Man gebe Verwaltungsmenschen ein paar Millionen Euro in die Hand, und sie werden zu Weihnachtsmännern. Wo der Bürger noch Sorgen äußert, mit seinen Steuergeldern könnte nicht sorgsam umgegangen werden, beginnen Leipziger Bürgermeister erst aufzublühen. Und wenn einer in Leipzig noch immer vom Kanalbau bis zur Saale träumt, dann ist es Umweltbürgermeister Heiko Rosenthal.

2012, als der Anstich für das Verbindungsstück zwischen Lindenauer Hafen und Karl-Heine-Kanal vorbereitet wurde, hielt Rosenthal frohgelaunt das Schild “Elster-Saale-Kanal” in die Kameras. Mittlerweile hat er sich vom Stadtrat auch die Genehmigung geholt, eine Potenzialanalyse für das 100 Millionen Euro teure Projekt machen zu dürfen. Geld, das die Stadt nicht hat, die beiden beteiligten Bundesländer haben schon längst abgewinkt und der Bund wird hier keine Wasserstraße ausbauen, die per definitionem keine ist.

Aber die Stadt hat auch schon angekündigt, in die Vorbereitungen für die Marina zu gehen, die den Lindenauer Hafen auch für Motorboote attraktiv machen soll. 400.000 Euro fließen in die Entschlammung des Hafenbeckens, damit die Marina (für geschätzte 2,7 Millionen Euro) gebaut werden kann. Ein teurer Baustein kommt zum nächsten, obwohl jetzt schon klar ist, dass niemand mit Motorboot vom Lindenauer Hafen in die Seen im Leipziger Südraum fahren darf. Es wird keine Schiffbarkeitserklärung für Elster, Pleiße und Floßgraben geben.

Und das jetzt fertig gestellte Kanalstück hat auch nicht nur (wie von der Stadt am Donnerstag gemeldet) 9,997 Millionen Euro gekostet, sondern 19 Millionen Euro mit allem Drum und dran – vom Brückenbau über die Bepflanzung bis zur Leitungsverlegung.

Aber Verwaltungen trennen sich ungern von alten Projekten. Die Pläne, den Karl-Heine-Kanal bis zum Lindenauer Hafen durchzubauen, sind seit 1998 wieder Verwaltungspolitik. Und dann wurden – im Zusammenhang mit der größenwahnsinnigen Olympiabewerbung – auch die Blaupausen gezeichnet: “Im Zuge der Bewerbung Leipzigs für die Olympischen Spiele 2012 und der damit verbundenen Idee das olympische Dorf im Lindenauer Hafen anzusiedeln, wurde die Struktur deutlich verändert: Ursprünglich an einem natürlichem Flusslauf orientiert, bekam der Kanal nun eine stark städtebaulich geprägte Ausformung. Trotz Olympia-Aus blieben die Pläne für die Anbindung bestehen”, betont die in diesem Fall überaus emsige Verwaltung.

Und während die Leipziger noch auf das schöne neue Kanalstück schauen, schaut der Umweltbürgermeister schon mit großen Augen ins weite Land. Nach Westen. Denn zwischenzeitlich hat er sich ja auch noch ein großes “Tourismuswirtschaftliche Gesamtkonzept” erstellen lassen, in dem dann auch der Bau des Elster-Saale-Kanals als “Leuchtturmprojekt” verankert ist.

Paradies für Wasserpflanzen: der kleine Wurmfortsatz des neuen Kanalstück mit Blick zur Luisenbrücke. Foto: Marko Hofmann
Paradies für Wasserpflanzen: der kleine Wurmfortsatz des neuen Kanalstück mit Blick zur Luisenbrücke. Foto: Marko Hofmann

Und dass er gar nicht daran denkt, diese Millionenvisionen für einen Motorboot-Tourismus zu stoppen, machte er am Donnerstag, 2. Juli, zur Kanalstückeröffnung auch wieder deutlich: „Das aktuell der Öffentlichkeit übergebene Tourismuswirtschaftliche Gesamtkonzept für die mitteldeutsche Seenlandschaft bestätigt klar, wie notwendig die nun geschaffene Anbindung des Karl-Heine-Kanals an den Lindenauer Hafen ist.“

Ab 14 Uhr wurde am neuen Kanalufer gefeiert, wurden mit den üblichen VIPs um 15 Uhr auch drei Jahre Bauzeit beendet. Am 12. September 2012 war der erste Spatenstich für die 665 Meter lange Anbindung erfolgt. Im Januar 2015 startete die Flutung der Kanalrinne mit Wasser aus dem Karl-Heine-Kanal und zuströmenden Grundwasser. Nun sind auch die Pflanz- und Oberflächenarbeiten fast abgeschlossen.

Und welchen Sinn macht das Projekt?

„Dank der Verbindung des Lindenauer Hafens mit Leipzigs Gewässer-Landschaft sowie dem Leipziger Neuseenland mit seiner wassertouristischen Infrastruktur ist der ,Hafen ohne Wasseranschluss’ endlich Geschichte“, jubelte Heiko Rosenthal. „Für jedermann sichtbar, hat die Umsetzung eines attraktiven Wohnquartiers ,Lindenauer Hafen’ nun eine hervorragende Basis. Parallel zur Gewässer-Verbindung sind die Voraussetzungen zum Bau von etwa 400 Wohnungen, überwiegend im Geschosswohnungsbau, sowie zur Ansiedlung von Gastronomie und Gewerbe geschaffen worden.“

Da wird die Sache zmindest sinnvoller, auch wenn sich die Verwirklichung dieses Wohnquartiers am Lindenauer Hafen länger hinziehen wird, als ursprünglich geplant. Aber in Wirklichkeit macht diese Investition nur Sinn, wenn man sie in einem wohnungspolitischen und stadtgestalterischen Kontext sieht: Der neue Kanal wertet die angrenzenden Wohnquartiere auf. Ein Aspekt, den zumindest der langgediente Stadtrat der Linken, Siegfried Schlegel am Donnerstag etwas deutlicher benannte: “Mit der Fertigstellung des letzten Teilstücks der Kanalverbindung des Karl-Heine-Kanals bis an das Hafenbecken ist endgültig die Voraussetzung geschaffen, dass die Stadtteile Grünau und Lindenau zusammenwachsen. Auch wenn die Bauflächen auf der Ostseite des Lindenauer Hafens schon gestaltet sind, so wurde das Vorhaben nicht nur für die künftigen Bewohner dieses Quartiers gebaut, sondern für alle Leipziger und deren Gäste. Siegfried Schlegel, Sprecher für Stadtentwicklung teilt nicht die Behauptung einzelner, dass dort niemand bauen möchte. So ist das ehemalige Kasernengebiet Schönau verstärkt nachgefragt, wie Verkaufsbeschlüsse des Grundstücksverkehrsausschusses in der letzten Zeit beweisen.”

Und wenn die Stadt selbst ein wenig vorausschauender gewesen wäre, hätte sie hier auch Flächen für Schulen, Kitas, sozialen Wohnungsbau gesichert. Das, was man zur Gründung eines neuen Stadtquartiers braucht. Aber noch immer denkt man in den alten Kategorien des Wohnungs(park)baus und wundert sich, dass die Sache so schwerfällig losgeht.

Und da schon mal das Wort Steuergelder fiel: 7,7 Millionen Euro hofft man aus def Verwertung der Baugrundstücke am Lindenauer Hafen zu erzielen und damit einen Teil der Kanalkosten zu refinanzieren.

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Man gebe Verwaltungsmenschen ein paar Millionen Euro in die Hand, und sie werden zu Weihnachtsmännern.

Ein Satz der mir gefällt, aber zu allgemein ist. Zum Weihnachtsmann kann in Verwaltungen nur der werden, der an Stellen/auf Posten agiert, wo Entscheidungen getroffen bzw. eingeleitet werden können. Herr Julke hat das sicher auch so gemeint.

Handelt es sich hier wirklich eine Verschwendung von Steuergeldern, die der Bürgermeister der Linken, Herr Rosenthal, demnach wesentlich mit zu verantworten hätte? Nach meiner Ansicht nein, da kein Mensch diese langfristige Entwicklung vorhersehen kann.

Auf Meinungen dazu wäre ich gespannt.

Eine Aufnahme in das angeblich so gefürchtete Schwarzbuch des Bundes der Steuerzahler (eventuell bald zu dieser Volksverdummung einige ausführlichere Darlegungen in der L-IZ von mir) wird diese Investition nicht finden.

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