Wie viele Menschen die NPD über verschleiernde Netz- und Initiativwege so am Montag, den 3. Februar letztlich gegen den Moscheebau in Gohlis und Asylbewerber auf die Straße bringen wird, wird man ab 19 Uhr auf der Löbauer Straße 46 sehen. In den letzten Jahren haben es die rechten Kräfte selten geschafft, jenseits der 100 Personen in Leipzig zu mobilisieren. Wie viele ihnen bei ihrer derzeit noch genehmigten Fackelkundgebung in der Nähe der brandschutzgefährdeten Notunterkunft für Asylbewerber gegenüberstehen werden, wird hingegen in den letzten Stunden vor dem Veranstaltungsbeginn um 17:30 Uhr an gleichem Ort immer deutlicher.

Kirchgemeinden, Refugees welcome, die Willkomensinitiative Schönefeld, Leipzig nimmt Platz!, Leipzig hilft, Schönefeld e.V. und unzählige weitere Bürger organisieren sich im Netz, geben Mitteilungen heraus und rufen zum Hinsetzen auf. Während sich im Parteienspektrum eigentlich nur die Leipziger CDU vornehm zurückhält, scheint längst alles auf den Beinen, was sich wieder setzen will. Nach diversen Aufrufen meldeten sich gestern kurz vor Toreschluss noch zwei weitere eigentlich eher als unpolitisch bekannte Stimmen zu Wort.

Der Schönefeld e.V. beschreibt seine Haltung zum bevorstehenden Aufmarsch “Leipzig steht auf” in einer Pressemitteilung mit klaren Worten: “Der Bürgerverein Schönefeld e.V. steht klar auf der Seite der Menschen, die aus Not und Verfolgung zu uns geflohen sind. Wenn sich ein paar Leute das Nachdenken sparen und sich mitreißen lassen von völlig falschen rechten Hetzparolen, dann müssen wir eben mehr aufklären, mehr miteinander reden, mehr die berechtigten Interessen der vernünftigen Schönefelder berücksichtigen.”

Denn, so fährt die Pressemitteilung fort, auf eines könnten die Schönefelder stolz sein: “Die Hetzparolen von ein paar einfältig verbohrten und fehlgeleiteten Rechtsfanatikern fallen in Schönefeld nicht auf fruchtbaren Boden. Schönefeld ist ein vielseitiger, entspannter und interessanter Stadtteil. Und ist gerade dabei, sein Image zu verbessern.”

Aktiv daran wirkt der Verein seit Jahren selbst mit, organisiert regelmäßig Veranstaltungen, gibt eine eigene Stadtteilzeitung heraus, wirbt für Ort und Leute. So auch in der Mitteilung, zu deren Formulierungen die dumpfen Parolen aus der rechten Ecke nicht passen können: “Schönefeld bietet citynahe Infrastruktur, vielseitige Möglichkeiten der Erholung, der Versorgung und der Arbeit. In Schönefeld lässt es sich nach jedem Geschmack und Geldbeutel wohnen. Es gibt Schulen und Kitas, junge und ältere Einwohner, solche und solche, wie überall. Für menschenfeindliches, intolerantes und verquer rechtes Gedankengut steht auch in Schönefeld kein vernünftiger Mensch auf!”
Sätze die auch ein wenig in Richtung einer lokalen Tageszeitung gehen, die längst dabei ist, den Stadtteil als “Krisenherd” zu beschreiben. Was immer auch ein wenig der Arbeit derer zerstört, die sich vor Ort mit vielen kleinen und liebevollen Initiativen mühen. Und auf Missstände aufmerksam machen, die manchem Medium immer erst dann auffallen, wenn der Nazi an die Stadtteilpforte klopft. Um der Wahrheit die Ehre zu geben – leicht hat es Schönefeld nicht gehabt in den letzten Jahren, aber so tödlich, wie es dieses Wort unterstellt, ist der Gang zwischen Torgauer Straße, Adenauerallee und Gorkistraße dann doch nicht. Die Sterberate im Viertel ist eher Leipziger Durchschnitt.

Seit gestern Abend geistert zudem eine oft gelesene Mitteilung der Leipziger 2013er Fluthelfer von “Leipzig hilft” durch Facebook. Da sie in den vergangenen zwei Monaten die Spendenaktionen der Initiative “Willkommensinitiative Schönefeld” für die Asylbewerber in der Löbauer Straße mit Fahrten und eigenen Aufrufen unterstützt haben, kämen sie nicht “drumherum festzustellen, dass unser Menschenbild mit diesem Verhalten der ‘Anti-Asyl-Demo’ nicht übereinstimmt.”

Und sie verweist auf das, was einige in der rechten Ecke zu finden glauben: “Wie viele von Euch mittlerweile wissen, wollen wir bei unseren Hilfsaktionen, wie beim Hochwasser im Juni 2013, der derzeitigen Hilfe für Flüchtlingsfamilien und dem geplanten Bau eines Spielplatzes für alle Kinder in Leipzig nicht über Politik sprechen. Uns geht es zuerst um Menschlichkeit, gegenseitige Hilfe und Miteinander in unserer Stadt und unserer Gesellschaft. Weshalb wir auch, soweit uns dies möglich ist, wirklich jedem gern helfen, der in einer Klemme steckt oder wo eben einfach Hilfe nötig wird, weil es keine Strukturen dafür gibt.” (vollständige Meldung am Schluss).

Während sich weite Kreise der NPD auf eine Wiederholung des Erfolges in Schneeberg vorbereiten, bei welchem sie Ende 2013 zwischenzeitlich bis zu knapp 2.000 Anhänger mittels einer Initiative nach gleichem Muster wie in Leipzig hinter sich bringen konnten, scheint sich in Leipzig eine breite Allianz von Leipziger Bürgern zu bilden, die keine Lust auf eine nochmalige Aufführung des Streifens zu haben scheint. “Schneeberg reloaded” – offenbar kein Film für die Messestadt. Die Asylbewerber jedenfalls werden der Vorstellung beiwohnen müssen. Sie werden in ihrem Notquartier sein. Wo auch sonst.

Veranstaltungsverabredung zur Gegendemonstration bei Facebook

https://www.facebook.com/events/1380294562236649

Einige Seiten mit Informationen & Statements (Auswahl)

http://refugeeswelcome.blogsport.eu/

http://leipzignimmtplatz.blogsport.de/

https://www.facebook.com/LeipzigHilft

Zum Artikel vom 4. Februar 2014 auf L-IZ.de

10 : 1 in Schönefeld: Keine Rückendeckung für falsche Elterninitiative & offene Fragen

Mehr zum Thema auf L-IZ.de (Auswahl)

Dialoge für eine Moschee: Eine Gohliser Initiative bietet Raum für Gesprächsstoff

Sprecher der Sächsischen Bildungsagentur: Verhalten von “Leipzig steht auf” einfach falsch und widerlich

Im Vorfeld der “Leipzig steht auf”-Kundgebung am Montag: Friedensgebete, NPD-Bezüge und die Frage “Fackeln, ja oder nein?”

Ein Leserbeitrag und eine Antwort der Redaktion zu “Leipzig steht auf” oder Wer ist das Volk? Rings um eine Montags-Demonstration am 3. Februar in Schönefeld

“Leipzig steht auf” oder Wer ist das Volk? Rings um eine Montags-Demonstration am 3. Februar in Schönefeld

Hallo Ihr Lieben,

wie viele von Euch mittlerweile wissen, wollen wir bei unseren Hilfsaktionen, wie beim Hochwasser im Juni 2013, der derzeitigen Hilfe für Flüchtlingsfamilien und dem geplanten Bau eines Spielplatzes für alle Kinder in Leipzig nicht über Politik sprechen. Uns geht es zuerst um Menschlichkeit, gegenseitige Hilfe und Miteinander in unserer Stadt und unserer Gesellschaft. Weshalb wir auch, soweit uns dies möglich ist, wirklich jedem gern helfen, der in einer Klemme steckt oder wo eben einfach Hilfe nötig wird, weil es keine Strukturen dafür gibt. Als schnelle Eingreiftruppe sozusagen, denn auch wir haben alle ein privates Leben, Jobs, Familien und Kinder.

Nur beobachten wir seit einer Woche die Presse und sehen, dass NPD-Mitglieder und Menschen, die nicht nach diesen Prinzipien zu leben und zu handeln scheinen, vor der Notunterkunft in Schönefeld in der Löbauer Straße 46 am Montag, den 3. Februar 2014 ab 19 Uhr eine Demonstration auch gegen diese Flüchtlinge abhalten wollen, denen wir gemeinsam geholfen haben.

Sonst hätten sie sich ja einen anderen Ort als ausgerechnet diese baufällige Schule gesucht, von der wir wissen, dass sie kaum einen Brandschutz hat. Nun wollen sie dort auch noch mit Fackeln aufmarschieren. Diese Aktion ergibt keinen Sinn, dient Niemandem und bietet keine Lösungen an. Sie ist also rein politisch und soll wohl dem Wahlkampf der NPD dienen.

Einige von uns werden aus dem einfachen Grund, weil hier jemand im Namen einer politischen Meinung Menschen attackiert, denen wir helfen, zur geplanten Gegendemonstration gehen. Die startet 17:30 und auch die Kirchen beteiligen sich daran.

Wir werden niemanden auffordern, es auch zu tun, denn wir wissen alle zusammen, dass wirkliche Hilfe für Menschen anders aussieht, direkt ankommen muss und nicht gegen, sondern für jemanden ist. Aber wir kommen hier nicht drumherum festzustellen, dass unser Menschenbild mit diesem Verhalten der “Anti-Asyl-Demo” nicht übereinstimmt. Und wir werden im Zweifel auch die beschützen, denen wir gemeinsam Spenden brachten, mit denen wir gesprochen haben, deren Schicksale wir nun kennen, denen wir zusammen geholfen haben.

Wer andere Menschen hasst, zumal ohne sie zu kennen, kann kein Teil der Hilfe sein.

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Michael Freitag über einen freien Förderbetrag senden.
oder

Keine Kommentare bisher

Schreiben Sie einen Kommentar