Der Sächsische Landeshaushalt ist noch lange nicht beschlossen, aber schon jetzt zeichnet sich ab, dass wichtige Initiativen in den Bereichen Kultur, Demokratie und Naturschutz massive Kürzungen hinnehmen müssen. Die geplanten Kürzungen im Haushaltsentwurf 2025/2026 des Freistaates Sachsen gefährden die Arbeit der anerkannten Naturschutzverbände, warnt der NABU Sachsen. In einem offenen Brief appellieren die acht sächsischen Naturschutzverbände eindringlich an die Landesregierung.
Gleichzeitig mit den Kürzungen oder der Streichung von Förderungen für Naturschutzprojekte wollen CDU und SPD in Sachsen auch 20 % der Unterstützungsgelder für die Wahrnehmung gesetzlicher Beteiligungsrechte streichen. Dies schwäche nicht nur den Naturschutz erheblich, sondern gefährde auch eine wichtige demokratische Kontrollfunktion, warnt der NABU.
Denn oft haben Bürger und Kommunen keine Klagerechte, wenn Bauprojekte wichtige Naturschutzgüter gefährden – man denke nur an die Ausbaupläne zu Flughafen Leipzig/Halle. Naturschutzverbände haben diese Klagerechte, brauchen aber in der Regel finanzielle Hilfe, um den teuren Klageweg überhaupt fachlich fundiert beschreiten zu können.
Die Folgen des Klimawandels und der Naturzerstörung belasten zunehmend die Bürgerinnen und Bürger. Die Naturschutzverbände setzen sich stellvertretend für die Einhaltung der Gesetze zum Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen ein und verteidigen diese notfalls vor Gericht, betont der NABU Sachsen. Wer diese gesetzliche Beteiligung einschränkt, riskiert Schäden für Natur und Mensch.
In ihrem Brief an Ministerpräsident Michael Kretschmer und Umweltminister Georg-Ludwig von Breitenbuch fordern die acht Landesverbände, die letztjährigen Unterstützungsgelder mindestens beizubehalten, um die gesetzlich vorgesehene Beteiligung der Naturschutzverbände im Auftrag der Zivilgesellschaft zu sichern.
Der Offene Brief
Offener Brief im Auftrag der anerkannten Naturschutzvereinigungen zur Kürzung der Unterstützungsgelder gemäß § 35 (5) des sächsischen Naturschutzgesetzes
Sehr geehrter Herr Ministerpräsident Kretschmer,
Sehr geehrter Herr Staatsminister von Breitenbuch,
wir, die anerkannten Naturschutzvereinigungen, werden jährlich bei deutlich mehr als 500 Vorhaben um eine Stellungnahme angefragt. Unsere Expertise basiert auf jahrzehntelanger Erfahrung und ermöglicht es uns, fundierte Einschätzungen zu einer Vielzahl umweltrelevanter Themen abzugeben – von Gesetzesentwürfen und Schutzgebietsänderungen über Bau- und Infrastrukturvorhaben bis hin zum Rohstoffabbau, dem Ausbau erneuerbarer Energien und vielem mehr.
Zudem vertreten wir Naturschutzbelange in zahlreichen Gremien und Beiräten. Dieser Einsatz für Natur und Umwelt erfordert aber auch ein hohes Maß an Engagement und eine große fachliche Bandbreite.
Durch den uns jetzt vorliegenden Haushaltsentwurf der sächsischen Landesregierung für die Jahre 2025/2026 sehen wir diese Möglichkeit der zivilgesellschaftlichen Beteiligung nun gefährdet. Vor allem im Kontext der übrigen Streichungen und Reduzierungen für Naturschutzmittel stellt die angekündigte Kürzung eine existentielle Bedrohung unserer naturschutzfachlichen, – rechtlichen und ehrenamtlichen Arbeit dar.
Die finanzielle Unterstützung der anerkannten Naturschutzvereinigungen beruht auf § 35 (5) des sächsischen Naturschutzgesetzes zur Wahrnehmung der Beteiligungsrechte. Demnach ist das Land verpflichtet, nach Haushaltslage die anerkannten Naturschutzverbände bei der „Vorhaltung entsprechender personeller Ressourcen“ und bei der Führung des virtuellen Büros finanziell zu unterstützen.
Ohne diese Gelder sehen wir uns nicht mehr imstande, eine qualitativ hochwertige naturschutzfachlich belastbare Stellungnahmenarbeit zu gewährleisten. Aus unserem Verständnis heraus stellt unsere Mitwirkung ein notwendiges Instrument dar, sicherzustellen, dass Entscheidungen im Einklang mit bestehenden Umweltgesetzen getroffen werden.
Unsere naturschutzrechtliche Arbeit und das Einbringen unserer fachlichen Expertise dienen der langfristigen Sicherung unserer Lebensgrundlagen, fördern nachhaltige Entwicklung und ist ein zentrales Kontrollinstrument der Zivilgesellschaft.
Das „Vorhalten personeller Kapazitäten“ für diese Aufgaben kann nur im Rahmen gültiger Arbeitsverträge geschehen und stellt für gemeinnützige Vereine ein nicht unerhebliches Risiko dar. Die Kürzung schwächt sowohl den Naturschutz als auch die Interessen von Bürgerinnen und Bürgern erheblich.
Kürzung der Unterstützung seit Jahren
In der Vergangenheit wurden die Unterstützungsgelder immer wieder stark eingekürzt.
Wir weisen darauf hin, dass seit Einführung dieser Gelder in den 1990er Jahren der Tarif des öffentlichen Dienstes enorm gestiegen ist, der Mindestlohn eingeführt und stetig gesteigert wird und die allgemeinen Teuerungen (Energie, etc.) voranschreiten. Dennoch wurde mit der jüngsten Erhöhung durch das „grüne“ Umweltministerium nur in etwa der Stand zu Beginn der 2000er Jahre erreicht (nicht inflationsbereinigt).
Damit ist der Aufwand für die Aufgaben gemäß § 35 (5), die hier unterstützt werden sollen, keineswegs gedeckt. Während der Verwaltungsaufwand stetig steigt, hat sich die finanzielle Unterstützung gegenüber der Jahrtausendwende real halbiert. De facto haben die Naturschutzverbände also eine andauernde Kürzung der Unterstützungsgelder hinnehmen müssen, die im vergangenen Jahr erstmals versucht wurde, anzugleichen.
Wir erkennen natürlich die derzeitige Haushaltssituation und die Notwendigkeit von Anpassungen. Aber eine Kürzung um 20 % ist für uns nicht nachvollziehbar, zumal zeitgleich die Richtlinie NE, die BesIn-Gelder und andere relevante Förderungen im Bereich des Naturschutzes gekürzt oder gar ausgesetzt werden. Diese Kürzungen sind in der derzeitigen gesellschaftlichen und politischen Lage ein fatales Signal und führen dazu, dass unsere langjährigen Anstrengungen zur nachhaltigen Sicherung der biologischen Vielfalt zerstört werden.
Sie schwächen das zivilgesellschaftliche Ehrenamt und nehmen ihm ein wichtiges Sprachrohr: Beteiligung der (umweltbezogenen) Zivilgesellschaft ist eine wesentliche Säule der Demokratie, die stärker in den Vordergrund der Politik gerückt und stärker finanziell unterstützt werden muss. Wir erleben jedoch, dass stattdessen Engagierte immer häufiger frustriert sind über eine kaum wertgeschätzte und immer häufiger als nicht gleichberechtigt empfundene Teilhabe.
Einschränkung der zivilgesellschaftlichen Mitbestimmung
Auch vor dem Hintergrund der derzeit sogar auf Bundesebene laut diskutierten Einschränkung der verbandlichen Klagerechte ist eine Kürzung der für die verbandliche naturschutzrechtliche Arbeit derart essenzielle finanzielle Unterstützung das falsche Zeichen.
Man könnte den Eindruck gewinnen, mit einer Kürzung der finanziellen Mittel wäre auch die verbandliche Beteiligung zu verhindern, die nicht nur nach sächsischer Gesetzgebung vorgesehen ist, sondern auch im Bundesnaturschutzgesetz und letztlich der Aarhus-Konvention verankert ist.
Daher möchten wir an dieser Stelle nochmals betonen, dass die Arbeit der anerkannten Naturschutzverbände die wirtschaftliche Entwicklung Sachsens nicht verhindert, sondern sie bereichert und um den naturschutzfachlichen Wert steigert. Mit der finanziellen Unterstützung stellt der Freistaat Sachsen sicher, dass Entscheidungen im Einklang mit bestehenden Umweltgesetzen getroffen werden.
Wenn diese Arbeit aufgrund zu hoher finanzieller Belastungen nicht oder kaum mehr möglich ist, verliert nicht nur die Natur, sondern auch die Zivilgesellschaft Sprachrohr und Fürsprecher.
Wir fordern daher mindestens die vollständige Beibehaltung der letztjährigen Unterstützungsgelder, um die gesetzlich vorgesehene Beteiligung der Naturschutzverbände im Auftrag der Zivilgesellschaft sicherzustellen.
Für ein gemeinsames Gespräch sind wir jederzeit bereit.
Mit freundlichen Grüßen
die anerkannten Naturschutzverbände
NABU Landesverband Sachsen e. V., Maria Vlaic, Landesvorsitzende
BUND Landesverband Sachsen e. V., Helen Garber, Geschäftsführerin
Grüne Liga Sachsen e. V., Tobias Mehnert, Vorsitzender
Landesjagdverband Sachsen e. V., Mathias Rehm, Obmann für Naturschutz
Landesverband Sächsischer Angler e. V., Jens Felix, Geschäftsführer
Landesverein Sächsischer Heimatschutz e. V., Thomas Westphalen, Vorsitzender
Naturschutzverband Sachsen e. V. (NaSa), Tobias Mehnert, Vorsitzender
Schutzgemeinschaft Deutscher Wald Landesverband Sachsen e. V., Friedrich Findeisen, Geschäftsführer
Empfohlen auf LZ
So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:


















Keine Kommentare bisher