mutet nicht nur beim Schulbau sehr politisch an. Dass ausgerechnet Leipzig seit Jahren bei der Fördermittelvergabe massiv benachteiligt wird, sollte eigentlich auch ein Thema für die Landtagsabgeordneten der Leipziger CDU sein.

“Leipzig hat im Bereich Schule zwei grundlegende Probleme zu lösen”, stellt Köhler-Siegel fest, “zum einen die Kapazitätserweiterungen, um der steigenden Anzahl an Kindern gerecht zu werden, und die Bestandsgebäude vor dem weiteren Verfall zu bewahren. Beide Aufgaben kann die Stadt Leipzig nicht allein bewältigen. – Ich werde also genau beobachten, ob Herr Nowak auch handeln kann”, sagt Köhler-Siegel abschließend.

Aber nicht nur der Landtag ist in diesem Fall die notwendige Adresse. Und es wäre zumindest mutig, wenn ein Leipziger CDU-Abgeordneter dort einmal den Mut aufbringen würde und aufstehen würde, um zu sagen: Es ist eine Schande.

“Vielleicht sollte sich Herr Nowak einmal an seine CDU-Kollegen im Stadtrat wenden”, schlägt die Linke-Stadträtin Dr. Ilse Lauter vor. “Zu eigenen Haushaltsanträgen hatte es bei den Christdemokraten bekanntlich nicht gereicht. Und unglaublich, aber wahr ist, dass die CDU-Fraktion alle Anträge der Fraktion Die Linke, Geld für Grünaus Schulen einzustellen, abgeschmettert hat. Und wenn kein Geld geplant ist, kann man nicht sanieren. Wer diese schlichten Tatsachen nicht versteht, ist entweder ein Ignorant oder scheinheilig. Möchten Sie solch einen Menschen im Landtag haben?”

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