Am 30. Oktober 2019 beschloss der Leipziger Stadtrat die Ausrufung des Klimanotstands und bekannte sich damit zu einem verantwortungsvollen lokalen Engagement gegen den globalen Klimawandel. Eine damit einhergehende Maßnahme war die Einrichtung eines Klimaschutzbeirats. Dieser soll den Klimaschutz in der Stadt Leipzig unterstützen, mit dem Ziel, bis zum Jahr 2040 Klimaneutralität zu erreichen. Durch den Beirat soll das vor Ort vorhandene Engagement und Wissen im Bereich Klimaschutz genutzt werden. Aber er ist zahnlos.

Die Wirkung des Beirats auf das Verwaltungshandeln beschränkte sich bisher allerdings lediglich auf die Beratung ohne das Recht auf eigene Anträge. Auch die Tagesordnungspunkte seiner Sitzungen konnte der Beirat bisher nicht selbst festlegen.

Antrag: Klimaschutzbeirat erweitern und stärken

Mit einem gemeinsamen Antrag wollen die Fraktionen Die Linke, Bündnis 90/Die Grünen und SPD den Leipziger Klimaschutzbeirat erweitern und dem Gremium mehr Handlungsspielraum geben. Dementsprechend soll die Hauptsatzung der Stadt Leipzig vom Dezember 2022 so überarbeitet werden, dass der Klimaschutzbeirat nach § 47 der Sächsischen Gemeindeordnung eingerichtet wird. Laut § 38 Abs. 1 k) Satz 3 der Geschäftsordnung der Ratsversammlung der Stadt Leipzig, ebenfalls vom Dezember 2022, soll die Zusammensetzung der sachkundigen Einwohner/-innen per separatem Beschluss geregelt werden.

Der Antrag von Linken, Grünen und SPD zum Klimabeirat.

Durch den Beschlussvorschlag wird die Vertretung der Leipziger Umwelt- und Klimagruppen gestärkt, ebenso wie die der wissenschaftlichen Institutionen, welche bislang schon dem erweiterten Beirat „Nachhaltiges Leipzig“ angehörten. Die L-Gruppe und die LWB sollten als kommunale Unternehmen, die maßgeblichen Einfluss auf Klimaschutzmaßnahmen in der Stadt haben, ebenfalls im Klimaschutzbeirat vertreten sein, genauso wie das Landesamt für Schule, da Bildung und Aufklärung ein ganz wesentliches Instrument des Klimaschutzes sind.

Neuhaus: Sitzungen verkommen oft zum Kaffeekränzchen

Auch privatwirtschaftliche Unternehmen sollen über Vertretungen von IHK und Handwerkskammer eingebunden werden. Zuletzt können Vertreterinnen und Vertreter privater Unternehmen als beratende Mitglieder hinzugezogen werden.

Dazu erklärt Michael Neuhaus, Sprecher für Umwelt der Fraktion Die Linke im Stadtrat: „Der Klimaschutzbeirat ist das Scharnier zwischen Klimabewegung und Stadtpolitik. Die Tür allerdings klemmt. Mit dem Klimanotstand hat der Oberbürgermeister Klimaschutz zur Chefsache erklärt und den damals neu gegründeten Klimaschutzbeirat direkt bei sich angesiedelt. Was sicher gut gemeint war, hat sich als unpraktisch erwiesen: Der Sitzungsturnus ist zu starr, die Zeit zu knapp und die Themen, da keine Anträge und Vorlagen beraten werden, oft zu allgemein, sodass die Sitzungen zu Erzählrunden und Kaffeekränzchen verkommen.“

Und natürlich geht es ihm darum, dass dieser Beirat wirklich Impulse setzen kann, Leipzig klimaneutral zu machen: „Mit dem vorgelegten Vorschlag für die Besetzung des Beirates, der gemeinsam mit der Klimabewegung entstanden ist, wollen wir Tür aufstoßen und einen schlagkräftigen Beirat installieren. Denn eines ist klar: Ohne die Klimabewegung hätte es weder einen Klimanotstand noch ein Sofortmaßnahmenprogramm Klimaschutz gegeben.“

Zivilgesellschaft und Fachkompetenz

Jürgen Kasek, klimapolitischer Sprecher der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, ergänzt: „Insbesondere die Einbeziehung der Zivilgesellschaft und der Fachkompetenz der vielen Umweltgruppen und -vereine ist Voraussetzung dafür, dass der Klimaschutzbeirat wirksam arbeiten kann, auch um die Akzeptanz in der Bevölkerung für Klimaschutzmaßnahmen zu stärken.“

Und Prof. Dr. Getu Abraham, umweltpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion erklärt: „Der Klimaschutzbeirat soll die Arbeit der Stadt und des Stadtrates unterstützen, um die gesetzten Klimaschutzziele zu erreichen. Dazu wollen wir im Beirat die Expertise von verschiedenen Akteuren nutzen, u. a. von Umweltverbänden, Klimagruppen, Gewerkschaften und klimarelevanten Forschungsinstituten.“

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Es gibt 2 Kommentare

Daß der im Text, liebe Redaktion, als “Klimaschutzbeirat” bezeichnete Kreis sich nach Aussage des Abgeordneten Neuhaus in Zusammenkünften manifestiert, die er als “Erzählrunden und Kaffeekränzchen” bezeichnet, muß uns wundern?

Ich habe mal ins Ratsinformationssystem geguckt und den Stadtratsbeschluß vom 30.9.2019 rausgekramt (s.u.), den wir immer wieder als “Ausrufung des Klimanotstands” genannt bekommen (den zugrundeliegenden Antrag des damals als Einreicher aufgetretenen “Jugendparlaments/Jugendbeirats”, der sich davon unterscheidet, findet man auch im Archiv).

Unter Punkt 4 steht hinsichtlich des Beirats was von “Ausgestaltung und Kommunikation zukünftiger Ziele und Maßnahmen im Energie- und Klimaschutzprozess”. Was wäre denn eine Ausgestaltung von Zielen und Maßnahmen, um mal stückweise zu verstehen, was der Beirat eigentlich machen soll? Auch noch zukünftiger Ziele! Und gibt es einen Energieschutzprozeß? Sie mögen bitte nicht finden, ich wolle ausdrücklich Wortklauberei betreiben, aber wenn in dem heiligen Stadtratsbeschluß so eine Watte steht, dann muß der Beirat zum Kaffeekranz mutieren! Daß der Abgeordnete Neuhaus äußert “Der Klimaschutzbeirat ist das Scharnier zwischen Klimabewegung und Stadtpolitik.” deutet mir zudem darauf hin, daß bisher auch stark am Beirat vorbeigearbeitet wird, denn die Klimabewegung hat doch auch bisher unübersehbaren Zugung zur Stadtpolitik.

Hier die Ausrufung des Klimanotstandes vom 30.9.2019, ich könnte mir vorstellen, daß dieser maßgebliche Text, in dem zentral drinsteht, die Stadt möge bis zum Jahr 2050 klimaneutral werden, auch sonst ganz nützlich ist, die gegenwärtigen Aktivitäten, ich denke nur an die Fundamentalrede des OBM Jung am 17.5.2023, einzuordnen.

“Beschluss:

1. Die Stadt Leipzig, welche für sich eine Vorreiterrolle im Klimaschutz beansprucht, ruft den Klimanotstand aus und bekennt sich damit zu einem verantwortungsvollen Engagement gegen die wissenschaftlich belegte und fortschreitende globale Erderwärmung. Vorrangiges Ziel ist es, die negativen Auswirkungen auf das Weltklima auch auf lokaler Ebene so gering wie möglich zu halten und wirksame Maßnahmen zur Verringerung von Treibhausgasemissionen in den verschiedenen Sektoren aktiv zu fördern.

2. Die Stadt Leipzig verfolgt die ambitionierte Zielsetzung, bis spätestens 2050 den Zustand der Klimaneutralität zu erreichen und damit ihrer originären Verantwortung für die Lebensgrundlagen heutiger und künftiger Generationen gerecht zu werden. Hierzu wird das Energie- und Klimaschutzprogramm mit kurzfristigen, mittelfristigen und langfristigen Maßnahmen fortgeschrieben Unter anderem ist ein Konzept zur klimaneutralen Verwaltung 2035 bis zum 4. Quartal 2020 vorzulegen. Die Ergebnisse der jeweiligen Umsetzung (hier: des Fernwärmekonzeptes!) sind zudem im Rahmen der Erstellung eines Planes zur grundsätzlich anzustrebenden klimaneutralen Strom- und Wärmeversorgung der Stadt Leipzig möglichst schon im Jahr 2040, spätestens jedoch bis 2050 (Pariser Klimaschutzabkommen), bis zum 4.Quartal 2024 entsprechend zu berücksichtigen.

3. Bei allen städtischen Entscheidungen sind damit der Klimaschutz sowie der Schutz der Bevölkerung vor den Folgen des Klimawandels prioritär zu beachten. Die beantragte Vorlagenprüfung hinsichtlich der abschätzbaren Klimawirkungen erfolgt innerhalb der Vorlagensystematik sowie im strategischen Zielsystem des Integrierten Stadtentwicklungskonzeptes Leipzig 2030 (INSEK) unter besonderer Berücksichtigung der Sozialverträglichkeit. Die abschätzbare Klimawirkung einer Vorlage ist so darzulegen, dass die Folgen und ihre Ausmaße im Falle eines Beschlusses ersichtlich werden. Hierzu wird seitens der Verwaltung ein Vorschlag bis zum II. Quartal 2020 vorgelegt, der sich an dem derzeit in Erarbeitung befindlichen Vorschlag des Deutschen Städtetages (DST) orientiert.

4. Zur Ausgestaltung und Kommunikation zukünftiger Ziele und Maßnahmen im Energie- und Klimaschutzprozess wird der bestehende Beirat des Forums Nachhaltiges Leipzig beratend einbezogen und um FraktionsvertreterInnen, Mitglieder des Jugendparlamentes sowie externe Fachleute aus Umweltverbänden und -vereinen erweitert.

5. Die städtischen Eigenbetriebe und Beteiligungsunternehmen sind aufgefordert, auf eine noch stärkere Berücksichtigung klimaschutzrelevanter Aspekte und Aktivitäten im Rahmen ihrer Geschäftspolitik hinzuwirken (u. a. Nachhaltigkeitskriterien für Finanzanlagen). Eine Information über relevante Projekte und Maßnahmen erfolgt im Zuge der Berichterstattung zur Umsetzung von unternehmens- bzw. betriebsspezifischen Eigentümerzielen in den jeweiligen Gremien.

6. Der Oberbürgermeister berichtet weiterhin im jährlichen Umsetzungsbericht „Europäische Energie- und Klimaschutzkommune” über den Sachstand der Klimaschutzaktivitäten der Verwaltung, ihrer Eigenbetriebe und Beteiligungsgesellschaften. Dieser Bericht wird im Vorfeld einer ab 2020 geplanten, jährlichen klimapolitischen Stunde der Ratsversammlung vorgelegt. Der Umsetzungsbericht für 2018 wird den Gremien noch vor der Sommerpause 2020 zusammen mit einem Sofortmaßnahmenprogramm und einer zukünftigen Prioritätenliste von Maßnahmen zur Erreichung der Klimaschutzziele (u. a. unter Berücksichtigung des Flughafens Leipzig/Halle) zur Verfügung gestellt. Zudem wird die Klimaanpassungsstrategie der Stadt Leipzig weiterentwickelt sowie fortgeschrieben und im Rahmen des Umsetzungsberichtes dem Stadtrat zur Kenntnis vorgelegt. Darüber hinaus führt die Stadt Leipzig ein Klimaschutz-Monitoring ein, mit dem Fortschritte oder Rückschritte privater und öffentlicher Maßnahmen beim Klimaschutz messbar gemacht werden.

7. Der Oberbürgermeister wird beauftragt, sich als Präsident des Deutschen Städtetags für eine ambitionierte Klimaschutzpolitik auf Bundesebene einzusetzen, die sich an den verbindlichen Zielvereinbarungen des Pariser Klimaabkommens von 2015 orientiert.

8. Der Oberbürgermeister wird beauftragt, den Fortschreibungsprozess des aktuellen Energie- und Klimaschutzprogramms zu nutzen, um Maßnahmenpakete zur wirksamen Reduzierung von Treibhausgasemissionen in allen klimarelevanten Sektoren hinsichtlich der Zielerfüllung der Klimaschutzziele 2030 zu bündeln und zu bewerten. Die Bewertung wird dabei von dem in Punkt 4 genannten erweiterten Beirat vorgenommen, welcher zugleich Maßnahmen vorschlagen kann. Die Eckpunkte des Energie- und Klimaschutzprogramms 2030 werden der Öffentlichkeit im Frühjahr 2020 auf der dritten Leipziger Klimakonferenz präsentiert und zur Diskussion gestellt. Bis dahin werden auch künftige Anreiz- und Förderimpulse aus der Klimaschutzgesetzgebung von Landes- und Bundesebene in die Maßnahmenausrichtung einfließen.

9. Der Oberbürgermeister wird beauftragt zur Erfüllung der verschiedenen Aufgaben, die im Rahmen des Klimanotstandes zu bearbeiten sind, den Stellenplan der Klimaschutzleitstelle anzupassen und zu einem eigenen Referat für Themen der Nachhaltigkeit (u. a. Klimaschutz und Klimaanpassung) innerhalb der Stadt zu entwickeln und dem Stadtrat bis zum 31.03.2020 einen Vorschlag vorzulegen.

10. Die Anschaffung von Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor auf Basis fossiler Energieträger in der Stadtverwaltung, den Eigenbetrieben und den Beteiligungsunternehmen bei denen die Stadt die zur Durchsetzung erforderliche Mehrheit der Anteile hält, wird ab sofort eingestellt. Über Ausnahmen entscheidet der Stadtrat.

11. Auf Dienstreisen mit Verkehrsmitteln mit Verbrennungsmotor auf Basis fossiler Energieträger in der Stadtverwaltung, den Eigenbetrieben und den Beteiligungsunternehmen, bei denen die Stadt die zur Durchsetzung erforderliche Mehrheit der Anteile hält, wird ab sofort verzichtet. Über Ausnahmen entscheidet in der Stadtverwaltung der Oberbürgermeister sowie die Bürgermeister, in den Eigenbetrieben die Eigenbetriebsleitung und in den Beteiligungsunternehmen die Geschäftsführung des Unternehmens, an dem die Stadt unmittelbar beteiligt ist. Der durch die im Ausnahmefall genehmigten Dienstreisen entstandene CO2-Ausstoß ist durch geeignete Maßnahmen zu kompensieren. Dem Stadtrat ist über die Ausnahmen und die Art der Kompensation unter Beifügung einer Begründung für jeden Einzelfall (ggf. nichtöffentlich) zu berichten.”

Und auch hier zeigt sich, dass das Dezernat falsch besetzt ist. Es beantragt erneut die Fraktion, was der Genosse Rosenthal und sein Klimaschutzreferat von allein hätte ändern sollen – vor Jahren schon.

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