Neues Jahr, alter Zoff. Der Ärger um den Floßgraben geht weiter. Er ist das Nadelöhr, auf dem man zu Wasser vom Gewässerknoten Leipzig zum Cospudener See kommt. Noch sind die Nachwehen des Sommers 2014 nicht ausgestanden, da machen die Leipziger Behörden an dem sensiblen Gewässer weiter, als läge es nicht in einem Schutzgebiet. Diesmal werden die Unterwasserpflanzen gemäht. Und der Ökolöwe ist sauer.

“Im Floßgraben beginnen wieder umfangreiche Wasserpflanzenentnahmen und Mäharbeiten”, stellt der Umweltverbund fest, der nun Jahr um Jahr wie gegen Windmühlen kämpft, um den Floßgraben als Kleinod im südlichen Auenwald zu bewahren.

Hier prallen die Interessen aufeinander. Gerade weil es die einzige Gewässerverbindung zum Cospudener See ist, gerade im Sommer sehr beliebt bei Paddlern. Doch hier hat auch der Eisvogel ein neues Brutrevier gefunden, nachdem der Floßgraben vor neun Jahren gründlich entschlammt und erst einmal wieder befahrbar gemacht worden war. Aus Perspektive des Gewässerverbunds Leipzig also erst dadurch wieder zu einem lebendigen Gewässer gemacht, auf dem man eigentlich nur in der Brutzeit des Eisvogels den Betrieb einschränken muss. In den Vorjahren jedes Mal mit einer Allgemeinverfügung bewerkstelligt, die nachweislich in beiden Jahren von etlichen Akteuren unterlaufen wurde. Ergebnis war 2014 ein geradezu beschämend geringer Bruterfolg des Eisvogels, der eben auch in der Zeit, in der er auf Nahrungsfang für seinen Nachwuchs war, massiv zu Wasser und zu Lande gestört wurde.

Doch dass auch Motorbootsverkehr im Floßgraben erlaubt wird und 2015 sogar noch ausgeweitet werden soll, das versteht man beim Ökolöwen überhaupt nicht. Und für nichts anderes sind die “Mäharbeiten” im Floßgraben ja aus seiner Sicht notwendig.

“Da Paddler und Kanuten mit der schönen und eindrucksvollen Wasserpflanzenwelt keine Probleme haben, kann die Entkrautung einmal mehr als Maßnahme zur Förderung des Motorbootsverkehrs in dem beliebten und sensiblen Auwaldgewässer gewertet werden. Gründe dafür sind in den Plänen des Amtes für Stadtgrün und Gewässer Leipzig und verschiedener Tourismusfördervereinigungen zu finden. Nach ihrem Willen sollen zukünftig auf dem Gewässer bis zu hundert Fahrten mit dem Leipzig-Boot und baugleichen Motorschiffen möglich werden. Diese Maßnahmen dienen leider einzig der intensiven Vermarktung des Auwaldes und der südlichen Seenlandschaft”, kritisiert der Ökolöwe diese Fixierung der Verwaltungsakteure auf die motorisierte Beschiffung des Floßgrabens.

Grundlage für die seit Jahren angestrebte, intensive touristische Entwicklung von Leipzigs Seen und Flüssen ist das sogenannte Wassertouristische Nutzungskonzept für die Region Leipzig (WTNK) aus dem Jahr 2006.

Das Problem aber ist nach wie vor: Dieses nie offiziell genehmigte Papier, das weder der aktuellen Rechtslage noch den Anforderungen des hoch sensiblen Lebensraums im Floßgraben und den angrenzenden Auwaldbereichen gerecht wird, dient weiterhin als Planungsgrundlage. Es rechtfertigt neben dem im Dezember 2014 gestarteten und bald darauf durch den Ökolöwen gestoppten Pleißeausbau unter anderem auch die neuen Wasserpflanzen-Mähaktionen im Floßgraben, kritisiert der Ökolöwe. Er findet diese Planungskultur kurios und kritisiert die Sinnlosigkeit der Maßnahmen im Floßgraben.

„Nach der Einstufung der Naturschutzbehörden und der anerkannten Naturschutzvereinigungen kann und soll es auf dem Floßgraben keine allgemeine Schiffbarkeit und damit keine Motorboote geben. Somit ist die Mahd der Wasserpflanzen grundsätzlich sinnlos“, kommentiert das Kristina Dietrich, Projektleiterin Umweltpolitik & Naturschutz beim Ökolöwen.

Auch aus artenschutzrechtlichen Gründen wurde die Mäh-Maßnahme bereits als schädlich bewertet.

„Die Stadt Leipzig hatte 2012 extra ein limnologisches Gutachten in Auftrag gegeben. In diesem Gutachten werden die Mäharbeiten im Floßgraben und auch jegliche Befahrungen mit Motorbooten als schlecht für den Artenschutz und die Biodiversität im Gewässer eingestuft“, erinnert Dietrich.

Leipzig ignoriert also die eigenen Fachgutachten und schafft damit selbst erst die Grauzone, in der sich dann Sommer für Sommer auch allerlei Leute tummeln, denen der Schutz des Gewässers und seiner Flora und Fauna einfach egal ist.

Betroffen von der Wasserpflanzen-Mahd und den Gewässerausräumarbeiten sind neben den Larven der Grünen Keiljungfer und der blaugeflügelten Prachtlibelle auch streng geschützte Fischarten wie der Bitterling. Eng wird es ganz aktuell auch für den Hecht (Rote Liste Art), stellt der Ökolöwe fest, dessen Laich mit der Pflanzenentnahme vermindert werden kann.

Kristina Dietrich: „Im Floßgraben entwickelt sich gerade eine artenreiche und streng geschützte Unterwasser-Vegetation. Es ist schade, dass diese positive Entwicklung des Lebensraums Floßgraben nun per Ausmähen und Entkrauten unterdrückt werden soll, damit Schiffsschrauben künftig frei drehen können.“

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