Wasservergnügen ist was Feines. Und Wohnen am Wasser ist auch ganz schön. Wenn es nur nicht so laut wäre. Dass der Lärm auf Leipziger Gewässern mal ein Thema für den Stadtrat werden würde, war zu erwarten. Am 19. Mai schaffte es zumindest eine Petition dazu in die Ratsversammlung, auch wenn das Thema die Stadtverwaltung erst einmal auf dem falschen Fuß erwischte. Denn wirklich geprüft hat man es noch nicht.

Auch der Petitionsausschuss gab eigentlich indirekt zu, dass ihm das Thema noch fremd war. Er übernahm im Grunde den Standpunkt des Amtes für Stadtgrün und Gewässer. Entsprechend ohne Diskussion und Nachfragen wurde der Beschlussvorschlag des Petitionsausschusses am 19. Mai dann auch vom Stadtrat so angenommen.

Dass das Thema die Stadtöffentlichkeit bislang nicht beschäftigt hat, hat nun einmal auch damit zu tun, dass die wenigsten Leipziger/-innen direkt am Wasser oder gar an diesem stark genutzten Teilstück der Weißen Elster entlang der Nonnenstraße wohnen, dem am stärksten genutzten im Leipziger Gewässerknoten. So mancher, der hier vor Jahren glücklich eine Wohnung am Wasser bezog, wird nicht damit gerechnet haben, wie stark sich der Bootsverkehr im Lauf der Jahre entwickeln würde und dass einige Bootsnutzer dabei durchaus laut werden würden.

Dass es dabei sehr laut werden kann, gesteht auch das Amt für Stadtgrün und Gewässer zu: „Ursächlich sei dafür der zunehmende Bootsverkehr in den Monaten April bis Oktober und der neben dem Motorenlärm und Lautsprecheransagen von Fahrgastschiffen der verhaltensbedingte Lärm (Musikboxen, Schreien, Trommeln und Singen).  Die bis zu neun Stunden am Tag andauernde Belastung überschreite die Grenze der Zumutbarkeit. Die Petenten fordern Abhilfe durch Maßnahmen, die zu einer deutlichen Minderung der Lärmbelastung führen.“

Der Wasserspaß der einen wird zum Lärm derer, die am Wasser eigentlich ihre Ruhe finden möchten. Und gerade an der Nonnenstraße sorgt die Uferbebauung dafür, dass der Schall sich noch verstärkt.

„Seitens der Immissionsschutzbehörde wird eingeschätzt, dass aufgrund der vorhandenen Begrenzung der Weißen Elster durch die Ufermauern, die sich in der Höhe mit einer mehrgeschossigen Bebauung fortsetzen, die Schallreflexion den Lärmpegel verstärkt. Die Schwelle der Gesundheitsgefährdung wird dabei jedoch nicht erreicht“, heißt es in der Beschlussfassung des Petitionsausschusses.

Und: „Der Verwaltung sind aus dem Bereich der Nonnenstraße bezüglich zunehmender Lärmbelastung aufgrund des Bootsverkehrs auf der Weißen Elster keine übermäßigen Beschwerden bekannt.“

Und die Vorlage weist auch noch darauf hin, „dass für die Leipziger Fließgewässer der Gemeingebrauch nach § 16 SächsWG i.V.m. § 25 WHG gilt und demnach ein Befahren dieser Gewässer mit kleinen Fahrzeugen ohne maschinellen Antrieb im Privatgebrauch möglich ist. Für die gewerbliche Nutzung (Verleihboote) ist eine wasserrechtliche Gestattung nach § 5 Abs. 3 SächsWG erforderlich ebenso für motorbetriebene Wasserfahrzeuge. Darüber hinaus bedürfen die motorbetriebenen Wasserfahrzeuge einer schifffahrtsrechtlichen Zulassung.

Beides wird durch die Wasserschutzpolizei entsprechend kontrolliert. Die zugelassenen motorisierten Fahrgastschiffe sind weitestgehend mit Elektromotor ausgestattet, bzw. entsprechende Fördermittelanträge bei noch notwendigen Umrüstungen sollen durch die Stadt Leipzig unterstützt bzw. befürwortet werden. Zudem werden beantragte Gestattungen für private Motorbootnutzung ausschließlich nur noch mit E-Motor zugelassen.“

Aber Allgemeingebrauch heißt ja nicht, dass ständig Lärm gemacht werden darf. Hier gelten dieselben Regeln wie auch bei öffentlichen Straßen und Plätzen.

Bislang hat die Stadt die Aufklärung in dieser Beziehung den Bootsverleihern überlassen: „Hinsichtlich des verhaltensbedingten Lärms sind die gewerblichen Bootsverleiher mit der wasserrechtlichen Gestattung beauflagt, alle Bootsnutzer dahingehend zu unterweisen, dass das Abspielen von Musik, sonstige Beschallungen und Lärmen durch laute Unterhaltung verboten sind.“

Genau das aber scheint nicht zu klappen, auch weil für die Verwaltung der Ausbau des Freizeitbootsverkehrs (gern als Wassertourismus bezeichnet) zentraler Teil des Wassertouristischen Nutzungskonzepts (WTNK) ist, dessen Fortschreibung seit zwei Jahren in den Sternen steht, denn Leipzigs Umweltverbände sind nicht mehr bereit, die Übernutzung der Leipziger Gewässer ohne jede Rücksicht auf Umweltbelange mitzutragen.

Ihre Forderung steht seit Jahren im Raum: eine umfassende Umweltverträglichkeitsprüfung für das komplette WTNK, nicht immer nur für einzelne Bausteine. Denn nicht nur einzelne Bauprojekte greifen ja in geschützte Gebiete ein. Auch der massive Zuwachs der Gewässernutzung hat direkte Folgen für die Umwelt. Und mit dem erzeugten Lärm, das gibt die Stellungnahme ja indirekt zu, hat man sich dabei seit Aufsetzen des WTNK 2005 niemals wirklich beschäftigt.

„Im Rahmen des förmlichen Verfahrens zur Verabschiedung des Wassertouristischen Nutzungskonzeptes als städtebauliches Entwicklungskonzept wird gemäß UVPG (Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung) eine Strategische Umweltprüfung im I./II. Quartal 2021 durchgeführt“, teilt das Umweltdezernat jetzt mit. „Diese Prüfung untersucht die Auswirkungen des Konzeptes und seiner Maßnahmen u. a. auf das sogenannte Schutzgut Mensch, insbesondere die menschliche Gesundheit. Gegebenenfalls ergeben sich hieraus neue Erkenntnisse in Ergänzung zu den genannten Fakten.“

Ob das nun eine echte Lärmkartierung an allen innerstädtischen Gewässern bedeutet, sagt die Stellungnahme der Stadt freilich nicht. Das II. Quartal ist ja schon heran, der Betrieb auf dem Wasser begann ja wegen Corona auch erst zu Pfingsten. Eine belastbare Umweltprüfung müsste jetzt eigentlich erst so richtig beginnen, wenn die Ergebnisse in irgendeiner Weise belastbar sein sollen.

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