Die Flusspegel sinken, die Grundwasserpegel sinken. Der Leipziger Aue rennt die Zeit davon. Eigentlich soll zum Jahreswechsel 2022/2023 das Auenentwicklungskonzept vorliegen. Aber viel Zeit hat Leipzig nicht mehr, den Auwald zu retten. Die zurückliegenden Dürrejahre haben dem Baumbestand schon kräftig zugesetzt und das Austrocknen der mit Deichen abgesperrten Aue beschleunigt. Jetzt warnt auch der jüngste „Fließtext“ des Projekts Lebendige Luppe.

Dieses 2011 gestartete Projekt wird zwar von Anfang an auch wissenschaftlich begleitet. Doch von Anfang an litt es darunter, dass es zu klein bemessen war und am Hochwasserschutzregime der Landestalsperrenverwaltung nicht gerüttelt werden durfte. Doch genau diese teilweise vor 100 Jahren gebauten Sperrbauwerke sorgen dafür, dass der Aue die natürlichen Überschwemmungen fehlen.

Mit den beiden Hochwasserereignissen 2011 und 2013 konnte sich – nachdem das Nahleauslassbauwerk geöffnet worden war – die Nordwestaue wenigstens ein bisschen erholen. Doch dieser Erholungseffekt ist aufgebraucht. Auch in der Nordwestaue vertrocknen die ersten Bäume.

Und die dominierenden Baumarten leiden – im Grunde gleich mehrfach. Denn zur Trockenheit kam ja in den letzten Jahren auch ein zunehmender Schädlingsbefall – man denke nur an das Eschentriebsterben, das einen der Hauptbäume in der Aue, die Esche, massiv geschwächt hat.

Das fehlende Wasser besorgt die teilnehmenden Forscher von der Universität Leipzig und dem Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UfZ) seit Anfang an. Sie dokumentieren den ökologischen Zustand der Aue vor und nach der Maßnahmenumsetzung im Projektgebiet Nordwestaue. Dabei wird seit mehreren Jahren an ausgewählten Standorten die Flora, Fauna und die hydrologische Situation im Hartholzauenwald untersucht.

Sinkende Wasserstände

Zu den Entwicklungen in den vergangenen elf Jahren bilanziert der „Fließtext“: „Während die extremen Hochwasserereignisse im Jahr 2011 und 2013 mit der damit verbundenen Flutung der Auengebiete zu einem ganzjährig erhöhten Grundwasserspiegel in der Aue führten, blieb dieser Effekt in den Folgejahren aus. Damit setzte sich der Trend sinkender Grundwasserstände nicht nur seit 2014 fort, sondern hat sich durch die sehr trockenen Jahre ab 2018 bis heute sogar noch verschärft.“

Die Dürre stellt dabei einen zusätzlichen Stressor für den Auwald dar, der durch die Abkoppelung der Aue von ihren Flüssen bereits stark beeinträchtigt ist.

Käme wenigstens noch ab und zu Wasser in die Aue, könnten auch dort Bäume die Dürre noch abfedern. Aber durch die wasserbaulichen Maßnahmen des 19. und 20. Jahrhunderts wurde die Aue trockengelegt. Baumarten, die normalerweise Überflutungen überhaupt nicht vertragen würden, sind zu dominierenden Baumarten geworden – Spitzahorn und Rotbuche zum Beispiel.

„Um den Effekt der aufeinanderfolgenden Dürrejahre auf die Artenzusammensetzung zu messen, erfolgte unter anderem ein Vergleich des Dickenwachstums für Stil­eiche, Gemeine Esche und Bergahorn für 2018 und 2019 mit dem in normalen Trockenjahren“, berichtet der „Fließtext“ mit Bezug auf eine Untersuchung von Prof. Christian Wirth.

Das Ergebnis: „Die Stiel­eiche und der Bergahorn zeigen in normalen Trockenjahren und so auch im ersten Dürrejahr (2018) keine signifikante Verringerung des Dickenwachstums. Es brauchte für die beiden Baumarten ein weiteres extremes Jahr (2019), um eine deutliche Wachstumsreduktion zu zeigen. Dagegen erwies sich die Gemeine Esche als deutlich empfindlicher. Sie zeigte bereits eine leichte Wachstumsreduktion in normalen Trockenjahren, eine deutliche 2018 und eine extreme 2019. Dies ist u.a. mit einer anderen physiologischen Strategie zu erklären, da die Gemeine Esche ihre Stomata bei Trockenheit erst sehr spät schließt und damit schneller auf Trockenstress reagiert.“

Der Auwald braucht wieder eine Wasserdynamik

Der Leipziger Auwald leidet also gleich doppelt und dreifach – unter dem Fehlen natürlicher Wasserzuflüsse und unter den extrem trockenen und heißen Sommern. Die Baumarten Gemeine Esche und Bergahornleiden zudem unter Krankheiten und Schädlingen.

Und so werden die am Projekt „Lebendige Luppe“ beteiligten Forscher jetzt recht deutlich, was die Zukunft der Leipziger Flussaue betrifft: „Um die Lebensräume und die an sie angepasste Flora und Fauna des Leipziger Auensystems zu erhalten, fordern Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die Wiederherstellung einer naturnahen Auendynamik.“

Die aktuellen Inventurergebnisse lassen jedenfalls befürchten, dass in den nächsten Jahren jeder zweite Starkbaum im Gesamtbestand vom Absterben betroffen ist.

„Durch zunehmende Hitzesommer wird sich der Trockenstress auf die Vegetation und damit auch auf die davon abhängige Fauna sehr wahrscheinlich noch erhöhen“, befürchten die Mitarbeiter im Projekt „Lebendige Luppe“.

„Deshalb ist es notwendig, dass bereits auch kleinere Hochwasserereignisse den Auwald zwischen Leipzig und Schkeuditz erreichen und damit den Standort für die auwaldtypischen Baumarten stärken. Da der Wald durch verschiedene Krankheiten, Schädlinge und die zunehmende Trockenheit gerade im Umbruch ist, sollte die Chance der Förderung der für einen Hartholzauenwald wichtigen Baumarten gemeinsam mit einer naturnahen Auendynamik genutzt werden.“

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