Eine gute 1.000 wird am Ende wohl dabei gewesen sein, vielleicht etwas mehr. Ab 14:30 Uhr trafen sich Friedensbewegte und neugierige Zuschauer auf dem Nikolaikirchhof, um ein paar Fragen zur aktuellen Friedenslage zu klären. Eingeladen und organisiert hatten das Friedenszentrum und Volker Külow (Die Linke, MdL), ihrem Ruf gefolgt waren unter anderen ein sangesfreudiger Konstantin Wecker, ein pointierter Meigl Hoffmann und ein angriffslustiger Diether Dehm (Die Linke). Es wurde ein kurzweiliger Nachmittag mit Ansagen, thematisch bis hinüber zu den montäglichen Mahnwachen.

Emotional kann der Leipziger Kabarettist Meigl Hoffmann durchaus. In einer teils furiosen Solonummer zum Thema Krieg, Frieden und dem Verhalten der deutschen Bundesregierung wies er auf eines dann doch explizit hin. Er habe noch einmal nachgeschaut und sei auf 250.000 tote US-Amerikaner im zweiten Weltkrieg bei der Befreiung Deutschlands gestoßen. Verpflichtung durchaus, hier Freundschaft zu pflegen, ja Freunde sein zu können. Rund 20 Millionen Tote auf russischer Seite mache diese bis heute jedoch zu seinen Brüdern.

Vielleicht war darin schon alles enthalten: das Fremdeln übern großen Teich nach oder besser mitten in der NSA-BND-Überwachungsgesellschaft, das wachsende Misstrauen über den Kurs des wirtschaftlich expansiven Westens und die Handreichung Richtung derer, die gerade vor allem presseseitig zunehmend als Feind daherkommen.
Ein Fingerzeig darauf, wohin sich hier im fast schon als traditionelle Friedensverteidiger zu bezeichnenden Rund alles drehen würde. Die Frage um die Ukraine, den neu entstehenden Konflikt zwischen den westlichen Staaten und Russland, die Gefahr einer immer weiter stattfindenden Zuspitzung. Diese war bereits im Vorfeld der Veranstaltung am 30. Mai auch in Leipzig deutlich geworden – Volker Külow griff in seiner Rede einen Konflikt erneut auf, welcher gerade auch das Verhältnis zwischen Grünen und Linken in der Messestadt prägt. Kiew ist Partnerstadt Leipzigs und Oberbürgermeister Burkhard Jung hat den Boxer Vitali Klitschko als frisch gewählten Bürgermeister Kiews nach Leipzig zum Lichtfest 2014 eingeladen.

Für die Grünen ein Signal der Kooperation mit der Partnerstadt, für die Linke eine unpassende Geste, diese Einladung ausgerechnet zur jährlichen Feier zu Ehren der Demonstrationen im Jahre 89 und der Wende in Leipzig zu tun.

Was in friedlichen Zeiten sicher keine Frage gewesen wäre, stieß auch heute bei Külow unter dem Eindruck weiterhin stattfindender Kämpfe in der Ukraine und der unübersichtlichen Situation im Osten des Landes auf Widerstand. Klitschko sei eben nicht nur “Maidan-Aktivist”, sondern eben auch ein Politiker, welcher “in den Stuben der Adenauer Stiftung gezüchtet” worden sei. Die Einmischung Vertreter westlicher Staaten in die anfangs friedlichen Proteste auf dem Maidan sind für viele der Anwesenden bis heute ein Zeichen für die expansive Machtpolitik des Westens Richtung Osten. Und die Unterstützung einer bis zum 25. Mai auch aus Faschisten der Swoboda-Partei bestehenden Regierung der Ukraine ein Beleg für die den Zweck heiligenden Mittel.
Für Diether Dehm (Die Linke, MdB) auch getrieben von einer einseitigen Pressesicht auf die komplexen Vorgänge in einem zerrissenen Land, einem regelrechten Bashing gegen Putin und die Interessen Russlands. Er warb unter Beifall für mehr Verstehen bei den Journalisten und bewegte sich dabei entlang der Argumentationslinien der wöchentlichen Montagsdemonstrationen in Leipzig.

Spannend wurde es eigentlich so richtig erst gegen Ende der Veranstaltung. In einer Art Bestandsaufnahme Konstantin Wecker, Diether Dehm und Volker Külow etwas, was einerseits die immer wieder auftretenden Selbstzweifel der altgedienten Kriegsgegnerschaft und andererseits ein differenziertes Bild auf Erreichtes und Liegengebliebenes in der Friedensbewegung zu ergründen suchte.

Für Dehm stand es auf der Habenseite der Friedensbewegung, dass bis heute 70 Prozent der Deutschen gegen einen bewaffneten Konflikt in der Ukraine seien und laut Dehm auch die Teilnahme am Irakkrieg und an den Bombardements in Libyen, hier sogar gegen den Willen der deutschen Regierung, eben nicht durchsetzbar waren. Noch einmal wies er ebenso darauf hin, dass die nicht stattgefundene Bombardierung Syriens und die angelaufenen Giftgasvernichtung durchaus auch Russland zu verdanken sei. Dem stellte der Bundestagsabgeordnete der Linken unter anderem die Geschichte der Deutschen Bank gegenüber. Von der Kooperation mit dem deutschen Naziregime, den Finanzierungen von Konzentrationslagern, bis hin zur heutigen 12-prozentigen Beteiligung am japanischen Atomkraftwerksbetreiber Tepko und der Finanzierung eines weiteren Atomkaftwerkes in Westindien im Erdbebengebiet.
“Solche Verbrecher könnte man durchaus mittels Artikel 15 des Grundgesetzes in Gemeineigentum überführen, also demokratisch enteignen und somit verstaatlichen. Diese Revolution ginge mit dem Grundgesetz, in welches viele offenbar immer wieder mal hineinschauen sollten.” so Dehm unter dem Beifall der Anwesenden.

Den eigentlichen Schlussstein jedoch setzte Weckers freimütiges Eingeständnis vor, selbst gegen den eigenen, inneren Faschismus zu kämpfen. Bei Dreharbeiten habe er vor zwei Jahren die Rolle eines SS-Mannes gespielt und das Gefühl in der Uniform sei sehr stark gewesen. “Ich musste nicht viel spielen, ich habe mich unglaublich wohl gefühlt dabei. Ich habe in dieser Uniform gemerkt, dass da etwas in mir ist, was ich seit 40 Jahren bekämpfe.” Es seien eben nicht immer nur die bösen Anderen. Eine Revolution müsse dennoch stattfinden, sie sei jedoch eher eine Wandlung, ein Umdenken bei jedem Einzelnen selbst, so Wecker.

Dass er anschließend erst mit Meigl Hoffmann und anschließend dem einen oder anderen im Publikum zusammen “Sage Nein” sang – schlicht folgerichtig.

Songtext “Sage Nein”
www.golyr.de/konstantin-wecker/songtext-sage-nein-50565.html

Friedenszentrum Leipzig
www.friedenszentrum-leipzig.de
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