Was der Leipziger Stadtrat da am 24. März um 15:25 Uhr beschlossen hat, können wir leider nicht sagen. Das zuständige Umweltdezernat hat seine Stellungnahme zum Antrag der Grünen, das fast 20 Jahre alte Integrierte Gewässerkonzept zu überarbeiten, nichtöffentlich gemacht. Nur in der kurzen Diskussion wurde dann deutlich, dass Leipzigs Umweltbürgermeister wieder großartig ausgewichen ist. Motto: der Freistaat ist am Zug.

Oder auch nicht.Wie gesagt: Wir wissen es nicht. Wir kennen nur den Wortlaut des Antrags der Grünen, die die Verwaltung daran erinnerten, dass die letzte Frist der EU zur Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie im Jahr 2027 ausläuft. Das heißt: Leipzig hat nur noch sechs Jahre Zeit, um die Wasserrahmenrichtlinie umzusetzen und die Gewässer in seiner Hoheit in einen guten Zustand zu versetzen. Aktuell kommen sie allesamt nicht über die Noten 4 und 5 hinaus.

Das Problem in Leipzig: Die Stadt ist zwar für die Unterhaltung der Gewässer 2. Ordnung zuständig und könnte dort durchaus schaffen, bis 2027 Fortschritte zu machen.

Doch die wichtigsten Flüsse sind allesamt als Gewässer 1. Ordnung in der Hoheit der Landestalsperrenverwaltung (LTV). Und die müsste deutlich in das bisherige Steuerungssystem eingreifen, um die Flüsse wieder annähernd zu naturnahen Fließgewässern zu machen.

Das Rosentalwehr bei größerem Wasserangebot. Foto: Ralf Julke
Das Rosentalwehr bei größerem Wasserangebot. Foto: Ralf Julke

Und Jürgen Kasek, der den Antrag der Grünen einbrachte, betonte zu Recht, dass die Hauptprobleme im Gewässerknoten stecken, der seit 80 Jahren völlig verbaut ist und nach den Plänen des 2004 beschlossenen Integrierten Gewässerkonzeptes noch weiter verbaut werden soll. Denn Elstermühlgraben, Elsterbecken und Alte Elster sind zentrale Bestandteile auch im Wassertouristischen Nutzungskonzept (WTNK). Genauso übrigens wie der Stadthafen, den die Stadt unbedingt bauen möchte.

Es stimmt also keinesfalls, wie Umweltbürgermeister Heiko Rosenthal meinte, dass die Stadt hier nur Zuschauer ist und der Freistaat – genauer: die Landestalsperrenverwaltung – am Zug sei. Denn die wieder hat auch nur auf die Wünsche des Leipziger Umweltdezernats reagiert, als sie 2011 bei der Vertragsunterzeichnung zum IGK die Pläne für die Alte Elster übernahm. Zu einem Zeitpunkt, als schon heftig über den Sinn der Wiederöffnung der Alten Elster diskutiert wurde, die die Wasserprobleme in der Nordwestaue nur noch weiter verschärfen würde.

Und seit 2004 habe sich ja noch etwas anderes geändert, so Kasek: Leipzig wisse nun auch, was mit dem Klimawandel auf die Gewässer zukommt – nämlich zwei Extreme: deutlich mehr Hochwasser bei Extremniederschlägen. Und – wie in den letzten drei Jahren – zunehmender Wassermangel im Auwald. Der Auwald zeigt zunehmend Dürreschäden.

Aber der Verwaltungsstandpunkt weicht irgendwie aus auf die Ausrede, das werde man im Auenentwicklungskonzept mit klären. Womit sich der Umweltbürgermeister ein zweites Mal widersprach. Denn dann ist es eben doch ein Leipziger Anliegen, das Flusssystem wieder naturnah zu gestalten und auf Bauprojekte zu verzichten, die dem Auwald erst recht das Wasser abgraben.

Aber er machte eben auch deutlich, dass er derzeit gar nicht bereit ist, von den alten Plänen von 2004 abzurücken. Lieber schob er dem Freistaat den Schwarzen Peter zu, weil der sich mit der LMBV nicht einigen könne über die Renaturierung der Betonelster im Leipziger Süden.

So muss dann erst mal gar keiner etwas tun. Und als dann Karsten Albrecht den Verwaltungsstandpunkt für die CDU-Fraktion übernahm und zur Abstimmung stellte, war die Sache mal wieder gelaufen nach dem alten Muster „Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass“. 35 Stadträt/-innen stimmten dem (unsichtbaren) Verwaltungsstandpunkt zu, 23 stimmten dagegen.

Damit war der Grünen-Antrag, für den auch der Fraktionsvorsitzende Tobias Peter warb, vom Tisch. Es wird also weitergewurstelt. Vielleicht bis 2023, wo dann vielleicht ein mutiges Auenentwicklungskonzept vorgelegt wird, das tatsächlich echte Verbesserungen auch für die Gewässerökologie mit sich bringt. Nur sind dann eben auch weitere zwei Jahre tatenlos vergangen. Nichts hat sich geändert.

Das Elsterbecken blüht weiter vor sich hin und die Alte Elster verhindert weiter jede vernünftige Planung im Sportforum. Und von einer Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie ist Leipzig meilenweit entfernt. „Die Zeit drängt“, hat Jürgen Kasek gemeint. Die Botschaft ist eindeutig nicht angekommen.

Denn was wäre die Folge des Grünen-Antrags gewesen? Die Stadt hätte mit der LTV verhandeln und konkrete Zeitschienen vereinbaren müssen: „Die Stadtverwaltung wird beauftragt, in Zusammenarbeit mit dem Freistaat Sachsen sowie den angrenzenden betroffenen Kommunen einen Integrierten Gewässerentwicklungsplan zur Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie für alle Leipziger Gewässer zu erarbeiten und bis Ende 2022 vorzulegen. Zielstellung ist dabei die Umsetzung der EU-Wasserrahmenrichtlinie durch eine umfassende Renaturierung aller Leipziger Fließgewässer unter besonderer Beachtung des Auenentwicklungskonzeptes.

Der Integrierte Gewässerentwicklungsplan soll Vorrang- und Zielerreichungsgewässer ausweisen, für die gewässerspezifisch abrechenbare Kenngrößen zur Verbesserung der ökologischen Gewässerkomponenten aufgestellt und integrierte Gewässerentwicklungskonzepte mit konkreten Umsetzungsplänen für die Renaturierung von Gewässern erstellt werden. Der Fachausschuss Umwelt- und Ordnung ist regelmäßig über den Stand der Umsetzung zu informieren.“

Da hätte man sich ja rühren müssen. Aber da kniff die Stadtratsmehrheit lieber.

Die Debatte im Stadtrat vom 24. März 2021

Video: Livestream der Stadt Leipzig

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Keine Kommentare bisher

Es ist wirklich erschreckend. Viel Gerede, wie schon seit Jahren, aber wirklich was tun, Pustekuchen. Da wird lieber der Schwarze Peter herumgeschoben, man nuschelt ein bisschen herum, schiebt diese wichtige Aufgabe von sich und wahrscheinlich ist man dann in ein paar Jahren total überrascht, wenn es Ärger wegen der WRRL gibt und der Auwald komplett ausgetrocknet ist. Noch erschreckender ist es, dass diese Ignoranz parteiübergreifend ist. Aber leider ist dies auf Landesebene, Bundesebene, ja sogar weltweit so. Nun, der Klimawandel ist nicht aufzuhalten, und wir Menschen schaffen es auch nicht, ihn wenigstens etwas zu minimieren noch, uns lokal an die zu erwartenden Gegebenheiten anzupassen. Es wird uns wahrscheinlich alles irgendwann böse auf die Füße fallen. Der Planet wird dann wohl doch unbewohnbar sein irgendwann, man kann nur hoffen, dass man bis dahin das Zeitliche gesegnet hat, um das Elend nicht mehr mit erleben zu müssen.

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