Nein, so richtig will das Leipziger Amt für Stadtgrün und Gewässer eine alte, verfehlte Wasserpolitik in Leipzig nicht beenden. Vielleicht, weil dort jemand glaubt, man würde gut befreundete Ämter in den Nachbarkreisen vor den Kopf stoßen, wenn Leipzig den alten Prestige-Kanal-Projekten endgültig eine Absage erteilt. Lieber schweigt man sich darüber aus. Auch in einer Antwort an die Grünen-Fraktion.

Denn die hatte sehr detailliert nachgefragt, nachdem zur World Canals Conference wieder das schöne Lied vom Elster-Saale-Kanal gesungen wurde, obwohl die vergangenen Hitzesommer gezeigt hatten, dass nicht mal genug Wasser da ist, um die Zukunft der Leipziger Gewässer zu sichern. Und die EU-Wasserrahmenrichtlinie hält kein einziges Leipziger Gewässer ein.

Desolater Gewässerzustand

Das gesteht das Amt für Stadtgrün und Gewässer jetzt auch offiziell ein, wenn es den Grünen antwortet:

„Nach derzeitigem Stand hat kein Fließgewässer im Stadtgebiet die Ziele der Wasserrahmenrichtlinie im Zeitraum der ersten beiden Bewirtschaftungszyklen (2009–2021) erreicht.

Über viele Jahrzehnte hinweg wurden im Leipziger Raum Gewässer umverlegt, begradigt und Stauhaltungen (Wehre, Staustufen etc.) geschaffen. Die Flüsse wurden von ihren Auenbereichen abgetrennt und der für die Organismen so wichtige Sedimenttransport erheblich gestört.

Darüber hinaus sind die Gewässer durch den Bergbau beeinflusst. ‚Neue‘ Belastungen, wie klimawandelbedingte Änderungen des Wasserhaushalts, der Strukturwandel inklusive Kohleausstieg, die Erhöhung des Versiegelungsgrades sowie der Wasserentnahmen in der gesamten Leipziger Region, kommen hinzu. Die Umkehr dieser Entwicklung ist Aufgabe von Generationen.“

Die Antwort der Verwaltung auf die Grünen-Anfrage.

Eine Aussage, die zumindest verblüfft, denn das alles ist seit Jahren bekannt. Weshalb der Stadtrat die Verwaltung eben auch mit der Erarbeitung eines Auenentwicklungskonzepts beauftragt hat, das eigentlich Ende 2022 vorliegen sollte.

Eisvergnügen auf dem Elster-Saale-Kanal. Foto: Marko Hofmann
Eisvergnügen auf dem Elster-Saale-Kanal. Foto: Marko Hofmann

Aber das Zubetonieren (Versiegeln) der Landschaft geht nun einmal schneller, als den Flüssen ihren Raum wieder zurückzugeben, wie die Verwaltung mitteilt:

„In den kommenden Jahren ist daher ein deutlich erhöhter Arbeits- und Kostenaufwand für die Unterhaltung und die Renaturierung der Gewässer 2. Ordnung in der Stadt Leipzig erforderlich. Einerseits, um den gesetzlichen Erfordernissen gemäß Wasserrahmenrichtlinie nachzukommen, andererseits werden durch solche Maßnahmen positive Effekte auf die Klimaanpassung (z. B. Wasserrückhalt, Stadtklima etc.), die Biodiversität und die Stadtentwicklung (grün-blaue Infrastruktur) erzielt. Durch den hohen Nutzungsdruck auf die Gewässer und die Flächenkonkurrenz sowohl im urbanen Umfeld als auch in der Agrarlandschaft sind Gewässerrenaturierungen komplexe und langwierige Planungsprozesse.“

Und das sind nur die Gewässer 2. Ordnung in Hoheit der Stadt. Wenn es um die Gewässer 1. Ordnung geht (Weiße Elster, Pleiße, Parthe), hat man es sofort auch mit Landesbehörden zu tun und mit angrenzenden Kreisen und deren Verwaltungen. Und mit uralten Ausbauplänen im Wassertouristischen Nutzungskonzept (WTNK), die den hier beschworenen Nutzungsdruck erst erzeugen.

Auenentwicklungskonzept erst nächstes Jahr

„Gegenwärtig laufen die Auenentwicklungskonzepte für die Nordwestaue – als Bestandteil des Projektes Lebendige Luppe – sowie das Auenentwicklungskonzept Südaue. Das Auenentwicklungskonzept Nordwestaue wird bis 12/2023 vorliegen“, teilt das Amt für Stadtgrün und Gewässer mit.

„Die Fertigstellung des Auenentwicklungskonzeptes Südaue und die Zusammenführung zu einem Gesamtkonzept für die Leipziger Auenlandschaft ist für 2024 geplant. Im Rahmen der Konzepte werden Handlungs-/Maßnahmenprogramme erarbeitet, welche Maßnahmenvorschläge – differenziert in eine Mittelfrist- (bis 2030) und Langfristperspektive (2050+) – einschließlich einer überschlägigen Kostenschätzung enthalten.“

Und hier soll auch endlich geklärt werden, ob die Verwaltungsspitze von ihrer unbezahlbaren Idee Abschied nimmt, das Elsterbecken auszubaggern und wieder zum Ruderbecken zu machen.

Nahlewehr: Hier muss sich die Wassersteuerung für die Nahle deutlich ändern. Foto: Ralf Julke
Nahlewehr: Hier muss sich die Wassersteuerung für die Nahle deutlich ändern. Foto: Ralf Julke

„Bestandteil des Auenentwicklungskonzeptes Südaue ist auch der Umgang mit dem Elsterbecken. Dieses berücksichtigt die Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie inklusive Sedimenthaushalt für die Gewässer 1. Ordnung im Gewässerknoten durch den Freistaat Sachsen“, formuliert die Verwaltungsantwort diese Herausforderung.

„Die Ergebnisse sind bei der Fortschreibung des Integrierten Gewässerkonzeptes, welche in Federführung des Freistaates Sachsen und kooperativer Mitwirkung der Stadtverwaltung erfolgen muss, zu berücksichtigen. Die Mitwirkung erfolgt speziell unter dem Fokus der Auenentwicklung und der gebotenen wasserwirtschaftlichen Randbedingungen für die städtischen Mühlgräben.“

Was das wirklich bedeutet, lässt die Antwort im Dunkeln. Auch wenn sich an der Steuerung des Wassers im Elsterbecken deutlich etwas ändern muss: „Im Projekt Lebendige Luppe wird die Wasserverteilung am nördlichen Gewässerknoten mitbetrachtet. Aufgrund der derzeitigen Erkenntnisse im Projekt ist von einer Änderung der gegenwärtigen Wasserverteilung und deren wasserrechtlicher Festschreibung zugunsten der Leipziger Aue auszugehen.“

Auenrettung wird 40 bis 50 Millionen Euro kosten

Natürlich reicht es nicht, den Wasserfluss am Nahle- und am Rosentalwehr ein bisschen zu ändern. Flussabwärts muss einiges zurückgebaut werden, was vor 100 Jahren erst in die Flussaue hineingebaut wurde. Deiche müssen rückgebaut werden, alte Flussläufe wieder mit Wasser beschickt werden. Und sowohl Nahle als auch Neue Luppe brauchen eine deutliche Anhebung der Sohle um zwei Meter.

Das ist eigentlich alles längst klar. Aber wer soll das bezahlen?

„Als weiterer Schritt zur Auenrevitalisierung wird das Förderinstrument Naturschutzgroßprojekt des Bundesamtes für Naturschutz angesehen“, formuliert das Amt für Stadtgrün und Gewässer.

„Das mehrstufige Antragsverfahren wird aktuell in Zusammenarbeit mit dem Freistaat Sachsen vorbereitet. Der konkrete Start des Projektes mit der Erstellung eines Pflege- und Entwicklungsplanes (Phase 1) ist für 2024 geplant. Hinsichtlich des finanziellen Umfangs wird in dieser frühen Antragsphase von einem Fördervolumen i. H. v. 40 – 50 Mio. Euro (brutto) ausgegangen.

Dies begründet sich mit i. d. R. sehr kostenintensiven gewässerbaulichen Maßnahmen. – Das Naturschutzgroßprojekt ist nur einer der weiteren, allerdings elementaren, Bausteine der langfristigen Auenentwicklung und baut inhaltlich auf die Ergebnisse der Auenentwicklungskonzepte Nordwestaue und Südaue sowie auf die Erfahrungen aus dem Projekt Lebendige Luppe auf.“

Was fehlt in der Antwort?

Die Grünen hatten ganz konkret nach den drei großen Kanalprojekten gefragt, die im Neuseenland geplant wurden und direkt mit dem künftig geringeren Wasserdargebot kollidieren.

Es geht um den Elster-Saale-Kanal, die Wasserschlange Markkleeberg und den Harthkanal.

Aber das Amt für Stadtgrün und Gewässer will hier überhaupt keine Probleme sehen: „Um die verschiedenen Nutzungsansprüche untereinander zu wichten, gibt es Grundsätze für die Bewirtschaftung aller künstlichen und natürlichen Gewässer in unserem Raum. – Die vorliegenden Erkenntnisse geben keinen fachlichen Anhaltspunkt dazu, o. g. Projekte nicht umsetzen zu können. Beispielhaft sei der Harthkanal benannt. Der Harthkanal wirkt multifunktional, so zur Überschusswasserableitung, zur Ableitung von Hochwasser sowie für den Wassertourismus. Zurzeit wird das Überschusswasser vom Zwenkauer See in den Cospudener See gepumpt, was weder nachhaltig noch ausreichend für die optimale Hochwasserentlastung ist.“

Richtig teuer aber wird der Harthkanal, wenn er für das ausgebaut wird, was so gern „Wassertourismus“ genannt wird – nämlich motorisierten Bootsverkehr mit Schleuse. Ein Ableiter für Überschusswasser wäre deutlich preiswerter.

Zu Markkleeberger Wasserschlange und Elster-Saale-Kanal steht hier nur die Behauptung, dass nichts gegen die Umsetzbarkeit dieser Pläne spräche. Obwohl es noch längst keine belastbaren Pläne gibt, eventuell eine bootsgängige Verbindung über die Kleine Pleiße zum Markkleeberger See zu schaffen.

Und beim Elster-Saale-Kanal dürfte das fehlende Wasserdargebot der Weißen Elster eine sehr markante Rolle spielen, denn dieses Wasser wird viel dringender im Leipziger Gewässerknoten und im Auwald gebraucht.

Es spricht auch fachlich einiges gegen die teuren Kanalprojekte. Auch die Wasserrahmenrichtlinie, wie die Grünen in ihrer Anfrage formuliert hatten.

Kasek fragt nach

Am 14. Dezember war nun ausgerechnet Umweltbürgermeister Heiko Rosenthal nicht da. Grünen-Stadtrat Jürgen Kasek fragte trotzdem nach, wie sich die Aussagen in der Verwaltungsantwort vertragen, wenn einerseits sehr vage zu Maßnahmen für die Wasserrahmenrichtlinie bis 2027 gesprochen wird, andererseits aber weitere Kanäle gebaut werden sollen. Das beißt sich, wenn es absehbar künftig weniger Wasser in den Leipziger Flüssen gibt.

Zumindest eine Aussage konnte OBM Burkhard Jung treffen: Wie sich das mit dem Klimawandel verringernde Wasserangebot auf die Leipziger Gewässer auswirken werde, soll jetzt durch ein Gutachten geprüft werden.

„Haben wir genug Wasser, um unsere Kanäle zu betreiben?“, so Jung. Eine wirklich offene Frage. Und das könnte auch bedeuten, dass etwa auf die Öffnung des Pleißemühlgrabens zum Zoo verzichtet werden müsse.

Wann das Gutachten aber vorgelegt wird, konnte Jung noch nicht sagen.

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