Der Frühling ist eingezogen, das Wetter verlockt zu allerlei sportlichen Aktivitäten, auch zum Bootfahren. - Und wie jedes Jahr um diese Zeit geht die Stadt Leipzig in die Öffentlichkeit, um zu verkünden, dass alles auf den Leipziger Gewässern gut sei, erst recht im Floßgraben. Bezug genommen wird dabei auf das Eisvogelmonitoring 2016, das höchst erfolgreiche Bruten dokumentiert.

Wie viele der ausgebrüteten Jungvögel tatsächlich überlebt haben, ist dabei völlig ungewiss.

Dass nach einer Beschwerde von NuKLA im Frühjahr 2016 bei der oberen Naturschutzbehörde (Landesdirektion) der Floßgraben nicht wieder gekrautet werden durfte, dürfte zum Eisvogelbruterfolg 2016 nicht unerheblich beigetragen haben. Zudem durften den Floßgraben 2016 erstmals fast während der gesamten Brutsaison keine Motorboote befahren, denen bis dahin alle Jahre wieder, trotz explizitem Befahrensverbot in der Allgemeinverfügung, auf Antrag eine Sondergenehmigung von der Stadtverwaltung erteilt wurde – und vermutlich wieder werden soll!

Motorboote sind besonders problematisch, weil deren Bootsschrauben im flachen Graben den Boden aufwirbeln und bis zu 30 Minuten das Wasser eintrüben. Damit wird dem Eisvogel in großen Zeitfenstern das ansonsten im mehrminütigen Takt notwendige Jagen und Füttern seiner winzigen Jungvögel unmöglich gemacht.

Der Floßgraben liegt im FFH- und Vogelschutzgebiet, teilweise im Naturschutzgebiet und ist entsprechend unter Schutz gestellt: Es gilt, das gesetzlich verankerte Verschlechterungsverbot wirksam umzusetzen. Stattdessen soll auch in diesem Jahr wieder ausgereizt werden, was nur irgend möglich ist. Bei einer nicht mal 50 %-Rate verhängter Ordnungsstrafen für die vermutlich anteilig eher geringe Zahl der erfassten Überschreitungen der Allgemeinverfügung in 2016, kann von Wirksamkeit kaum die Rede sein.

Und gleichzeitig wird das Wassertouristische Nutzungskonzept WTNK von den Akteuren wieder auf den Tisch der Öffentlichkeit gelegt, auf das sich immer weiter fröhlich bezogen wird, ohne dass für dieses Projekt jemals die gesetzlich vorgeschriebene Umweltverträglichkeitsprüfung durchgeführt wurde. Im WTNK werden zur Begründung für die beantragten (und z. B. für die Schleusen in Connewitz und am Waldbad Lauer erhaltenen) Fördermittel 300 Bootsbewegungen pro Kalendertag (sic!) als Zielgröße angegeben. Diese Zahl bezieht sich ausdrücklich auch auf den wichtigen Kurs 1, den Floßgraben, ohne den das ganze WNTK – selbst nach Einschätzung seiner gutachterlichen Befürworter – nicht funktionieren würde.

Diese geplante Übernutzung des Floßgrabens liegt zeitweise bereits jetzt vor: zu Himmelfahrt oder Pfingsten wurde die 300 auch schon mal weit überschritten, trotz verfügter Einschränkung der Befahrenszeiten.

Wie von Seiten der Leipziger Stadtverwaltung offiziell zugegeben, fahren seit dem Tag Blau die gewerblichen Boote nicht nur auf den Stadtgewässern sondern auch im Floßgraben ohne wasserrechtliche Gestattung, von der Stadt Leipzig „geduldet“. Damit verstößt die untere Wasserbehörde also wissentlich gegen das Gesetz. Die Landesdirektion geht davon aus, dass die Stadt Leipzig wie angekündigt alle erforderlichen Unterlagen zur naturschutzfachlichen Verträglichkeit des Befahrens der Leipziger Gewässer mit Booten kommerzieller Nutzung (es geht also nicht um die Nutzung mit privaten Paddelbooten!) vor Beginn der Saison (?) beibringen wird, um die entsprechenden wasserrechtliche Genehmigungen an die Bootsverleiher erteilen zu können.

Ein von der Landesdirektion in 2016 beauftragtes Gutachten zur Bootsdichte auf den Leipziger Gewässern kam zum augenscheinlich offensichtlichen Ergebnis, dass hier bereits jetzt die Grenze des Möglichen erreicht sei. Trotzdem werden den Bürgern und den Bootsverleihern weiterhin unbegrenzte Wachstumschancen im Bereich des sogenannten Wassertourismus, der eigentlich eine Leipziger Naherholung ist, suggeriert.

Im Positionspapier für die Nutzung des Floßgrabens haben NuKLA und andere namhafte Naturschutzverbände Leipzigs naturschutzfachlich begründet Vorschläge für eine naturverträgliche, den gesetzlichen Bestimmungen und den realen Gegebenheiten entsprechende Nutzung des Floßgrabens mit folgenden Bedingungen vorgelegt:

  1. Befahren grundsätzlich nur für den Gemeingebrauch, also nur für die Nutzung mit privaten Paddelbooten.
  2. Keinerlei Verleihboote, mit Ausnahme von geführten Touren, wobei der Tourleiter eine entsprechende naturschutzfachliche Befähigung nachweisen muss und die Anzahl der Tourteilnehmer begrenzt ist.
  3. Keinerlei Motorboote, auch keine Ausnahmegenehmigungen.
  4. Eine festgelegte Anzahl von Bootsbefahrungen des Floßgrabens während der Brutsaison.
  5. Es ist für eine 100%ige Kontrolle zu sorgen.

Nur so kann aus Sicht von NuKLA eine komplette Schließung des Floßgrabens verhindert werden.

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