Die Pläne für den Pereser See sind schon lange Makulatur. Eigentlich wissen das alle. Doch etliche der Verantwortlichen machen weiter so, wie man das aus der sächsischen Politik in der Kohlefrage kennt: Kopf in den Sand. So tun, als hätte sich gar nichts geändert und sowieso würde gleich wieder ein Stehaufmännchen aufspringen und verkünden, dass der Kohleausstieg für Sachsen ganz abgesagt ist. Aufatmen? Denkste. Der Pereser See, den es möglicherweise nie geben wird, wurde am 19. Januar Stadtratsthema.

Da stand der Antrag der Linksfraktion auf der Tagesordnung „Pereser See – Leipziger Auwald schützen!“ Na gut, um den Auwald ging es nur indirekt. Der aber hängt nun einmal am Wasser der Weißen Elster. Und dieses Wasser will die MIBRAG ab 2038 in das dann vielleicht existierende Tagebauloch Peres leiten, um diese neue Badewanne im Leipziger Südraum zu fluten.

Wie groß sie wird, ist völlig offen. Michael Neuhaus servierte in seiner Einbringungsrede am 19. Januar ein paar Zahlen, die sich von denen, die die Stadt präsentierte, etwas unterschieden. Er geht von 430 Millionen Kubikmetern Wasser aus, die dann in das Pereser Loch fließen sollen, während das Leipziger Stadtplanungsamt nur von 390 Millionen Kubikmetern ausgeht. Was sowieso egal ist. Genauso wie die Rechnung, ob es nur 4.300 Badewannen voll Wasser wären oder doch eher 4,3 Milliarden.

Gibt es überhaupt je einen Pereser See?

Denn: Der Zeitplan zur Befüllung des Sees ist Makulatur. Und zwar schon dann – wie Michael Neuhaus festhielt – wenn die Kohlebagger schon drei oder vier Jahre früher ausgeschaltet werden, also 2034 statt 2038/2039. Was übrigens auch passieren kann, wenn keine Bundesregierung den Kohleausstieg bis 2030 beschließen sollte.

Aber es ist ziemlich sicher, dass die Bundesregierung genau darauf hinarbeiten wird. Denn dazu hat sich – hoppla – in Paris 2015 verpflichtet. Sie kann die dort verbindlich eingegangen Klimaziele nur einhalten, wenn die Kohlemeiler bis 2030 alle vom Netz gehen. Wirklich alle. Auch das schöne Kraftwerk Lippendorf.

Was natürlich die betroffenen Kohlekonzerne LEAG und MIBRAG niemals öffentlich sagen würden. Selbst dann nicht, wenn sie parallel längst alternative Energieanlagen aufbauen würden. Tun sie das? Natürlich tun sie das. Sie wollen ja im Spiel bleiben, wenn der Kohlestecker gezogen wird. Und die Abraumhalden sind ideal zum Aufbau von Windkraftanlagen und Solaranlagen.

Und nebenbei wird eben noch gepokert um die Gelder für das Abschalten der Kohlekraftwerke. Ein Poker, bei dem einige der beteiligen Politiker aussehen, als hätten sie noch nie im Leben gepokert.

Die Pläne sind Makulatur

Schon beim ersten Schritt gerät das ganze Konstrukt, das die MIBRAG vor vielen Jahren gebastelt hat, um die verbleibenden Tagebaulöcher zu füllen, völlig aus dem Lot. Denn 2030 ist das Groitzscher Dreieck leer gebaggert – oder sollte es jedenfalls sein. Um dann den neuen Groitzscher See zu befüllen, wollte man das abgepumpte Waser aus dem verbleibenden Pereser Tagebau nehmen und überleiten. Wenn aber an 2030 keine Kohle mehr gebaggert wird, gibt es auch kein Wasser für den Groitzscher See.

Das ist das erste Problem. Das zweite benannte Neuhaus in seiner Stadtratsrede auch: Wenn im Pereser Tagebau von 2030 bis 2038 nicht mehr gebaggert wird, entsteht auch die riesige Badewanne Pereser See nicht, sondern bestenfalls eine Landschaft aus drei kleineren Seen. Was insofern positiv wäre: Man brauchte weniger Wasser aus der Weißen Elster.

Der Antrag der Linksfraktion

Die Begründung des Linke-Antrags liest sich so: „Noch ist der Zwenkauer See der größte See im Leipziger Neuseenland. Durch die Flutung des Tagebaus Vereinigtes Schleenhain soll jedoch ab 2038/2039 der Pereser See entstehen. Mit einer Fläche von 12 km², einer Wassertiefe von 80 Metern und einem Volumen von 430 Millionen Kubikmetern Wasser wird der Pereser See der größte See der Region.

Das für die Flutung benötigte Wasser soll laut Zeitungsberichten aus der Mulde und der weißen Elster stammen. Da die weiße Elster eine wichtige Rolle in der Hydrologie des Leipziger Auwalds spielt, sind ökologische Folgen für diesen nicht auszuschließen.

Die Stadt Leipzig muss deswegen an der Planung des Pereser Sees beteiligt werden, um zu verhindern, dass Entscheidungen, die flussaufwärts getroffen werden, flussabwärts die Landschafts- und Naturschutzgebiete des Auwaldes negativ beeinflussen.

Besonders problematisch sind hierbei die Aussagen von Landrat Henry Graichen (CDU), welcher vor einem vorgezogenen Braunkohleausstieg warnt, da der Tagebaubetreiber ansonsten nicht die nötigen Rücklagen für die Renaturierung aufbringen könne. Der Kohleausstieg ist jedoch keine kommunalpolitische Entscheidung.

Die Stadt und der Landkreis Leipzig tragen die Verantwortung sicherzustellen, dass die Schäden, welche der Tagebaubetreiber hinterlassen hat, auch durch diesen wieder beseitigt werden. Es müssen also zusätzliche Planungsgrundlagen für den Fall eines vorzeitigen Kohleausstieges geschaffen werden, wenn verhindert werden soll, dass die Folgekosten für den Tagebau auf die Allgemeinheit abgewälzt werden.“

Was kann Leipzig tun?

Leipzigs Verwaltung sieht diese Konsequenzen noch nicht. Sie hat unter ihren Standpunkt tatsächlich den Satz geschrieben: „Flutung des Pereser Sees beginnt ca. 2038/39.“ Gültig, falls der Linke-Antrag abgelehnt würde. Was so oder so Unfug ist. Es sei denn, jetzt stecken alle ihren Kopf in den Sand und tun so, als wäre ein Kohleausstieg vor 2030 nur eine Schnapsidee.

In der Stellungnahme der Verwaltung klingt das noch immer so: „Die Pläne der MIBRAG mbH, den Pereser See durch die Flutung des Abbaufeldes Peres innerhalb des Tagesbaus Vereinigtes Schleenhain entstehen zu lassen, sind der Stadt Leipzig bekannt. Nach derzeitigem Kenntnisstand soll der Pereser See zwischen 2039 – 2054 (Stützung bis 2058) durch Fremdflutung aus der Weißen Elster oder alternativ aus der Mulde über eine Pumpstation geflutet werden. Für die Fremdflutung benötigt der See einen Gesamtwasserbedarf von ca. 390 Mio m³.“

Freilich verweist die Stellungnahme auf die Gremien, in denen auch die Stadt Leipzig mitarbeitet. Und sie schreibt: „Über die Renaturierung und Befüllung des Pereser Sees wird in bergrechtlichen und wasserrechtlichen Verfahren entschieden. Dabei sind hydrologische Untersuchungen per Gesetz Bestandteil der Verfahren. Die Stadt Leipzig wird sich gleichwohl hier als Beteiligte dafür einsetzen, dass eine Befüllung des Pereser Sees mit Wasser der Weißen Elster nicht mit Nachteilen für die naturschutzkonforme Auwaldentwicklung verbunden sein wird. Ebenso ist es sinnvoll, den Planungsverband darin zu bestärken, die Gesamtfortschreibung des Braunkohlenplans voranzutreiben, um frühzeitig belastbare Planungsgrundlagen für den Kohleausstieg zu haben.“

Der Regionale Planungsverband ist dran

Ein Passus, den Michael Neuhaus erst einmal akzeptabel fand. Er stellte deshalb auch den Verwaltungsstandpunkt zur Abstimmung. Mehr ist augenblicklich nicht drin. Denn der Ball liegt beim Planungsverband Westsachsen, beim SMEKUL, beim LfULG, bei der Landesdirektion Sachsen, der MIBRAG mbH, der LMBV und der Landestalsperrenverwaltung.

Von denen einige einfach darauf warten, dass jemand anders sagt, dass man nicht mehr mit 2038 oder 2035 (dem eigentlichen Kohleausstiegsdatum für die MIBRAG) rechnen sollte, sondern mit 2030. Noch hat sich keiner gefunden.

Aber wenn einer dieses Datum sagt, kann man sicher sein, dass sehr hektische Betriebsamkeit ausbrechen wird. Denn dann ist klar, dass die alten Pläne alle Makulatur sind. Für den Groitzscher See genauso wie für den Pereser See. Womit trotzdem die Frage steht: Woher soll dann das Wasser kommen? Denn dann steht ab 2030 die Befüllung des Groitzscher Sees an. Wird dann schon die Weiße Elster angezapft?

Und wie sieht es dann mit der Öffnung der Elsteraue in Leipzig aus, die ja überfällig ist, weil dem Auwald das Wasser jetzt schon fehlt? Hier schließt sich der Kreis.

Die Stadtratsmehrheit stimmte erst einmal mehrheitlich dem Standpunkt der Verwaltung zu, die sich nun bemühen will, die Sache in den entsprechenden Gremien anzusprechen.

Oder wie es das Stadtplanungsamt so schön formulierte: „Die durch den Ursprungsantrag vorgesehene Beauftragung der Mitglieder im Regionalen Planungsverband Leipzig-Westsachsen ist daher nicht zulässig. Nichtsdestotrotz ist der Inhalt des Antrags begründet und nachvollziehbar, weswegen der Alternativvorschlag unterbreitet wird.“

Und dieser Vorschlag lautet jetzt: „Der Oberbürgermeister wird beauftragt, sich gegenüber dem Regionalen Planungsverband Leipzig-Westsachsen sowie weiteren in den Tagebau Schleenhain bzw. die Flutung des Pereser Sees involvierten Institutionen für eine aktive Beteiligung an der Planung des Pereser Sees und insbesondere für die Erstellung eines hydrologischen Gutachtens einzusetzen, um ökologische Schäden für den Leipziger Auwald im Zuge der Flutung des Tagebaus Vereinigtes Schleenhain abzuwenden. – Außerdem setzt sich die Stadt Leipzig dafür ein, Planungsgrundlagen für den Fall eines vorgezogenen Kohleausstiegs vor dem Jahr 2038 zu schaffen.“

Was auch wieder von Naivität zeugt. Denn für den Leipziger Südraum ist der vorzeitige Kohleausstieg für 2035 beschlossen. 2038 gilt für die Lausitz. Die Zeit läuft längst ab. Und die Szenarien für die neuen Seen verändern sich mit jedem Tag, den das Kraftwerk Lippendorf früher vom Netz geht.

Die Debatte vom 19.01.2022

Video: Livestream der Stadt Leipzig

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