Die Diskussion um den künftigen Standort des Leipziger Naturkundemuseums ist noch längst nicht abgeschlossen, auch wenn einige Akteure aus Stadtverwaltung und Politik derzeit den ehemaligen Bowlingtreff am Leuschnerplatz als neuen Standort favorisieren. Zu viele Fragen sind mit diesem Gebäude verbunden und noch ungeklärt. Für einen ehemaligen Leipziger, der die Materie kennt, ein gewichtiger Grund, jetzt eine Petition zu schreiben.

Dr. Andreas Thielemann ist Bibliotheksleiter der Bibliotheca Hertziana, Max-Planck-Institut für Kunstgeschichte in Rom. Er hält die Verlegung der Sammlung des Naturkundemuseums in die Untergeschosse eines Gebäudes für einen schwerwiegenden Fehler.

“Die Sammlung des Naturkundemuseums besteht zum großen Teil aus sensiblen Mineralien und Fossilien sowie Pflanzen- und Tierpräparaten. Einige davon müssen als Unikate von unwiederbringlichem Wert gelten. In Untergeschossen, das zeigt die Erfahrung, lassen sich solche sensiblen Sammlungsobjekte nicht dauerhaft und sicher vor Schimmelbefall schützen”, schreibt er in seiner Petition. “Selbst bei (scheinbar) perfekter Klimatisierung liegt in Untergeschossen das Risiko einer vollständigen oder teilweisen Zerstörung durch Schimmelbefall oder direkter Wassereinwirkung um ein Vielfaches höher als bei einer Unterbringung in Obergeschossen.”

Und dann berichtet er aus der eigenen Erfahrung: “Die Bibliotheca Hertziana, Max-Planck-Institut für Kunstgeschichte in Rom, stand vor zwei Jahren vor einer ähnlichen Grundsatzentscheidung, als es um die Unterbringung ihrer kostbaren Rara-Bestände in einem Neubau ging, der nach über zehnjähriger Bauzeit 2013 eröffnet wurde. Um die für den Publikumsverkehr offenen Obergeschosse möglichst nicht für Depotraum zu verwenden, war bei der ursprünglichen Planung des Neubaus zunächst der Entschluss gefallen, die Rara in speziell klimatisierten Räumen des Untergeschosses unterzubringen. Entsprechend aufwendige Klimaanlagen sollten für konstante Temperatur und Luftfeuchtigkeit sorgen. Obwohl diese teure Technik inzwischen eingebaut war, entschied sich die Bibliotheca Hertziana vor Bezug des Neubaus (2012) gegen diesen ursprünglichen Plan und brachte die Rara-Sammlung in Räumen des 1. Obergeschosses unter.”

Der Grund für die Planänderung waren Erfahrungen aus den 1990er Jahren, als man Kellergeschosse der alten Palazzi der Bibliotheca Hertziana sanierte.

“Eine Warnung der als Gutachter hinzugezogenen Bayerischen Staatsbibliothek hatte man in den Wind geschlagen und die Keller als Bücherdepots ausgebaut. Bereits nach kurzer Zeit trat Schimmelbefall in diesen frisch sanierten und mit Klimatechnik ausgerüsteten Räumen auf”, schildert Thielemann. “Unterschiedlichste technische Lösungen wurden seitdem zur Behebung der Defekte erprobt – die letzte datiert vom Dezember 2013. In all diesen Jahren haben sich die Versprechen der Bauleute und Klimatechniker immer wieder als falsch erwiesen. Es gelang nicht, das Mauerwerk abzudichten. Die Versuche Heizrohre in die Wände einzubauen, führte auch zu keiner Verbesserung, und die verschiedensten Maßnahmen zur Intensivierung der Klimatisierung reichten ebenfalls nicht aus. Geblieben ist der permanente Kampf um ein Gleichgewicht zwischen der Wasserdiffusion und den Entfeuchtungsmaßnahmen. Obwohl die Max-Planck-Gesellschaft nicht an der Technik sparte, versagte diese wieder und wieder, so dass wir mit mehreren Schimmelwellen zu kämpfen hatten: Hohe Kosten für die Reinigung und Desinfektion, Beeinträchtigung der Nutzung und sich vertiefende Schäden an den Büchern.”

Aber selbst bei einem Neubau treten diese Probleme auf. Klimatechnik kann ausfallen, Fenster zur Lüftung fehlen.

“Infolge dieser Warnungen und unserer eigenen Erfahrungen mit den Kellern der älteren Palazzi entschieden wir uns in letzter Minute für die Unterbringung der Rara in Räumen des 1. Obergeschosses, wo sie vor Feuchtigkeit und vor Wasserereignissen im Erdgeschoss geschützt sind”, resümiert Thielemann. “Der Verlust an öffentlich zugänglicher Fläche im 1. Stock ist zwar bedauerlich, doch haben wir inzwischen Fehlfunktionen der Klimaanlage und Wassereinbrüche im Untergeschoss des Neubaus erlebt und sind daher heilfroh, dort nur normale Bücher und nicht unsere Rara deponiert zu haben. Auch für die normalen Bücher bleibt die Unterbringung im Untergeschoss freilich eine dauernde Gefährdung.”

Auch wenn er kein Fachmann für Tier- und Pflanzenpräparate sei, rät er doch dringend, die Sammlung des Naturkundemuseums nicht in Untergeschossen unterzubringen.

Was dann auch die Frage nach den Kosten der nötigen Klimatechnik aufwirft, die im ehemaligen Bowlingtreff eingebaut werden müsste. Und dann natürlich die Frage nach den Finanzen. Denn der bisherige Standort wird ja vor allem zurückgestuft, weil er scheinbar höhere Investitionskosten verursachen würde, auch wenn gemunkelt wird, das klassizistische Gebäude am Schulplatz stehe schon längst auf der Verkaufsliste der Stadt und man wolle aus dem Erlös dann den neuen Standort fürs Naturkundemuseum finanzieren.

Zur Bibliotheca Hertziana.
Die Petition in voller Länge als PDF zum download.

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