In Sachsen ist in Sachen Bildung die Kacke am Dampfen, proklamierte der Moderator der Auftaktkundgebung der heutigen Demonstration "Kürzer geht's nicht - Bildung braucht Zukunft". Aufgerufen hatte ein immer breiter werdendes Bündnis rings um die Konferenz Sächsischer Studierendenschaften (KSS). Dem Aufruf folgten 5.000 Studierende und Angestellte aller Bildungsanstalten aus Leipzig, Dresden, Halle, Magdeburg und Jena. Nicht nur die drohenden Schließungen verschiedenen Fakultäten an der Alma Mater Lipsiensis gaben Anlass zur Kritik.

Die massiven Stellenstreichungen von 14.000 Stellen in den nächsten Jahren an den Hochschulen, akuter Lehremangel in allen Bildungseinrichtungen, immer mehr befristete Stellen für Hochschuldozenten sind nur ein Teil der Auseinandersetzungen. Der häufige Einsatz von Drittmitteln an Hochschulen, der Zwang sich dem Einfluss von Firmen auszusetzen, um Finanzdefizite auszugleichen, gaben reichlich Anlass die Innenstadt Leipzigs für vier Stunden förmlich lahm zu legen. Der Ärger aller Beteiligten fand auf diesem Wege noch einen friedlichen Weg sich Luft zu verschaffen.

In einer der Demonstration vorangegangenen Pressekonferenz kritisierte der Landesschülerrat Patrick Tanzer zudem die perspektivlose Politik der Einstellungspraxis von Lehrern. 1.000 neue Lehrer werden jährlich gebraucht um eine solide Grundbildung als allgemeine Voraussetzung für die höheren Bildungsanstalten zu garantieren. “Bildung beginnt nicht erst in der Hochschule”, mahnte Tanzer, eine Mahnung, welche seit nun mindestens drei Jahren an die sächsischen Ministeriumspforten hämmert. Auf 4.000 Schüler entfallen heute 50 Lehrer, was dazu führt, dass Ausfallstunden eher Regel denn Ausnahme sind. Dieser Tendenz, die bei Beibehaltung der jetzigen Einstellungspraxis ansteigen wird, sei laut Tanzer entschieden entgegenzutreten.
Matthias Kunt von der Mittelbauinitiative der TU Dresden kritisierte den schleichenden Wegfall klassischer Mitarbeiter an den Hochschulen. Bei den befristeten, atypischen Beschäftigungsverhältnissen, die die Tarifverträge unterlaufen und nicht unter das Personalrecht fallen, sei personelle Kontinuität nicht gegeben. Lehrbeauftragte arbeiten mitunter für einen Stundenlohn von unter fünf Euro. Auf dieser Basis sächsische Studenten auszubilden, sei mehr als fragwürdig. Des Weiteren führe der kurzfristige Einsatz von Projektmittel dazu, dass mittlerweile 89 Prozent der regulären Mitarbeiterstellen an den Universitäten befristet sind.

Auch die Drittmittel werden, so Kunt, von der Forschung abgezogen und für die Mitarbeiterfinanzierung verwendet, was auf die Forschung negative Effekte habe. “Es gibt immer nur Maßnahmen, die eine langfristige Perspektive vermissen lassen.”

Adelheid Noack, Sprecherin der Konferenz Sächsischer Studierendenschaften (KSS) konstatierte, dass auf der Grundlage steigender Studierendenzahlen (die Tendenz werde bis 2025 nicht zurückgehen) der massive Personalabbau nicht gerechtfertigt sei. Ebenso sollen die Landesmittel, die pro Student aufgewendet werden, auf 6.830 Euro angehoben und damit dem Bundesdurchschnitt angepasst werden. Die Verwendung der Drittmittel für den Ausgleich fehlender Grundfinanzierung müsse aufhören, so Noack. Die chronische Unterdeckung habe dazu negative Effekte auf die Forschung.

Dass die 87 Millionen Euro, die durch die BaföG-Übernahme durch den Bund für Nachwuchsförderung ausgegeben werden soll, ist für Noack nicht nachvollziehbar. Vielmehr sollten diese Mittel in der Lehre und gegen den Stellenabbau eingesetzt werden.

Auf der Auftaktkundgebung kam auch die Politik zu Wort. In einem Polittalk mussten Vertreter der Landtagsfraktionen zu Fragen der Bildungspolitik Stellung nehmen. Das Lager um CDU und FPD kassierte für die aus ihrer Sicht erfolgreiche Bildungspolitik, deren Effizienz und Qualität sich erwiesen habe, laute Pfiffe.

Mit einem sächsischen Teil-Haushalt von fünf Milliarden, die für die Bildung bereitgestellt würden, sei man nicht schlecht aufgestellt versuchten sich die Vertreter der Regierung zu verteidigen. Trotzdem sähe man auch die Notwendigkeit dem Mehrbedarf an Lehrkräften gerecht zu werden und die Studienbedingungen zu verbessern. Aus dem Lager von Grünen, Linken und der SPD wurden Forderungen der Angleichung der Grundfinanzierung der Hochschulen an den bundesweiten Durchschnitt laut. Die erwähnten fünf Milliarden reichten eben nicht aus.

Ebenso führe das Hochschulfreiheitsgesetz zu unternehmerischen Hochschulen, dessen weitere Ausprägung hin zu einer ökonomisierten Forschung statt einer vorurteilsfreien Forschung und Lehre es zu verhindern gelte. Die Schaffung der Gemeinschaftsschule müsse konsequent umgesetzt werden, um das zu frühe Sortieren der Schüler zu unterbinden und Inklusion zu fördern. Der bunte, rund 5.000 Menschen fassende Protestzug hat gezeigt, dass zumindest ein gewisses Maß an Mit-Denken-Wollen in Sachsen und Thüringen vorhanden ist. Ob es an der unausgesetzten Sparpolitik und einer schleichenden schwarz-gelben Bildungsprivatisierung im Freistaat etwas ändern wird, können die Sachsen am 31. August entscheiden. Alle bisherigen Wahlumfragen sagen derzeit: 42 Prozent CDU, 8 Prozent AfD. Gute Aussichten für die Bildung im Freistaat sehen anders aus und auf kürzerem Weg gehts wohl nicht.

Anm. d. Red.: Die Zahl von ca. 7.500 Demonstranten hat sich mittlerweile bestätigt. Vielen Dank für die Hinweise.

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