Die sächsische SPD wird auf städtischem Grund an der Dresdner Straße 20 einen Gedenkstein errichten. Er soll an die Gründung des Allgemeinen Deutschen Arbeitervereins ADAV am 23. Mai 1863 erinnern. Die Abstimmungen über einen Gestattungsvertrag zwischen den Genossen seien bereits im Gange, teilt die städtische Kulturverwaltung mit.

Nun wird ja noch alles gut. Am 22. Mai 2013 bekommt der gebürtige Leipziger Richard Wagner zu seinem 200. Geburtstag ein Denkmal in der Stadt, das der renommierte Bildhauer Stephan Balkenhol geschaffen hat. Am 25. Mai 2013 steigt rund um das Völkerschlachtdenkmal ein “Großes Jubiläumsbürgerfest”, das den Abschluss der jahrelangen grundhaften Sanierung des Monuments würdigt.

Und wohl am 23. Mai 2013 setzt sich auch die SPD in Leipzig einen Gedenkstein. Denn am 23. Mai 1863 gründeten Arbeiter aus Leipzig und anderen Orten im damaligen Lokal “Pantheon” in der Dresdner Straße 20 den Allgemeinen Deutschen Arbeiterverein ADAV. Die SPD begreift diese Organisationsbildung als ihre Geburtsstunde, feiert im kommenden Monat also ihren 150. Geburtstag.

Wiese der Sozialdemokratie bekommt Erinnerungsort

Doch bislang kam immer etwas dazwischen, dass die seit dem November 1989 auch in Leipzig wieder tätige Sozialdemokratie ihren Gründungsort zu einem Erinnerungsort macht. Zuletzt ein Stadtratsantrag der Linksfraktion, der einen Gedenkstein in städtischer Verantwortung am historischen Ort einfordert.Dazu soll es nach dem gemeinschaftlichen Willen von Stadtverwaltung und SPD nicht kommen. Die Umsetzung des Linken-Antrages ist nach Verwaltungsmeinung “nachteilig für die Stadt Leipzig”. Jedenfalls ist dieses Feld in der Dokumentenvorlage des Verwaltungsstandpunktes markiert.

Deshalb schlägt das Kulturdezernat dem Leipziger Stadtrat für die Ratsversammlung am 17. April 2013 zur Abstimmung eine Alternative vor. Danach solle die Leipziger Stadtverwaltung das Engagement Dritter zur Errichtung eines Erinnerungsortes zur 150-Jahr-Feier von ADAV/ SPD unterstützen. “Hierfür ist ein Gestattungsvertrag zur Errichtung einer Erinnerungsstätte auf einem städtischen Grundstück abzuschließen”, steht dort erläuternd.

Diese Dritten sind keine vagen Unbekannten. Sie geben sich auch schneller zu erkennen als Harry Lime in dem Thriller “Der dritte Mann”, das in der Viersektorenstadt Wien der ersten Nachkriegsjahre spielt.”Die überregional bedeutende Geschichte dieses Ereignisses und des Ortes soll wieder stärker in Erinnerung gerufen werden. Nach der Stadtverwaltung vorliegenden Informationen plant die SPD im Rahmen der Veranstaltungen zum 150-jährigen Jubiläum der Gründung des Allgemeinen Deutschen Arbeitervereins (ADAV) am 23. Mai 2013 die erneute Errichtung und nachfolgende Pflege eines Gedenksteins mit einer Erläuterungstafel. Die Abstimmungen zwischen dem SPD Landesverband Sachsen und der Stadtverwaltung sind bereits im Gange”, heißt es in der Begründung der amtlichen Stellungnahme. Die Wiege der deutschen Sozialdemokratie soll also einen Erinnerungsort bekommen.

Pantheon: Ort mit verschiedenen Traditionsbezügen

Ob dieses Vorgehen allen gefällt, wird spätestens die Stadtratsdebatte am 17. April zeigen. Vielleicht wollen sich die Linken stärker eingebunden sehen. Deren Fraktionchef Sören Pellmann nennt die ADAV-Gründung jedenfalls im L-IZ-Interview einen “Bestandteil der Tradition der Linken”.

Und schließlich nahmen nicht nur Parteien vom Pantheon ihren Ausgang. Im April 1848 gründete die Lehrerin und Frauenrechtlerin Auguste Schmidt (1833 – 1902) in dem Lokal mit dem Verein der Dienstmädchen die erste Leipziger Berufsorganisation für Frauen.

Das Haus im Leipziger Osten erlebte darüber hinaus die erste deutschlandweite Gewerkschaftsgründung. Hier entstand im Dezember 1865 der Allgemeine Deutsche Cigarrenarbeiter-Verein, der Vorläufer der heutigen Gewerkschaft Nahrung Genuss Gaststätten NGG.

Gründungspräsident der Cigarrenarbeiter-Gewerkschaft wurde übrigens der Leipziger Zigarrenarbeiter Friedrich Wilhelm Fritzsche (1825 – 1905). Er hatte 1862/ 63 bereits dem “Zentralkomitee zur Vorbereitung eines allgemeinen deutschen Arbeitertages” vorgestanden. Das war jenes Gremium, das die ADAV-Gründung vorbereitete und den Schriftsteller Ferdinand Lassalle (1825 – 1864) als programmatischen Hauptredner gewinnen konnte. Die Delegierten wählten am 23. Mai 1863 Lassalle an die Spitze des ADAV.

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