Für das teilweise eingestürzte Haus Eisenbahnstraße 43 besteht nach einer ersten Einschätzung durch den vom Eigentümer beauftragten Tragwerksstatiker keine weitere Einsturzgefahr, teilt das Amt für Bauordnung und Denkmalpflege mit. Die Sperrung und damit die Umleitung des Straßenbahnverkehrs wird allerdings noch voraussichtlich bis 11. Juni aufrechterhalten.

Das wurde in Auswertung eines Termin vor Ort bekannt, der am Mittwoch, 4. Juni, stattfand und an dem der Eigentümer, der von ihm beauftragte Statiker, das Amt für Bauordnung und Denkmalpflege (ABD) und die Leipziger Verkehrsbetriebe (LVB) GmbH teilnahmen.

Bei diesem Termin sind erste Maßnahmen festgelegt worden. Danach erarbeitet der vom Eigentümer beauftragte Statiker bis Freitag, 6. Juni, einen Standsicherungsnachweis, wozu auch das Sicherungskonzept aus dem Jahre 2004 herangezogen wird, das vom Eigentümer seinerzeit aufgestellt und umgesetzt worden war. Der bis morgen vorliegende Standsicherungsnachweis muss durch einen vom ABD beauftragten Prüfingenieur bestätigt werden. Das Ergebnis dieser Prüfung soll bis zum 11. Juni vorliegen.

Der Eigentümer sorgt dafür, dass bis zum 6. Juni lose Putz- und Bauteile von der Fassade entfernt werden. Dabei wird auch die untere Verkleidung des Erkers geöffnet, um den Zustand des Kragarmes zu untersuchen.

Das Stadtforum Leipzig hat sich mittlerweile auch zum Fall geäußert. Es fordert den unbedingten Erhalt des von der endgültigen Zerstörung bedrohten, 1893 errichteten Gebäudekomplexes der bedeutenden Verlegerfamilie Henze in der Eisenbahnstraße 41-45.
“Das Gebäude Eisenbahnstraße 43 zeichnet sich durch eine außergewöhnliche Qualität in Architektur und Bauplastik aus – sowohl an der Fassade, als auch im Innern. Das gesamte, ursprünglich aus jeweils zwei spiegelbildlich angeordneten Einzelhäusern gebildete Ensemble Eisenbahnstraße 41-45, kann wohl als das Hauptwerk des Leipziger Architekten Wilhelm Plessing gelten. Verbindungen zwischen dem Architekten und dem seit 1889 in Leipzig tätigen und sehr bekannten Bildhauer Joseph Mágr legen nahe, dass Joseph Mágr für die qualitätvollen Sandsteinarbeiten an den Fassaden verantwortlich zeichnete”, beschreibt es das vom Verlust bedrohte Baudenkmal.

“Hinter den durch Mittelrisalite mit Erkern und säulenflankierten Fensteröffnungen reich gegliederten Sandsteinfassaden mit Putzspiegeln befinden sich herrschaftliche Zimmer und Salons. Diese verfügen über 3,60 m hohe und reiche Stuckdecken sowie Parkettfußböden, welche in den Salons der ersten und zweiten Etage aus Tafelparkett mit farbigen Holzintarsien bestehen. Hervorzuheben ist, dass die Etagenwohnungen, welche über jeweils zwei Eingangstüren vom Treppenhaus erreichbar sind, bereits seit ihrer Erbauung 1893 über Bäder verfügten. Im Jahre 1905 wurden bereits Wasserclosetts modernster Bauart eingebaut. Im Jahre 1958 öffnete nach erfolgtem bemerkenswert modernem Umbau durch die Architekten Regul + Steuber im Erdgeschoss der Nr. 43 der erste Selbstbedienungsladen der HO. Als weitere Besonderheit gilt – in Resten noch heute erhalten – ein verglastes photographisches Atelier im Dachgeschoss.”

Durch massive bauliche Vernachlässigung bereits stark geschädigt, wurde dem Beschluss des Stadtrates zur Sicherung dieses wertvollen Gebäudes folgend, bereits vor 10 Jahren eine umfassende statische Sicherung der Fassaden und die Abstützung der durch Fäulnis geschädigten Holzbalkendecken durchgeführt.

“Trotzdem ließen die Eigentümer dieses Gebäude in verantwortungsloser Weise weiter verfallen”, kritisiert das Stadtforum. “Diese architektonisch und baukünstlerisch wertvolle Gebäudegruppe bildet nicht nur den Blockrand entlang der Eisenbahnstraße, sondern stellt auch einen wesentlichen Teil der Platzwand des neu entstandenen Stadtteilparks Rabet dar. Somit kommt diesen Gebäuden neben dem denkmalpflegerischen Wert auch eine herausragende städtebauliche Bedeutung zu. Diese Gebäudegruppe gehört zu den wertvollsten Gebäuden entlang der Eisenbahnstraße. Nach dem grundlosen Abbruch der drei Mittelhäuser des ebenfalls spiegelbildlich errichteten Ensembles aus fünf Gebäuden, Nummer 66-74, auf der anderen Straßenseite im Rahmen des Stadtumbaus Ost, sind diese Gebäude die letzten baulichen Zeugen dieser Gebäudetypologie im Leipziger Osten.”

Das Stadtforum Leipzig schlägt vor, analog dem Vorgehen wie bei dem Eckhaus Harkortstraße 6 (am Reichsgerichtsgebäude) zu verfahren. “Dieses von den Architekten Jacoby und Ludwig & Hülßner 1885 errichtete Gebäude, welches ebenfalls im Inneren völlig zusammengebrochen war und unter Leitung von Architekt Riedel in mustergültiger Weise baulich so wieder hergestellt wurde, dass es mittlerweile durch einen Bauträger wunderbar saniert werden konnte. Die Parallele zur Eisenbahnstraße 43 ergibt sich ferner, weil der bekannte Architekt Jacoby am Bau dieses Hauses ebenfalls beteiligt war und auch in diesem Gebäudekomplex wohnte.”

Die LVB müssen damit bis einschließlich 11. Juni den kurzfristig eingerichteten Notfall-Plan mit den folgenden Ad-hoc-Maßnahmen aufrecht erhalten: Linie 3 verkehrt weiterhin ab Torgauer Platz über die eingleisige Strecke im Baubereich Wurzner Straße, dann über die Dresdner Straße und die Kohlgartenstraße in Richtung Innenstadt.

Linie 1 fährt ab Goerdelerring über die Hauptbahnhof-Westseite in Richtung Berliner Straße, Volbedingstraße bis zum Stannebeinplatz bzw. Mockau, Post.

Linie 8 kann nur verkürzt bis zum Hauptbahnhof fahren. Es kann auf den genannten Linien weiterhin zu erheblichen Verspätungen kommen.

www.stadtforum-leipzig.de

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