Es war eine Chance, aber wenn das Stichwort Wassertourismus fällt, fällt eine Stadtratsmehrheit in alte Reflexe zurück. Obwohl längst auch in Leipzig alle Alarmzeichen blinken, was das künftige Wasserangebot in den Flüssen und die Rettung des Auwaldes betrifft. Die Grünen-Fraktion wollte das Thema unbedingt im neuen Touristischen Entwicklungsplan (TEP) verankert sehen. Selbst OBM Burkhard Jung war dafür.

Doch dann trat Heiko Bär aus der SPD-Fraktion ans Rednerpult und redete sich regelrecht in Schwung, um den Grünen-Antrag zu zerpflücken.

Dabei steht das Thema – wie er durchaus richtig anmerkte – andeutungsweise selbst in der Vorlage der Stadt „Umsetzung der wassertouristischen Steuerungskonzepte zur Vereinbarkeit von Natur- und Artenschutz sowie Gewässerökologie und wassertouristischer Nutzung“. Nur sind die Grünen aus den Erfahrungen der letzten Jahre sehr skeptisch geworden, was genau diese Verträglichkeit betrifft. Denn wenn es um die Umsetzung des Wassertouristischen Nutzungskonzepts (WTNK) geht, nehmen die Akteure aus der Steuerungsgruppe tatsächlich wenig Rücksicht auf Artenschutz und Gewässerökologie.

Neuer Touristischer Entwicklungsplan der Stadt Leipzig.

Dass diese Akteure weiterhin an der Umsetzung des WTNK arbeiten, wird im Unterpunkt deutlich: „Umsetzung baulicher Infrastrukturen (Gewässerverbindungen, Qualifizierung von Fließgewässern, Häfen, Steganlagen, Umtrageeinrichtungen, Seenentwicklung) gemäß WTNK-Kurssystem, mit dem Schwerpunkt bootsgängiger Verbindungen Kurs 1/1a und 5“.

Der Punkt zum touristischen Gewässerverbund Leipziger Neuseenland im Touristischen Entwicklungsplan. Grafik: Stadt Leipzi
Der Punkt zum touristischen Gewässerverbund Leipziger Neuseenland im Touristischen Entwicklungsplan. Grafik: Stadt Leipzig

Zu diesen baulichen Strukturen gehört auch der Harthkanal, der gerade aufgrund explodierender Baukosten mit dicken Fragezeichen versehen ist. Dazu gehören aber auch die sogenannte Störstellenbeseitigung in der Pleiße, der Plan, eine Gewässerverbindung zwischen Pleiße und Markleeberger See zu schaffen, und der Stadthafen Leipzig, dessen Kosten sich gerade verdoppelt haben und bei dem sich die Leipziger Kanuten fragen, wer den eigentlich künftig nutzen wird.

Die Änderungswünsche der Grünen

Verständlich, dass die Grünen hier die Fortsetzung des seit 2005 anhaltenden Versuchs sehen, weiterhin Strukturen für den motorisierten Wassertourismus zu schaffen. Sie hatten deshalb mit ihrem Änderungsantrag die beiden zusätzlichen Beschlusspunkte eingebracht:

„3. Alle Maßnahmen, die durch Punkt 1 beschlossen werden, müssen dem Umstand eines naturverträglichen Tourismus Rechnung tragen und dürfen nicht zu einer Verschlechterung der Umweltsituation, insbesondere des Ökosystems Leipziger Auwald, führen.

4. Im Rahmen der nächsten Evaluation des TEP sollen Nachhaltigkeit und Klimawirkungen des Tourismus in Leipzig umfassend betrachtet werden. Daraus abgeleitet soll das TEP bis zum 3. Quartal 2025 grundlegend weiterentwickelt werden, um Leipzig als nachhaltige und klimaneutrale Städtedestination (Markenkern) zu positionieren.“

Der zweite Punkt sogar noch weiter gehend, weil einige Touristiker in Leipzig keineswegs klimaschonend unterwegs sind. Auch Tourismus muss aber künftig klimaschonend sein. Eigentlich das Selbstverständlichste, was man erwarten könnte.

Weshalb OBM Burkhard Jung den Grünen-Antrag auch gern übernommen hätte in die Gesamtvorlage der Stadt.

Auch Tourismus muss klimaschonend sein

Die Grünen hatten ihr Anliegen auch ausführlich begründet: „Bei allen positiven Aspekten z. B. für wirtschaftliche Entwicklung und Weltoffenheit ist Tourismus potenziell auch mit problematischen Umwelt- und Klimaeffekten verbunden. Dies betrifft über das Thema Mobilität hinaus praktisch alle Bereiche des touristischen Alltags.

Angesichts der umfassenden Zielsetzungen, die sich unsere Stadt insbesondere mit dem Energie- und Klimaschutzprogramm 2030 (EKSP), aber auch der Zero Waste Strategie gesetzt hat, ist unverständlich, dass Nachhaltigkeit und Klima im vorliegenden TEP zwar punktuell adressiert werden, aber in Summe nur ein Nebenthema sind.

Die Umsetzung der im TEP enthaltenen Maßnahmen darf deshalb nicht zu negativen beeinflussbaren Umweltauswirkungen führen. Damit sind touristische Aktivitäten, die nicht von städtischer Seite zu beeinflussen sind, wie z. B. die individuelle Anreise per Flugzeug oder PKW nicht berührt.

Zu vermeiden ist jedoch die Schaffung von Tatsachen, speziell im Bereich des Wassertourismus, die einer naturnahen Entwicklung und dem Schutz des Leipziger Auwaldes entgegenlaufen. Insbesondere müssen die Maßnahmen in Bezug auf das Auenentwicklungskonzept reversibel sein. Umweltschutz hat an dieser Stelle Vorrang vor wirtschaftlichen Interessen.“

Eine deutliche Botschaft an Umweltbürgermeister Heiko Rosenthal, der in Leipzig die Projekte des WTNK unbeirrt vorantreibt und der schon angekündigt hat, dass er in nächster Zeit die wundervolle Fortschreibung des WTNK von 2005 vorlegen wolle.

Eine Fortschreibung, bei der die Leipziger Umweltverbände schon frühzeitig den eingerichteten Runden Tisch verließen, weil klar war, dass die Verantwortlichen gar nicht bereit waren, dem Naturschutz das Primat einzuräumen, sondern weiter an den Ausbauprojekten von 2005 festhalten.

Klimaneutralität als Markenkern

„Nachhaltiger und klimafreundlicher Tourismus betrifft weit mehr als die Wahl umweltfreundlicher Reisemittel. Ohne Tourismus als wesentlichen Wirtschaftsfaktor gezielt einzubeziehen, wird Leipzig das Ziel der Klimaneutralität nicht erreichen. Dabei wird nachhaltiger, sanfter Tourismus immer stärker nachgefragt. Städtedestinationen, die Nachhaltigkeit und Klimaneutralität als Markenkern herausarbeiten, können sich zukunftsfähig positionieren“, hatten die Grünen betont.

„Im Zuge der regulär anstehenden Evaluation des TEP sollten die Themen Nachhaltigkeit und Klimawirkung systematisch unter Bezugnahme auf die städtischen Konzeptionen wie insbesondere dem EKSP betrachtet werden. Dabei sollte neben Themen wie Mobilität, Abfallentsorgung z. B. auch ökologische Auswirkungen des Wassertourismus in den Blick genommen werden.

In einer Weiterentwicklung des TEP mit Nachhaltigkeit und Klimaneutralität als Markenkern sollten konkrete Maßnahmen erarbeitet werden. Dabei empfiehlt sich, neben den Kompetenzträgern in der Stadtverwaltung wie dem Referat für Nachhaltige Entwicklung und Klimaschutz auch externe fachliche Expertise und Umweltverbände einzubeziehen.“

Natürlich ist Wassertourismus anders attraktiv, wenn die umweltschonenden Angebote dominieren und eben nicht die motorisierten.

Aber Heiko Bärs Rede zeigte Wirkung: Beide Antragspunkte der Grünen wurden von der Stadtratsmehrheit abgelehnt. Umweltschutz blieb also ein weiteres Mal auf der Strecke.

Gästekarte wird geprüft

Ein Antrag der Linksfraktion für eine digitale Gästekarte wurde von der Verwaltung als Prüfauftrag übernommen: „Ab dem Jahr 2024 führt die Stadt Leipzig die digitale Gästekarte ein, die den touristischen Gästen bei Übernachtungen in Leipzig kostenfreien Zugang zu den öffentlichen Verkehrsmitteln gewährt, ohne separat weitere Fahrscheine zu besorgen.“

Hier geht es hauptsächlich darum, dass Gäste, die in Leipzig übernachten, nicht im Tarifdschungel der LVB ertrinken, sondern mit der Gästekarte auch öffentliche Verkehrsmittel nutzen können.

Der AfD-Antrag, nun ausgerechnet die Autostadt Leipzig auch noch als touristischen Schwerpunkt zu deklarieren, scheiterte erwartbar. Da trifft ganz einfach zu, was Burkhard Jung anmerkte: Mit so einem touristischen Schwerpunkt wirbt eine Autostadt wie Wolfsburg. Leipzig hat ganz andere kulturelle Angebote, mit denen die Stadt attraktiv wird.

Die Vorlage der Stadt wurde dann mit 45 Stimmen angenommen. Die Grünen enthielten sich der Stimme. Denn natürlich ist es nicht erklärbar, wenn eine Stadt, die 2019 den Klimanotstand ausgerufen hat, den Tourismus und insbesondere den Wassertourismus einfach ausnimmt bei der Herstellung der Klimaneutralität.

Natürlich hat das Auswirkungen auf alle 2005 ins WTNK geschriebenen Projekte. Aber wenn das WTNK die Folgen des Klimawandels nicht aufnimmt, ist es nun einmal nicht zukunftsfähig, sondern bewirkt genau das, was es scheinbar nicht will: die Zerstörung der attraktiven Gewässerlandschaft.

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Die Kosten für die Wiederherstellung der Schleuse MArkkleeberger-Störmthaler See steht auch noch in den STernen. Der Campingplatz des SEB Stadt Leipzig am Störmthaler See wird auch teurer als die 22 Mio EUR aus dem Kohletopf, denn die Ausgleichsmaßnahmen für die Beugung der NAturschutzgesetze werden teuer !!!! Abgesehen von den Verlusten an Arten und NAtur und Erholungsfläche für motorisierten Individualverkehr (300 PArkplätze + 200 Stellplätze auf dem Campingplatz) …. so geht NAtur- und Klimaschutz in Sachsen…. was muss noch passieren, bis hier umgedacht wird ???

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