Binnen- und Küstenfeuchtgebiete sind weltweit drastisch zurückgegangen. Teilweise sind sie – wie das Gebiet der Leipziger Elster-Luppe-Aue – schon seit Jahrzehnten vom Wasser abgetrennt und trocknen immer weiter aus. Dies hat negative Folgen für Mensch und Natur, da durch den Verlust Treibhausgase freigesetzt werden und Potenzialflächen für die Anpassung an Klimawandelfolgen verloren gehen. Höchste Zeit, den Wert der einstigen Feuchtgebiete wieder zu begreifen.

Eine Publikation des Bundesamts für Naturschutz (BfN) unter Beteiligung von Forschenden des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung (UFZ) beleuchtet nun die Rolle von Flussauen und Küstenfeuchtgebieten für Biodiversitätsschutz, Klimaschutz und Klimafolgenanpassung in Europa.

Das Thema steht auch im Fokus der fünften Europäischen Fachkonferenz zu Biodiversität und Klimawandel, die vom 26. bis 28. September 2023 in Bonn stattfindet.

Massive Verluste in den vergangenen 50 Jahren

Zwischen 1970 und 2015 gingen Binnen- und Küstenfeuchtgebiete weltweit um etwa 35 Prozent zurück. Durch diesen Verlust werden Treibhausgase freigesetzt, die den Klimawandel beschleunigen, und es gehen Flächen verloren, die potenziell für die Klimafolgenanpassung infrage kommen. Doch Flussauen und Küstenfeuchtgebiete sind lebenswichtige Ökosysteme für Natur und Menschen: Sie leisten unverzichtbare Beiträge zum menschlichen Wohlbefinden, zum Erhalt der biologischen Vielfalt und zum natürlichen Klimaschutz.

Zudem gelten sie als Hotspots der Biodiversität und stellen vielfältige Ökosystemleistungen wie Klimaregulierung, Kohlenstoffbindung, Hochwasserschutz, Wasserfiltration, Nahrungsmittelversorgung, Naherholung und Naturtourismus bereit.

„Um den Rückgang der Feuchtgebiete in Europa aufzuhalten und ihre Widerstandsfähigkeit gegenüber dem Klimawandel zu stärken, besteht dringender Handlungsbedarf“, sagt der UFZ-Auenökologe Dr. Mathias Scholz.

Ein Hintergrundpapier

Den aktuellen Kenntnisstand aus Wissenschaft, Politik und Praxis hat ein Team von Forschenden aus ganz Europa nun in einem BfN-Hintergrundpapier zusammengefasst. Deutlich wird dabei, dass bei der Renaturierung von Feuchtgebieten bereits beachtliche Erfolge erzielt wurden, wie zum Beispiel in der Camargue in Frankreich, im Ebro-Delta in Spanien oder durch die großflächigen Deichrückverlegungen an der Mittleren Elbe in Sachsen-Anhalt (Lödderitz) oder in Brandenburg (Lenzen).

Allerdings gibt es immer noch grundlegende Herausforderungen. Dazu zählen etwa konkurrierende Landnutzungsinteressen, die mangelhafte Um- und Durchsetzung von Rechtsvorschriften sowie erhebliche Finanzierungslücken.

Ute Susanne Kaden, UFZ-Auenökologin und eine der Leitautorinnen der Publikation, betont: „Natürlich bestehen viele Herausforderungen, aber zugleich liegen auch zahlreiche Handlungsoptionen für eine wirksame Wiederherstellung von Flussauen und Küstenfeuchtgebieten in Europa auf dem Tisch.“

Um diese Lebensräume effektiv zu schützen, müsse eine breite Palette von Instrumenten angewendet werden. Dazu gehören politische Reformen wie die Einführung der neuen EU-Verordnung zur Wiederherstellung der Natur, der Einsatz neuer Landmanagementinstrumente, innovative Technologien für Planung und Kontrolle sowie eine bessere Einbeziehung aller Akteure durch soziale und organisatorische Instrumente.

„Vor allem die Integration der lokalen Bevölkerung mit ihrem lokalen Wissen und ihrer Erfahrung kann eine entscheidende Rolle spielen, um Feuchtgebiete wiederherzustellen, zu erhalten und nachhaltig zu managen“, sagt Leitautor Mathias Scholz.

Grundlage für die Fachkonferenz

Die Publikation liefert zudem die Hintergrundinformationen und eine Wissensgrundlage für die Europäische Fachkonferenz „Riverine and coastal wetlands for biodiversity and climate – Linking science, policy and practice“, die vom Bundesamt für Naturschutz gemeinsam mit dem Europäischen Netzwerk der Leitungen der Naturschutzämter (ENCA) vom 26. bis 28. September 2023 in Bonn ausgerichtet wird.

Ziel der Fachkonferenz ist, europäische Expertinnen und Experten aus Wissenschaft, Politik und Praxis zu vernetzen, den Wissens- und Erfahrungsaustausch zu fördern und das Schwerpunktthema gemeinsam weiterzuentwickeln. Die Konferenz trägt damit auch zur Umsetzung des internationalen Übereinkommens über Feuchtgebiete, der Ramsar-Konvention, bei. Eine Anmeldung zur Teilnahme an der Fachkonferenz ist über die Konferenzwebseite möglich.

Publikation: Kaden, U. S., Scholz, M., Buijse, A.D., Cvijanović, D., Froese, I., Diack, I., Duffield, S., Ibáñez, C., Jähnig, S. J., Januschke, K., Ludewig, K., Marsden, K., Müller, P., Rodríguez-González, P. M., Stadler, J.,Schulz-Zunkel, C., Stammel, B., Wantzen, K.M., Weber, A., Wulf, S., Zak, D. & Bonn, A. (2023): Riverine and coastal wetlands in Europe for biodiversity and climate. State of knowledge, challenges and opportunities.

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