Pläne für ein „Wohnpalais Holbein 6a“ sorgen in Schleußig für Aufregung. Denn dieses Wohnpalais soll auf einem Gewässerrandstreifen direkt an der Weißen Elster errichtet werden, auf dem nach dem Sächsischen Wassergesetz eigentlich nichts gebaut werden darf. Und Anwohner befürchten möglicherweise zu Recht, dass auch dieses Bauprojekt von der Stadt genehmigt wird. Zwei Einwohneranfragen bringen das Ganze jetzt zur Sprache.

„Für einen Luxusbau soll direkt am Ufer der Weißen Elster eine große Zahl an Bäumen und Sträuchern gerodet werden. Ich finde das empörend und möchte wissen, warum so etwas in Zeiten des Klimanotstands noch genehmigt wird“, meint Dirk Matscheroth in seiner Einwohneranfrage, in der er das schildert, was bis jetzt über das Projekt bekannt geworden ist.

„Der geplante Neubau des ‚Wohnpalais Holbein 6a‘ soll zwischen dem Haus Holbeinstr. 6 und der Weißen Elster entstehen. Hier befindet sich derzeit ein Wiesengrundstück mit Baumbestand. Die Fläche soll komplett bis an den Uferrand überbaut werden, alle Gehölze dafür gefällt.

Mit mehr als 100 m² Geschossfläche und großen umrandenden Balkonen wird das Gebäude eine Fläche einnehmen, die größer ist als die des Vorderhauses und der benachbarten Häuser. Ein Gebäude dieser Größe wird erhebliche Auswirkungen auf das Erscheinungsbild der Umgebung haben. Vom Wasser aus fällt der Blick dann auf einen weiteren Betonklotz statt auf ein grünes Ufer.“

Fragen über Fragen

Da steht für ihn eine Frage ganz zuallererst im Raum: „Die Stadt Leipzig setzt auf sanften und naturnahen Wassertourismus. Warum darf gerade dort, wo sich an Sommertagen hunderte Besucher und Erholung Suchende mit Booten tummeln, derartig das Ufer verschandelt werden?

Unterfrage: Das Baugebiet liegt im Geltungsbereich der Erhaltungssatzung Schleußig. Wie ist ein Neubau solcher Größe und optischer Wirkung mit dem Erhaltungsgrund der Satzung vereinbar: ‚Erhalt der städtebaulichen Eigenart des Gebiets aufgrund seiner städtebaulichen Gestalt‘?

Unterfrage: Flussufer haben einen hohen ökologischen, touristischen und Erholungswert. Was unternimmt die Stadt Leipzig, um ihre Flussufer vor zunehmender Bebauung zu schützen? Diese Frage bezieht sich nicht nur auf die freie Landschaft, sondern besonders auf den städtischen Innenbereich.“

Das Sächsische Wassergesetz

Nach Sächsischem Wassergesetz dürfen Flussufer überhaupt nicht bebaut werden. Dort heißt es in § 24: „Die Ufer der Gewässer einschließlich ihres Bewuchses sind zu schützen.“ Was vor allem heißt, dass in bebauten Ortschaften auf einem fünf Meter breiten Gewässerrandstreifen „die Errichtung von baulichen und sonstigen Anlagen, soweit sie nicht standortgebunden oder wasserwirtschaftlich erforderlich sind“, verboten ist.

Ein Grundsatz, der bei so manchem Bauprojekt im Leipzig nur zu gern ignoriert wird. Es geht dabei um Uferstabilität und die Durchflussfähigkeit bei Hochwasser.

Aber auch Elke Thiess vom Arbeitskreis Natur- und Artenschutz beim BUND Leipzig hat so ihre Fragen zur Holbeinstraße 6 a.

„Nach unserer Kenntnis sind von der beabsichtigten Bebauung ca. 500 m² unversiegelte Fläche zzgl. 25 m Gewässerrandstreifen inkl. umfangreichem Baum- und Gehölzbestand betroffen (23 Starkbäume auf dem Baugrundstück sowie Gehölze auf Nachbargrundstücken und Straßenbäume im Zufahrtsbereich)“; stellt sie fest.

„Laut Planunterlagen greift die Bebauung mit Tiefgarage in den Gewässerrandstreifen zur Weißen Elster ein. Als Gewässerrandstreifen gelten gemäß § 38 (3) des Gesetzes zur Ordnung des Wasserhaushalts (Wasserhaushaltsgesetz WHG) i. V. mit § 24 (2) SächsWG die zwischen Uferlinie und Böschungsoberkante liegenden Flächen sowie die hieran landseits angrenzenden Flächen. Letztere in einer Breite von 5 Metern. Nach § 24 (3) Ziffer 2 SächsWG ist auf dem Gewässerrandstreifen u. a. die Errichtung von baulichen und sonstigen Anlagen, soweit sie nicht standortgebunden oder wasserwirtschaftlich erforderlich sind, grundsätzlich verboten.

Eine Befreiung vom wasserrechtlichen Verbot ist nur bei unbilliger und offensichtlich nicht beabsichtigter Härte und bei Vereinbarkeit mit dem Wohle der Allgemeinheit möglich.“

Wird also wieder das eine Amt erlauben, was das andere Amt strikt untersagen müsste?

Was wird aus Baum- und Artenschutz?

„Der betreffende Uferbereich der Weißen Elster bedarf aufgrund der Gewässersituation (hohe Frequentierung durch Wassersport und Tourismus) dringend des Erhalts und einer Verbesserung der ökologischen Funktionen“, merkt Elke Thiess an und fragt: „Warum ist hier ein Eingriff in den Gewässerrandstreifen nötig und wie kann dieser durch Planänderung – auch während der Bauphase – vermieden werden (Vermeidungsgebot des § 15 BnatSchG)?“

Und besonders interessiert sie natürlich: „Hat die zuständige Wasserbehörde eine Befreiung vom Eingriffsverbot gem. § 38 (5) WHG erteilt und ist diese Befreiung Teil der Baugenehmigung? Falls ja, welche Begründung und welche Auflagen beinhaltet diese?

Wurde die geplante Rodung des umfangreichen Baumbestands (23 Bäume) im Sinne der Leipziger Baumschutzsatzung sowie ggf. bestehender anderer Schutzvorschriften (z. B. § 38, Abs. 4 Punkt 2 WHG) genehmigt und welche Auflagen zu Ersatzpflanzungen wurden erteilt? Wann und wo werden diese durchgeführt?

Wegen des Umfangs der betroffenen Gehölze sowie dem direkten Eingriff in ufernahe Lebensräume ist vom Vorhandensein geschützter Tierarten bzw. deren Fortpflanzungs- und Ruhestätten auszugehen. Welche Maßnahmen zum Artenschutz wurden in der Baugenehmigung beauflagt, um Zugriffsverbote gem. § 44 (1) BNatSchG zu vermeiden? Wie wird die Einhaltung der Auflagen kontrolliert?“

Wobei natürlich von Artenschutz nicht mehr die Rede sein kann, wenn so massiv in den Uferbereich eingegriffen werden sollte. Jetzt ist die Stadt am Zug, dazu ein paar klare Antworten zu geben.

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Es gibt 6 Kommentare

Weder untere Naturschutzbehörde noch untere Wasserbehörde dürften einer solchen Bebauung eigentlich zustimmen, denn es gibt eine Alternative einer Bebauung, die den Uferstreifen nicht tangiert. Bestimmte Abstriche sind bei einer Bebauung hinzunehmen, wenn andere öffentlich Belange, in diesem Falle der Schutz des Uferstreifens und der Artenschutz, relevant sind. Und die sind es sogar in besonderem Maße! Ich schrieb “eigentlich”: Leider ist bekannt, dass das Amt für Umweltschutz es mit den rechtlichen Bestimmungen nicht allzu ernst ist, wenn die Investoren auf der Matte stehen, i.a. unterstützt durch das Bau- und Stadtplanungsamt. Insofern bin ich nicht allzu optimistisch, dass nicht auch der letzte Gehölzstreifen an der Stadtelster zerstört werden wird…Hier ist sehr viel Kohle im Spiel… Einer Aussage im Artikel muss ich allerdings widersprechen: Nein, die Stadt Leipzig setzt nicht auf sanften und naturnahen Wassertourismus. Das zeigt ja schon die Weiterentwicklung des sog. WTNK, über das Massentourismus an möglichst allen Gewässern implementiert werden soll (100 Einzelprojekte…) und sogar wieder Motorboote im Floßgraben ermöglicht werden sollen.

@Alex
vielen Dank für den Link.
Wenn das Gebäude etwas näher zum Vorderhaus rückt, wird zwar der Hof kleiner, aber es steht dann auch in einer Reihe mit den Nachbargebäuden.
Optisch ist das Projekt etwas arg wuchtig, aber passt sich in die Umgebung ein. Es dürfte der Stadtverwaltung somit auch schwer fallen rechtlich dagegen vorzugehen. Der große Hebel ist §9 SächsBO. Ist das erfüllt, kann man im Prinzip auch als Genehmigungsbehörde nicht viel dagegen unternehmen.
https://www.revosax.sachsen.de/vorschrift/1779-SaechsBO#t3abs1
Für den Gehölzbestand wird man einen Ausgleich festlegen. Das ist alles nicht schön. Die rechtlichen Möglichkeiten sind allerdings stark begrenzt, da der Gesetzgeber das Bauen ermöglichen und nicht verhindern möchte.

@backblech
Da hat sich seit dem Abgang der Abteilungsleiterin Fuchs sehr viel getan und auch der OBM ist nicht mehr so dicke mit der Immobilienbranche – nicht nur, weil sie den Gegenkandidaten aktiv unterstützt haben.

Ist das dieser Weg zu bezahlbarem, nachhaltigem Wohnraum im Einklang mit der Erhaltung vorhandener Grünflächen der Stadtverwaltung Leipzig von dem immer alle reden ?

Abgesehen davon sieht man gegenüber bei dem alles verschandelnden Betonklotz der Nonnenstrasse 13, den man mit erheblichen Eingriffen in die Uferstabilität und anscheinend kompletter Ignoranz geltenden Bau- und Wasserrechts mit städtischer Billigung dort eingequetscht hat, was das mit sich bringt, nur um ein paar weitere für die meisten nicht bezahlbare und flächenmäßig für eine Großfamilie ausreichenden Lofts zu verkaufen, die dann meistbietend vermietet werden.

Dort gibt’s nun einen eigenen, natürlich nur für die paar Bewohner zugänglichen Beton-Hafen ohne jegliches Grün, der weder den Namen verdient noch irgendeinen Mehrwert für die Allgemeinheit oder den Wassertourismus erzeugt.

Bevor dieses zweifelhafte Bauwerk dort entstanden ist, haben sogar mal Schwäne am Ufer gebrütet und ihre Jungen aufgezogen.
Jetzt schwimmt an diesem toten Betonufer nur noch Müll.

Abgesehen von der erneuten Zerstörung der Flora und Fauna durch einen Bau diesen Ausmaßes wäre das ein weiterer erheblicher Eingriff in die Ufergestaltung und nach dem über Jahre laufenden Bau der Nonnenstrasse 13 die nächste Nervenprobe für die Anwohner und dort ansässige Gastronomie wie den Heimathafen und das DaVito.

Vollkommen bekloppt🤯

Am Ende wird es genehmigt, der Immobilien-Politik-Filz in Leipzig wird es schon richten (InStone, CG, … und die Stadtverwaltung).

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