„Der Nutzungsdruck auf den Leipziger Gewässern hat spürbar zugenommen“, stellte die Grünen-Fraktion in ihrer jüngsten Anfrage zu den zunehmenden Mengen an Booten auf Leipziger Gewässern fest. Denn obwohl es immer öfter Niedrigwasser gibt und Schleusen aufgrund fehlender Niederschläge außer Betrieb gehen müssen, genehmigt die Stadt Leipzig immer mehr gewerbliche Nutzungen auf den Leipziger Gewässern. Oder genauer: das Amt für Umweltschutz.

Das hat die Grünen-Anfrage jetzt beantwortet. Wenn auch eher technisch. Und es erstaunt schon, dass sich Leipzigs Ratsfraktionen diese eigentlich anmaßenden bürokratischen Belehrungen nicht verbitten. Denn indem so ein Amt ganze Absätze darauf verwendet, den fragenden Ratsmitgliedern erst einmal den bürokratisch richtigen Begriff zu erklären, grenzt das schon an Bevormundung.

„In Beantwortung der Fragestellungen und zum besseren Verständnis werden zunächst die Begrifflichkeiten näher ausgeführt“, liest man da nun. „Aus wasser- und schifffahrtsrechtlicher Sicht wird der Oberbegriff Wasserfahrzeug verwendet. Wasserfahrzeuge sind Fahrzeuge, die zur Fortbewegung auf dem oder im Wasser bestimmt sind.

Unterschieden wird nach der Art des Antriebs in muskelbetriebene Fahrzeuge (z. B. Kanus, Paddelboote, Tretboote oder auch Stand Up Paddling Boards) und motorbetriebene Fahrzeuge (z. B. Fahrgastschiffe, Motorboote). In der Beantwortung der Fragen wird daher der Begriff Wasserfahrzeug verwendet.“

Was die Menge der genehmigten Schwimmgeräte nicht verringert. Und der Eindruck der Grünen trügt eben nicht. Gerade im Leipziger Gewässerknoten sind ziemlich viele Boote genehmigt worden. Davon, deren Zahl irgendwann einmal zu beschränken, kann keine Rede sein.

„Auf den Leipziger Fließgewässern gibt es insgesamt 18 gewerbliche Anbieter, die insgesamt 475 Wasserfahrzeuge betreiben“, teilt das Amt für Umweltschutz mit. Und das sind nicht alles nur Paddel- und Ruderboote, auch nicht auf dem Leipziger Teil des Cospudener Sees, wo es zwei gewerbliche Anbieter gibt, die insgesamt 37 Wasserfahrzeuge betreiben, und auf dem Leipziger Teil des Kulkwitzer Sees, wo es zwei gewerbliche Anbieter gibt, die insgesamt 93 Wasserfahrzeuge betreiben.

Denn ein erstaunlich großer Teil der Genehmigungen ging an Bootsbesitzer von Motorbooten.

„Von 1999 bis 2020 wurden wasserrechtliche Gestattungen für insgesamt 185 individuell genutzte motorbetriebene Wasserfahrzeuge (z. B. Schlauchboot mit Elektromotor) und 20 gewerblich genutzte motorbetriebene Wasserfahrzeuge erteilt“, teilt das Amt für Umweltschutz mit.

Das heißt: Es sind 205 Motorboote im Leipziger Gewässerknoten zugelassen, fast doppelt so viele wie 2015. Da waren es nach einer ähnlichen Grünen-Anfrage erst 106. Das heißt: 2015, als sich die Leipziger Umweltvereine massiv gegen die Genehmigungspraxis für wirtschaftlichen und motorisierten Bootsverkehr auf den Leipziger Gewässern sträubten, ging die Genehmigungswelle erst so richtig los.

Was den jetzigen Zahlen des Umweltschutzamtes so nicht entnommen werden kann, denn das gibt für 1999 bis 2009 nur 37 Genehmigungen für Motorboote an, für den Zeitraum 2010 bis 2017 dann 124 und 2018 bis 2020 dann noch einmal 44.

Das heißt: Während die Bewohner des Neuseenlandes über eine naturverträgliche Nutzung der Gewässer im Rahmen der „Charta Leipziger Neuseenland“ diskutierten, hat das Leipziger Umweltschutzamt eifrig Genehmigungen für private Motorboote ausgereicht. Was im Rahmen des ebenso forcierten Wassertouristischen Nutzungskonzepts (WTNK) natürlich Sinn macht, denn es sind vorwiegend diese Bootseigner, die davon profitieren, wenn immer neue bootsgängige („schiffbare“) Kanäle und Schleusen gebaut werden.

Die Genehmigungen gelten übrigens nicht auf den Gewässern im Auenwald. Dort muss das Umweltschutzamt Ausnahmen zur Befahrung erteilen.

Ob das passiert, das haben die Grünen freilich nicht erfragt. Sie wollten eher wissen: „Wie oft führt die Stadt Kontrollen bei Anbietern von Booten hinsichtlich Genehmigungen und Einhaltung von Ordnungsbestimmungen durch? Wie kontrolliert die Stadt das Treiben auf dem Wasser?“

„Die Überwachung der wasserrechtlichen Gestattungen erfolgt durch die untere Wasserbehörde“, meint das Amt für Umweltschutz. „Die Wasserschutzpolizei Sachsen nimmt vollzugspolizeiliche Aufgaben auf den Gewässern im Freistaat Sachsen sowie in den dazugehörenden Häfen und Umschlagestellen wahr. Sie kontrolliert bei den gewerblichen Anbietern von Wasserfahrzeugen die Einhaltung der schifffahrtsrechtlichen Zulassung und der erteilten wasserrechtlichen Gestattung in Zusammenarbeit mit der Schifffahrtsbehörde Sachsen und der unteren Wasserbehörde. In 2020 wurden im Bereich der Leipziger Fließgewässer bei 6 gewerblichen Anbietern entsprechende Kontrollen durchgeführt. Zur Einhaltung der Ordnungsbestimmungen auf den Gewässern werden regelmäßig Kontrollen durch die Wasserschutzpolizei Sachsen in enger Abstimmung mit der unteren Wasserbehörde durchgeführt.“

Fehlen noch die Zahlen für die zugelassenen Motorboote auf dem Cospudener See (Leipziger Teil): Hier wurden von 2000 bis 2020 wasserrechtliche Gestattungen für insgesamt 45 individuell genutzte motorbetriebene Wasserfahrzeuge (z. B. Segelboot mit Motor als Flautenschieber) und ein gewerblich genutztes motorbetriebenes Wasserfahrzeug erteilt.

Und auf dem Kulkwitzer See (Leipziger Teil): Für den Leipziger Teil des Kulkwitzer Sees wurden von 2000 bis 2020 wasserrechtliche Gestattungen für insgesamt 63 individuell genutzte motorbetriebene Wasserfahrzeuge (z. B. Schlauchboot mit Elektromotor) erteilt.

Das heißt: Im Leipziger Gewässerknoten allein sind 475 Boote in gewerblicher Nutzung zugelassen plus „185 individuell genutzte motorbetriebene Wasserfahrzeuge“, also 650 Boote, die natürlich an warmen Sommertagen für eine Menge Betrieb auf den innerstädtischen Gewässern sorgen.

Antwort des Leipziger Umweltdezernats kann den Nebel der Zahlen nicht lichten

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