Welche Kapriolen die deutschen Energieunternehmen erleben, seit die Preise für Gas, Öl und Kohle durch die Decke gehen, war am 14. März auch Thema im „Handelsblatt“, das sich eingehender mit einem 5,5-Milliarden-Euro-Kredit für das Kohleunternehmen LEAG beschäftigte, der in der Branche durchaus für Aufsehen gesorgt hat. Und bei der sächsischen Linken für eine gewisse Besorgnis.

Umstrittener Kredit in Milliardenhöhe

Der Lausitzer Braunkohleförderer LEAG hat einen umstrittenen Kredit von 5,5 Milliarden Euro bei der staatlichen Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) aufgenommen. Hintergrund sind die massiv gestiegenen Energiepreise, stellt die Linksfraktion im Sächsischen Landtag fest, die sich dabei auf einen Bericht der „Börsen-Zeitung“ ebenfalls vom 14. März beruft, der seinerseits wieder auf den Artikel im „Handelsblatt“ verweist. Der Artikel im „Handelsblatt“ erklärt deutlich genauer, warum eigentlich ein Kohlekonzern, der ja praktisch profitiert, wenn Gas und Öl immer teurer werden und Kohlestrom auf einmal wieder als Sicherung diskutiert wird, nun einen Kredit braucht.

Denn Probleme, ihren Strom zu verkaufen, hat die LEAG eigentlich nicht. Und das Unternehmen hat auch keine langfristigen Lieferverträge für Erdgas laufen, so wie die in Leipzig ansässige VNG, die bei der KfW einen Kredit um die 2 Milliarden Euro beantragen musste.

Aber der Mechanismus, der da greift, ist derselbe.

Wozu die Absicherung nötig ist

„Die Preisentwicklung bringt deutsche Gashändler ebenso in Probleme wie Kraftwerksbetreiber, weil sie plötzlich milliardenschwere Sicherheitsleistungen hinterlegen müssen. Üblicherweise verkaufen die Unternehmen das Gas, das sie importieren, und den Strom, den sie produzieren, langfristig zu garantierten Preisen“, beschreibt ihn das „Handelsblatt“.

„Damit gewährleistet ist, dass das Gas und der Strom in wenigen Monaten oder auch in ein bis zwei Jahren tatsächlich geliefert werden, muss der Verkäufer bei einer Clearingstelle Sicherheiten hinterlegen, wenn der Gas- oder Strompreis im Großhandel über den vereinbarten Preis steigt. Schließlich müssten sich die Unternehmen am Markt eindecken, sollten sie selbst ihr Gas oder ihren Strom nicht mehr liefern können.“

Bei kurzfristigen Steigerungen der Marktpreise können die Unternehmen damit recht gut umgehen. Dass aber Gas- und Strompreise so langfristig und vor allem so stark steigen, lässt die benötigten Sicherheitsleistungen drastisch in die Höhe schnellen. Leistungen, die auch ein Kohleunternehmen wie die LEAG hinterlegen muss, auch dann, wenn die langfristigen Stromlieferungen eigentlich nicht gefährdet sind.

Das Unternehmen selbst als Sicherheit

Aber es sind zwei Punkte, die die sächsische Landtagsabgeordnete Antonia Mertsching von der Linken misstrauisch machen.

Denn sollte das Unternehmen das Geld nicht zurückzahlen können, würde der Staat zum Eigentümer – mit allen Risiken.

„Zur Besicherung des Kredits haben die Gesellschafter ihre Gesellschaftsanteile dem Bund gegenüber verpfändet“, erklärte Wirtschaftsstaatssekretär Udo Philipp auf Anfrage der Linksfraktion im Bundestag. Zu den Gesellschaftern gehört unter anderem ein Geflecht von tschechischen Milliardären.

„Es ist unverständlich, dass der Bund im Falle eines Kreditausfalls einspringen müsste und nicht etwa die milliardenschweren Eigentümer der LEAG. Schließlich geht es hier um Marktrisiken“, erklärt Antonia Mertsching. „Zu den Gründen schweigt das Wirtschaftsministerium. Wir verlangen Aufklärung und sehen die Gefahr, dass im schlimmsten Fall einer Insolvenz die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler zahlen müssten.“

Das Wirtschaftsministerium hatte nur erklärt: „Die Gesellschafter haben durch eine Garantie gegenüber einem wesentlichen Kunden der LEAG in Höhe von 1,1 Mrd. EUR und eines einstweiligen Verzichtes in Form eines Zahlungsmoratoriums auf Margining-Forderungen gegen den Kreditnehmer und Garanten in Höhe von 300 Mio. EUR bereits den ihnen maximal möglichen Beitrag geleistet, dadurch wurde der Betrag der Gewährleistung des Bundes gemindert.“

Bleibt der Topf für die Rekultivierung leer?

Aber besonders seltsam fand Antonia Mertsching eine andere Aussage in der Antwort des Bundeswirtschaftsministeriums: „Zudem könnten die Einzahlungen in die Zweckgesellschaften infrage stehen, welche zur Rekultivierung und Bewältigung der Bergbau-Folgeschäden gegründet wurden. Das Bundeswirtschaftsministerium teilt mit: ,Darüberhinausgehend hat sich der Kreditnehmer verpflichtet, Erträge aufgrund der Marktpreisentwicklung im Jahr 2022 in die Zweckgesellschaften für die Rekultivierung der Braunkohletagebauflächen einzubringen, sofern der KfW-Kredit zuvor vollständig zurückgeführt wurde‘. Also muss erst der Kredit abgezahlt werden, der das Unternehmen stützen soll, bevor die ohnehin schon vernachlässigte Rekultivierungsfinanzierung bedient wird.“

Es kann also passieren, dass der Sammeltopf für die verpflichtenden Rekultivierungsmaßnahmen zu Ende des Kohleabbaus leer bleibt, solange der Kredit an die KfW zurückgezahlt wird. Eine Verknüpfung, die Antonia Mertsching sehr bedenklich findet: „Mit dem Ausstieg aus der Braunkohleverstromung könnten die LEAG-Anteile kaum noch etwas wert sein. Stattdessen könnten Milliardenkosten zur Rekultivierung am Staat hängen bleiben. Der Bund hat sich durch diesen Schachzug der Milliardäre in eine denkbar schlechte Position manövriert.“

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