Im Sommer 2020 war es an einigen Stellen besonders schlimm anzusehen: Rücksichtslos zerschnitten wild angelegte Mountainbikestrecken den Auenwald an mehreren Stellen. Auch so drückt sich der Egoismus einer Gesellschaft aus, die den eigenen Spaß über die gefährdeten gemeinsamen Güter stellt. Am 10. September berichteten wir über den Antrag der Grünen-Fraktion an die Verwaltung, hier endlich eine Regelung zu finden.

Was nicht einfach werden wird, teilt jetzt das Dezernat Umwelt, Klima, Ordnung und Sport in seiner Stellungnahme zum Grünen-Antrag mit: „Das Problem besteht darin, dass die in der Stadt Leipzig vorhandene bzw. verantwortliche Mountainbikeszene nur aus Privatpersonen und/oder aus nicht vereinsgebundenen Gruppierungen besteht. Es existieren in der Regel weder Vereine noch feste Organisationsstrukturen. Somit ist es nicht die Regel, geeignete Ansprechpartner zu finden, die Gespräche und Verhandlungen führen und vor allem Verantwortung übernehmen.“

Also alles kleine Egoisten, denen die Rücksicht auf Allgemeinheit und schützenswerte Güter egal ist?

Auf den ersten Blick ja, wie das Umweltdezernat feststellt: „Nach Rücksprache mit dem lokalen Fachverband Stadt- und Kreisfachverband Radsport hat dieser keine Mitgliedsvereine mit der Ausrichtung ,Mountainbiking‘. Wie oben ausgeführt, müsste also in einem ersten Schritt die verantwortliche Mountainbikeszene von bisher losen Privatpersonen bzw. Interessensgruppen ermittelt werden, um dann mit Vertretern der Stadt Leipzig entsprechende Gespräche zu führen.“

Nur eine einzige Ausnahme gäbe es: Die im Liegenschaftsbestand des Amts für Sport gemeldete legale Dirtbike-Sportanlage des ride-le e. V. in Lützschena-Stahmeln (Hallesche Straße 56–58). „Dort haben Interessenten vor 15 Jahren einen Verein gegründet und mit einem Pachtvertrag Verantwortung für die Umgestaltung einer eingefriedeten ehemaligen Schießsportanlage übernommen. Es ist die einzige legale Möglichkeit für den Dirtbike-/Downhill-Sport in Leipzig geworden. Über eine weitere umbaufähige Fachliegenschaft verfügt das Dezernat Umwelt, Klima, Ordnung und Sport nicht.“

Was dann freilich genau das Problem benennt, das die Grünen angesprochen haben: Gäbe es legale Anlagen, könnte man die Mountainbiker vielleicht aus dem Auenwald heraushalten.

Nur: Wo könnten solche Anlagen entstehen?

„Im Sinne des Waldgesetzes für den Freistaat Sachsen wird ein stärkeres Vorgehen gegen illegal angelegte Strecken begrüßt. Der Vorschlag, bei illegal angelegten Strecken im NSG und LSG – insbesondere in empfindlichen Bereichen – stärker vorzugehen und solche möglichst schnell zurückzubauen, ist plausibel und entspricht der Rechtslage. Im NSG Elster-Pleiße-Auwald werden durch die untere Naturschutzbehörde noch in diesem Jahr weitere Maßnahmen gegen illegale Trampelpfade ergriffen (z. B. Ausbau der Beschilderung)“, betont das Umweltdezernat.

Aber gerade gegen die Mountainbikestrecke in der Nähe des Wolfswinkels will es nicht (mehr) vorgehen: „Die Mountainbikestrecke im Wolfswinkel liegt zwar innerhalb des Natura 2000-Gebietes ,Leipziger Auensystem‘, besteht jedoch seit vielen Jahren und kann als etabliert betrachtet werden. Sie befindet sich auf einem ohnehin stark anthropogen überformten Standort.

Zwischen Stadtforsten und unterer Naturschutzbehörde gab es zu dieser Strecke bereits mehrere Abstimmungen, zuletzt im Jahr 2018. Im Ergebnis wurde ein Rückbau der Strecke als nicht sinnvoll erachtet. Zwar war ein gewisser Schaden zu konstatieren. Dieser konnte jedoch als noch ,überschaubar‘ eingestuft werden, insbesondere im Verhältnis zu einer bei einem Rückbau zu erwartenden Neuanlage in der Nähe, womöglich dann in einem empfindlicheren und bislang unbeeinträchtigten Gebiet.“

Aber es gibt ja schon eine solche Strecke in der Nähe – genau da, wo sie schlichtweg nicht sein dürfte: „Problematisch ist die illegale Mountainbikestrecke entlang des Floßgrabens (Natura 2000-Gebiet). In Zusammenarbeit mit Stadtforsten versucht die untere Naturschutzbehörde seit Jahren, diese – auch aufgrund der Allgemeinverfügung zum Schutz des Eisvogels im Floßgraben – unpassierbar zu machen und mit Verbotsschildern zu kennzeichnen. (Temporäre) Erfolge konnten immer wieder verzeichnet, eine vollständige Unterbindung der Strecke bislang aber nicht erreicht werden.“

Aber fehlt da nicht noch etwas? Stimmt. Die Grünen hatten beantragt: „Die Stadt soll daher zusammen mit Vertretern von Radsportclubs und Nutzern prüfen, wo Strecken, die die Entwicklung der Flora und Fauna weniger stark als im Naturschutzgebiet tangieren, angelegt und genutzt werden können, um einen Ausgleich zu schaffen.“

Denn was nutzt die Ansprache der Mountainbiker, wenn man ihnen kein anderes Gelände anbieten kann, wo sie durchs Gelände fahren können? Worüber soll da verhandelt werden, wo man doch um die Sturheit des modernen Egoismus weiß, der davon ausgeht, dass es auch Mountainbikestrecken geben muss, wenn man sich schon eines teures Bike gekauft hat (oder von Eltern hat schenken lassen, denen die Nutzbarkeit des Geschenks auch erst einmal schnuppe war.)?

Erst dann macht ja der zweite Teil der Forderung Sinn: „Im Gegenzug soll die Stadt stärker gegen illegal angelegte Wege im Naturschutz- und Landschaftsschutzgebiet ,Leipziger Auwald‘ vorgehen.“

Grüne beantragen Gespräche zur Schaffung legaler Mountainbikestrecken im Auenwald

Grüne beantragen Gespräche zur Schaffung legaler Mountainbikestrecken im Auenwald

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Keine Kommentare bisher

Was ist eigentlich mit der Mountainbike-Strecke auf der Halde Großzschocher?
Die hat für Leipziger Verhältnisse wenigstens das Wort “Mountain” verdient.

Liegt die auch im Naturschutzgebiet?

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