Der Eisvogel ist ein besonderer Vogel. Nicht unbedingt, weil er so ein schönes schillerndes Federkleid hat, sondern weil er zu den besonders geschützten Tierarten in Leipziger Auwald gehört. An seiner Anwesenheit ist letztlich ablesbar, ob ein streng geschütztes Biotop wie der Floßgraben tatsächlich geschützt ist. Weshalb es seit genau zehn Jahren jedes Jahr ein Eisvogelmonitoring für den Floßgraben gibt. Aber 2021 hat ja bekanntlich ein harter Winter die Population dezimiert.

Das ist ganz natürlich, stellt der Biologe Jens Kipping fest, der mit dem jährlichen Eisvogelmonitoring von der Stadt Leipzig beauftragt wurde. Dafür macht er sich jedes Jahr ab März auf die Socken, um nach dem Eisvogel und seinen Bruthöhlen im Floßgraben Ausschau zu halten. Und dabei auch ein Auge auf die durch Menschen verursachten Störungen zu haben. Denn wenn diese Störungen überhandnehmen, muss die Stadt reagieren. Und hat sie in der Vergangenheit auch reagiert.

Zwei Bruten im Floßgraben

Die jährlich erneuerte Allgemeinverfügung setzt der Nutzung des Floßgrabens Grenzen. Muskelbetriebene Boote dürfen nur in bestimmten Zeitfenstern durch den Floßgraben fahren. Für motorbetriebene Boote ist die Durchfahrt grundsätzlich untersagt. Und das scheint auch zu funktionieren. Der Eisvogel kann so auf die Störungen reagieren und die Pausen nutzen, um seine Brut zu füttern.

Nur 2021 gab es ein gelindes Erschrecken: Die Leipziger Eisvogelpopulation war zusammengebrochen. Grund dafür war der starke Frosteinbruch zu Anfang des Jahres, der auch die Gewässer im Auwald zufrieren ließ.

2022, so Kipping, hat sich die Population davon noch nicht wieder erholt.

Auch im Jahr 2022 konnte er nur ein Brutrevier des Eisvogels am Floßgraben feststellen.

„Der durch den Kälteeinbruch Mitte Februar 2021 verursachte Bestandsrückgang der Eisvögel im gesamten Stadtgebiet wirkte sich auch noch bis ins Jahr 2022 aus“, erklärt Jens Kipping vom beauftragten Büro BioCart. „An einigen Stellen im Stadtgebiet wurden jedoch manche der im Vorjahr
verwaisten Nistplätze wieder besiedelt, sodass insgesamt von einer leichten Bestandserholung auszugehen ist.“

Wobei es ein Gesamtmonitoring für das ganze Stadtgebiet in diesem Jahr nicht gab. Die Einschätzung beruht nur auf den Beobachtungen anderer Vogelfreunde. Aber der Bruterfolg im Floßgraben deutet ebenfalls darauf hin, dass sich die Leipziger Eisvogelwelt wieder erholen wird.

Die Allgemeinverfügung wirkt

Von Anfang März bis Mitte August 2022 hat Kipping im Rahmen des seit 2013 jährlich durchgeführten Monitorings insgesamt 40 Begehungen am Floßgraben gemacht, 115 Stunden im südlichen Auwald zugebracht und beobachtet – mal vom Ufer, mal vom Paddelboot aus. An einem der traditionellen Stammplätze im Floßgraben in der Nähe des Klärwerks Markkleeberg brütete das von ihm beobachtete Brutpaar tatsächlich zweimal hintereinander erfolgreich in benachbarten Steilwänden. Die Anzahl
der Jungvögel lag dafür ein wenig über dem normalen Brutergebnis des Eisvogels (Alcedo atthis). Denn das liegt bei bis zu fünf Jungvögeln. Kipping konnte aber jeweils acht und sieben Jungvögel beobachten. Im August waren dann alle Eisvögel ausgeflogen. Es gab diesmal keine dritte Brut. Das Monitoring konnte abgebrochen werden.

Das Monitoring bestätigte ebenfalls, so Kipping, dass die Eisvögel auf Störungen grundsätzlich
empfindlich reagierten, sich jedoch mit fortschreitender Brutsaison mit dem Bootsverkehr arrangiert hatten.

Umweltbürgermeister Heiko Rosenthal kommentiert die Beobachtungsergebnisse mit den Worten: „Die
Monitoring-Ergebnisse aus dem Jahr 2022 verdeutlichen erneut, dass eine zeitliche Regulierung des Bootsverkehrs im Floßgraben notwendig ist. Die Allgemeinverfügung bewirkt, dass diese besonders schützenswerte Art die erforderlichen störungsfreien Ruhezeiten erhält, um die Jungvögel aufziehen
zu können.“

Wie in den Vorjahren konnten dank der Regelung aus der Allgemeinverfügung für den Floßgraben keine signifikanten Beeinträchtigungen des Jagd- und Fütterungsverhaltens der Eisvögel oder Brutaufgaben durch Störungen festgestellt werden, so Kipping. Wobei hinzu kam, dass der sehr kühle April gerade in der Brutsaison auch für deutlich weniger Paddelbetrieb im Floßgraben sorgte. Dabei war es auch an zwei Wochenenden so kühl und nass, dass sogar die geplanten Großkontrollen abgesagt wurde.

Drei Großkontrollen am Floßgraben

Fünf solcher Großkontrollen hatte die Stadt geplant, so Dr. Barbara Jirausch, Leiterin der Abteilung Abfall-, Bodenschutz- und Naturschutzrecht im Amt für Umweltschutz.

Drei gemeinsame Großkontrollen durch das Ordnungsamt, die Wasserschutzpolizei und die Branddirektion fanden auch statt und führten zur Ahndung von Verstößen gegen die Allgemeinverfügung. Dabei wurden insgesamt 20 Verstöße festgestellt und mit einem Verwarngeld geahndet. Das waren deutlich weniger festgestellte Verstöße als im Vorjahr, als 56 Verstöße festgestellt wurden. Aber diese Zahl hänge nun einmal eng mit der Anzahl der Großkontrollen zusammen, so Jirausch.

Auch Kipping beobachtete 2022 weniger Verstöße im Umfeld des Floßgrabens. Was aus seiner Sicht damit zusammenhing, dass die strengen Corona-Auflagen der Jahre 2020 und 2021 aufgehoben waren, weniger Menschen sich also im Auwald aufhielten. Auch wenn es nach wie vor Leute gibt, die den Trampelpfad am Floßgraben nutzen. Zum Glück, so Kipping, ohne den Eisvogel dabei zu stören oder gar zu vertreiben.

Für ihn ist die geringe Zahl der Bruten kein Alarmsignal, sondern gehöre zum gewöhnlichen Lebenszyklus des Eisvogels, dessen Population unter harten und frostigen Wintern durchaus einmal stark zurückgehe, um dann in den nächsten Jahren wieder langsam zuzunehmen.

Auch wenn es nicht zum Monitoring gehört, konnte er auch wieder eine Brut an der nahen Pleiße bestätigen.

Aus Sicht der Stadt bestätigt das Monitoring die geltende Allgemeinverfügung. Man müsse sie also nicht weiter anpassen, so Heiko Rosenthal. Sie biete genug Spielraum für den Eisvogel im Floßgraben, sich auf die regelmäßigen Durchfahrten der Paddler einzustellen.

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