Vom 30. Mai bis zum 3. Juni 2022 war Leipzig die erste deutsche Gastgeberstadt der World Canals Conference mit insgesamt 340 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus vier Kontinenten und 19 Ländern, die auch deshalb in die Region kamen, um den Landschaftswandel von der Braunkohle-Bergbau-Region zur Gewässerlandschaft „Leipziger Neuseenland“ mit eigenen Augen zu sehen. Kanäle inbegriffen. Auch wenn die Kanalprojekte im Neuseenland derzeit gerade allesamt stocken. Aus gutem Grund.

Als eines der Resultate der Weltkonferenz ist das „Leipziger Logbuch“ entstanden – „ein Positionspapier für eine zukunftsweisende Gestaltung von Binnenwasserwegen“, wie es die Steuerungsgruppe Leipziger Neuseenland bezeichnet. Die sich seit einigen Jahren auf dem Abstellgleis ruhiggestellt sieht, weil die Zeit der einfach mal so umgesetzten Gewässerprojekte vorbei ist.

Da verwundert es nicht, dass die Steuerungsgruppe hofft, mit dem „Leipziger Logbuch“ wieder mehr Druck auf die Gremien aufbauen zu können:

„Basierend auf über 90 internationalen Fachbeiträgen, die auf der World Canals Conference in Leipzig gehalten wurden, beinhaltet das Leipziger Logbuch insgesamt 10 Thesen zur integrierten Entwicklung von Flüssen, Seen und Wasserwegen. Diese sollen Vertreterinnen und Vertreter aus Politik und Verwaltung sowie Entscheidungsträger/-innen, Verantwortliche und weitere engagierte Akteuren als Handreichung dienen.“

Stagnation soll kein Dauerzustand sein

Natürlich geht es um Geld. Mittlerweile in Millionendimensionen, die die zur Verfügung stehenden Bergbaureparaturmittel weit übersteigen.

Der Appell ist deutlich, wenn die Steuerungsgruppe, in der auch das Leipziger Umweltdezernat vertreten ist, artikuliert:

„Führt das Leipziger Logbuch mit seinen Thesen auch einen großen Teil der Ergebnisse der Veranstaltung zusammen, besteht auch darüber hinaus, der Anspruch und das Bestreben der beteiligten Institutionen und Akteure, die auf der Tagung zusammengeführten Informationen in passender Form in die politische Sphäre und in deren Handlungspraxis zu implementieren.“

Aktuelles Sorgenkind: der Störmthaler Kanal mit der Kanuparkschleuse. Foto: Sabine Eicker
Aktuelles Sorgenkind: der Störmthaler Kanal mit der Kanuparkschleuse. Foto: Sabine Eicker

Und dass die Bewerbung um die WCC auch deshalb erfolgte, um den Druck in heimischen Gefilden zu erhöhen, bestätigt das Umweltdezernat auch, wenn es artikuliert:

„In diesem Zusammenhang wurden auch auf der Konferenz, die vollbrachten Erfolge wie auch die nach wie vor bestehenden Herausforderungen im Leipziger Neuseenland thematisiert. Ein klares Signal der WCC war, dass die bestehende derzeitige Stagnation kein Dauerzustand sein darf. Mit der positiven Energie und dem bestehendem wie gewonnenen fachlichen Know-How sollen weitere Projekte umgesetzt werden.“

Was eindeutig ein Appell an alle Instanzen, die Geld zu vergeben haben, ist, die Traumprojekte im Leipziger Neuseenland weiter zu finanzieren.

Auch wenn sie sich – wie der Harthkanal – zum Albtraumkanal entwickelt haben. Wollte man hier einmal mit 10 Millionen Euro einen auch für Fahrgastschiffe befahrbaren Kanal bauen, haben sich die prognostizierten Kosten mittlerweile auf 150 Millionen Euro ausgewachsen.

Lebensqualität durch Kanalbau?

Doch unbeirrt meint das Leipziger Umweltdezernat:

„Hierbei handelt es sich nicht lediglich um weitere Maßnahmen zum Ausbau des touristischen Gewässerverbundes und zur damit einhergehenden Sicherung der Lebensqualität und wirtschaftlichen Entwicklung der gesamten Region, sondern auch um Projekte zur Überschusswasserableitung aus den Tagebaufolgeseen zur Sicherung des Hochwasserschutzes. Bestehende Unsicherheiten – beispielsweise hinsichtlich der klimatischen wie strukturellen Rahmenbedingungen – sollen diese Entwicklung nicht hemmen, sondern vielmehr motivieren.“

Und auch ein anderes Projekt um 100-Millionen-Euro-Segment wollen die Mitglieder der Steuerungsgruppe nicht aufgeben: den Ausbau des Elster-Saale-Kanals bis zur Saale.

„Besonderes Interesse hat bei den Konferenzteilnehmern der unvollendete Saale-Leipzig-Kanal hervorgerufen. Dieser war mitsamt seiner Schleusenruine in Wüsteneutzsch gleich zweimal das Ziel von Exkursionen und mehrere Fachbeiträge widmeten sich der Historie wie auch möglicher Perspektiven des Kanals. Hinzukommend wurden im Rahmen eines in Kooperation mit der TU Dresden durchgeführten studentischen Wettbewerbs erörtert, wie entweder eine zukünftige Umnutzung der Schleusenruine aussehen könnte bzw. wie eine Schiffhebeanlage zur Überbrückung des Höhenunterschieds zwischen der Elster und Saale nicht nur aussehen, sondern auch funktionieren könnte“, fasst es das Umweltdezernat zusammen.

„Wichtigste Erkenntnis hinsichtlich der Klärung des historischen Erbes des Saale-Leipzig Kanals und zum weiterem Umgang mit diesem war, dass Gespräche zwischen Bund, Ländern, Kommune, Unternehmen und weiteren involvierten Institutionen zeitnah erforderlich sind. Darauf aufbauend können potenzielle Zweckverbände und länderübergreifende Arbeitsgemeinschaften gegründet werden.“

Man macht also einfach weiter bei einem „wassertouristischen Projekt“, dessen Nutzen wirtschaftlich nicht darstellbar ist. Der auch nichts mit der „Sicherung der Lebensqualität und wirtschaftlichen Entwicklung der gesamten Region“ zu tun hat.

Dabei scheitern diese Großprojekte oft schon allein am instabilen Untergrund, wie er derzeit am Störmthaler Kanal für Komplikationen sorgt. Oder an der massiven Beeinträchtigung der vorhandenen Gewässer, wie bei der „Markkleeberger Wasserschlange“.

Wassertourismus als Regionalentwicklung?

Dass gerade die klimatischen und ökologischen Rahmenbedingungen die Steuerungsgruppe ganz und gar nicht interessieren, hat ja der Umgang mit den Umweltverbänden am Runden Tisch zum Wassertouristischen Nutzungskonzept (WTNK) gezeigt: Ihre Interventionen wurden dort regelrecht abgebügelt, sodass sie den Runden Tisch geschlossen verließen.

Stattdessen hält die Steuerungsgruppe an ihren alten Ausbauplänen fest. „Als möglicherweise wichtigstes Resultat der Konferenz können sicherlich die im Zuge der Organisation des Events geschaffenen deutschlandweiten Arbeitsstrukturen gelten. Das allgemeine Ansinnen ist es, diese zumindest im mitteldeutschen Raum und länderübergreifender Basis zu erhalten und weiter auszubauen.“

Der verblüffendste Satz aus der Meldung des Umweltdezernats: „Somit soll im Zuge der World Canals Conference 2022 auch auf langfristiger Sicht hin ein nachhaltiger Beitrag zur Regionalentwicklung geleistet werden.“

Es wäre eine zumindest in Beton gegossene Form der „Nachhaltigkeit“. Für ein winziges touristisches Segment, das im aktuellen mitteldeutschen Tourismus so gut wie keine Rolle spielt.

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Die “feuchtenTräume” der hier agierenden Interessenverbände und Regionalpolitik sind absolut nicht mehr nachzuvollziehen und gehören eher in die Kategorie Satire – wäre es nicht so real und traurig. Hier wird Druck auf Steuergeld gemacht – was wir nicht haben. Für Projekte, die kein Tourismus braucht. Was all die Pläne für den regionalen und überregionalen Wasserhauhalt bedeuten, weiß niemand und interessiert offenbar auch nicht. Kurz: Nicht alles was geht, muss man machen !!!

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