Das war dann mal ein Vor-Ort-Termin mit Schnee und kalten Händen am Montag, dem 21. November, auf dem Deich an der Neuen Luppe: Sachsens Umweltminister Wolfram Günther besichtigte aus Anlass des 2. Impulsforums Leipziger Auwald den Leipziger Auwald im Bereich Möckernscher Winkel. Hier werden seit Sommer 2022 als Kompensationsmaßnahme in Abstimmung mit der Stadt Leipzig Deiche geschlitzt, Ufer renaturiert, Waldsäume gepflanzt und ein Eisvogelhabitat hergestellt.

Es ist ein Teil der Kompensationsmaßnahmen der Landestalsperrenverwaltung für die Baumfällungen entlang der Deiche im Auwald in den Jahren 2011 und 2012. Darüber hatte Leipzigs Umweltdezernat schon im September informiert. Was damals überraschte. Denn noch 2021 hatte es vehement Einspruch erhoben gegen die Schlitzung der Deiche am Möckernschen Winkel.

Fatale Auswirkungen der Dürrejahre

Aber dazwischen liegen ein Jahr Gespräche und Abstimmungen zwischen verschiedensten Ämtern auf Landes-, Stadt- und Kreisebene. Das 2. Impulsforums Leipziger Auwald findet ja auch statt, um all die verschiedenen Akteure an einen Tisch zu bekommen und überhaupt handlungsfähig zu werden.

Denn, wie Wolfram Günther beim Termin auf dem Deich betonte: „Die Zeit läuft uns davon.“ Die vergangenen Dürrejahre haben auch dem Leipziger Auwald massiv zugesetzt. Auch hier vertrocknen die Bäume. Leipzig droht ein europaweit einzigartiges Auensystem endgültig zu verlieren, nachdem durch den Deichbau der 1930er Jahre und den damaligen Bau der Neuen Luppe regelrecht eine Drainage in den Wald gelegt wurde, die dem dringend auf Überschwemmungen angewiesenen Auwald das Wasser direkt entziehen.

Markus Freygang (Landestalsperrenverwaltung Sachsen/ links) informiert Peter Wasem (Amtsleiter im Amt für Umweltschutz Leipzig) und Wolfram Günther (Sächsischer Staatsminister für Energie, Klimaschutz, Umwelt und Landwirtschaft) über die aktuellen Pläne im Auwald. Foto: Jan Kaefer
Markus Freygang (Landestalsperrenverwaltung Sachsen/ links) informiert Peter Wasem (Amtsleiter im Amt für Umweltschutz Leipzig) und Wolfram Günther (Sächsischer Staatsminister für Energie, Klimaschutz, Umwelt und Landwirtschaft) über die Pläne im Auwald. Foto: Jan Kaefer

Das Wasser wird knapp

Was jetzt aber passiert, können wirklich nur Sofortmaßnahmen sein. Mit den Schlitzungen der ehemaligen Deiche am Möckernschen Winkel können theoretisch wenigstens die einjährigen Hochwasser in den Wald im Möckernschen Winkel fließen. „Wenn die denn auch kommen“, so Günther.

Denn mit dem Klimawandel verringern sich zugleich die Niederschläge in Mitteldeutschland – auch im Winter. Für gewöhnlich sorgten früher die Schneeschmelzen im Frühjahr dafür, dass die Flüsse im Leipziger Auengebiet Hochwasser führten und die Auwälder überflutet wurden.

Wenn es aber diese Schneemengen nicht mehr gibt, werden auch die einjährigen Hochwasser seltener. Und dazu kommt – an der Neuen Luppe sehr schön zu beobachten – dass sich die künstlichen Flusskanäle tief in das Gelände hineingefräst haben – Ergebnis fehlender Hindernisse und Mäander. Der Fluss funktioniert wie ein hochbeschleunigter Abwasserkanal.

Tief eingeschnitten ins Gelände: die Neue Luppe. Foto: Ralf Julke
Hat sich tief eingeschnitten ins Gelände: die Neue Luppe. Foto: Ralf Julke

Weshalb Günther auch von einem Großprojekt bei der anstehenden Revitalisierung des Leipziger Auensystems spricht, bei dem es zwingend auch Landes-, Bundes- und EU-Mittel geben muss, sonst ist hier nicht in zwingend kurzer Zeit wieder Wasser in die Aue zu bekommen.

Das Projekt „Lebendige Luppe“ ist nur ein Teil dieses Projekts. Und auch die Deichschlitzungen am Möckernschen Winkel sind nur ein Baustein.

Erste Schritte zur Rettung des Auwalds

Die Arbeiten am Möckernschen Winkel begannen im Mai 2022, die Fertigstellung ist für Frühjahr 2023 geplant. Dabei wurde der Deich an der Neuen Luppe an zwei Stellen geschlitzt, der an der anderen Seite zur Nahle an einer Stelle. Eine weitere Deichschlitzung an der Nahle ist in der Umsetzung. Auch die Herstellung eines Eisvogelhabitats hat begonnen, genauso wie die Uferrenaturierung an der Nahle und der Neuen Luppe mit der Initialpflanzung eines naturschutzfachlich hochwertigen Waldsaums vom Auwald zu den Fließgewässern.

Zumindest zwei kleine Hektar könnten mit den Deichschlitzungen, welche die Landestalsprrenverwaltung (LTV) im Sommer angelegt hat, im Möckernschen Winkel geflutet werden, bei fünfjährigen Hochwassern sogar zehn Hektar. Aber das sind Zahlen aus dem vergangenen Jahrhundert. Auch die fünfjährigen Hochwasser werden seltener. Und das Niedrigwasser in der Neuen Luppe und der Nahle erinnert eher daran, dass durch den Klimawandel sowieso das verfügbare Wasser weniger wird.

Was die Aufgabe der Auenrevitalisierung noch komplizierter macht. Aber die Zeit läuft allen Beteiligten davon.

Wolfram Günther (Sächsischer Staatsminister für Energie, Klimaschutz, Umwelt und Landwirtschaft) steht inmitten einer Gruppe von Fachleuten und Journalisten beim Pressetermin an der Neuen Luppe. Foto: Jan Kaefer
Wolfram Günther (Sächsischer Staatsminister für Energie, Klimaschutz, Umwelt und Landwirtschaft/ 2.v.l.) steht in einer Gruppe von Fachleuten und Journalisten beim Pressetermin an der Neuen Luppe. Foto: Jan Kaefer

Weitere Maßnahmen in der Südaue

Umgesetzt werden auch noch weitere Maßnahmen im südlichen Auwald, die das Umweltministerium bei der Gelegenheit noch einmal auflistete, denn hier wird ja das Projekt „Dynamische“ Aue ebenfalls als Kompensationsmaßnahme für die Baumfällungen von 2011 / 2012 umgesetzt.

– Herstellung eines Auenflutungsbauwerkes im rechten Deich am Gewässer erster Ordnung Elsterhochflutbett sowie Rückbau der Drossel im Unteren Paußnitzsiel am Gewässer erster Ordnung Elsterflutbett von der LTV bereits 2021 realisiert.

– Rückbau des den Auwald entwässernden Oberen Paußnitzsiels am Elsterflutbett ist von der LTV vorbereitet.

– Derzeit erfolgt durch die LTV in Abstimmung mit der Stadt Leipzig die Herstellung einer ca. 170 m langen Gewässerverbindung zwischen dem Auenflutungsbauwerk der LTV am Elsterhochflutbett und einem Altarm des Gewässers 2. Ordnung Paußnitz; eine Flutung des Auwaldes mit Hochwasser der Weißen Elster ab einem HQ1 (dem einjährigen Hochwasser, d.Red.) ist somit ab Ende November 2022 möglich.

– Derzeit werden weitere Maßnahmen zwischen der LTV und der Stadt Leipzig abgestimmt (z. B. Maßnahmen zur gezielten Wasserverteilung, Maßnahmen zur Entwicklung von Amphibienhabitaten, Maßnahmen zur ökologischen Vernetzung der Gewässer mit dem Auwald im Leipziger Ratsholz durch naturschutzfachliche Aufwertungen im Bereich des rechten Deiches am Elsterflutbett).

Wolfram Günther (Sächsischer Staatsminister für Energie, Klimaschutz, Umwelt und Landwirtschaft) im Interview. Foto: Jan Kaefer
Wolfram Günther (Sächsischer Staatsminister für Energie, Klimaschutz, Umwelt und Landwirtschaft) stellt sich den Nachfragen im Interview. Foto: Jan Kaefer

Weitere Maßnahmen in der Nordaue

Hier geht es aktuell um die Wiederbespannung des Luppe-Wildbetts am Wehr Kleinliebenau II, die schon umgesetzt ist. Der Ersatzneubau Wehr Kleinliebenau II wurde vom September 2020 bis Juli 2022 gebaut und erlaubt Einströmen aus der Neuen Luppe in das Luppe Wildbett in Richtung Sachsen-Anhalt. (Umsetzung der WRRL durch bedarfsgerechte Wasserverteilung und Verbesserung der Wasserqualität mittels Verdünnung des salzhaltigen Überschusswassers aus den Tagebaurestseen Merseburg-Ost in Sachsen-Anhalt in den OWK Luppe)

– Gesteuerte, ökologische Flutung Wehr Kleinliebenau II – in Planung, Nutzung von Hochwässern aus der Neuen Luppe für gesteuerte Flutung von Naturschutzgütern nach FFH-Richtlinie im Nahle-Luppe-Auenpolder über das Wehr Kleinliebenau II.

– Dynamische Wiederbespannung von Altläufen in der nordwestlichen Elster-Luppe-Aue – in Planung, gezielte Auwaldflutung durch minimalinvasive bauliche Maßnahmen, Initiierung Ausuferung am linken Ufer der Weißen Elster in Höhe Hänicher Mühle und Durchströmung Lebensraumtyp Weichholzaue, aueninterne Verbindung von Gewässeraltläufen, Rinnen und Senken.

– Kompensationsmaßnahme Grün 1.1 am Leipziger Pfingstanger im Nahle-Luppe-Auenpolder wird derzeit von der LTV in Abstimmung mit der Stadt Leipzig vorbereitet; Ziel ist die naturschutzfachlich hochwertige Renaturierung einer Auenwiese mit eingeschlossenem Feuchtbiotop.

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