Im Haushaltsjahr 2011 wurden von den Jobcentern in der Bundesrepublik insgesamt 3,938 Milliarden Euro für Leistungen zur Eingliederung gemäß SGB II (Hartz IV) ausgeben, 722 Millionen Euro weniger als im Bundeshaushalt 2011 veranschlagt bzw. 720,9 Millionen weniger als den Jobcentern gemäß Eingliederungsmittel-Verordnung zugewiesen worden waren.

Das ergab jetzt eine Erhebung des Bremer Instituts für Arbeitsmarktforschung und Jugendberufshilfe (BIAJ). Und das Überraschende: Genau da, wo die verantwortlichen Minister in Bund und Land stets behaupten, dass hier tatsächlich gefördert werden müsse, wurde drastisch gespart. Das kann verschiedene Gründe haben. Einer könnte zum Beispiel schlicht sein, dass die zur Verfügung stehenden Instrumente für die Unternehmen keinen Sinn machen, weil sie auf die speziellen Bedürfnisse einiger Großer in der Branche zugeschnitten sind, einen enormen Bürokatieaufwand mit sich bringen und vor allem eines nicht sind – nachhaltig.

Denn ein wirklich nachhaltig wirtschaftendes Unternehmen stellt Arbeitskräfte auch nicht immer nur auf Probe ein, wenn es vor hat, langfristig zu wirtschaften und dafür die besten Leute an sich zu binden.

Auf Länderebene liegen lediglich die vorläufigen Abrechnungsergebnisse ohne die zugelassenen kommunalen Träger (zkT) vor, teilt das Bremer Institut mit.

Von diesen Jobcentern (ohne zkT) wurden immerhin 637,3 Millionen Euro bzw. 15,9 Prozent der für SGB II-Leistungen zur Eingliederung zugewiesenen 4,009 Milliarden Euro nicht für diesen Zweck ausgegeben.

Der kleine Spaß am Rand ist aber auch, dass der Bund erhöhte Verwaltungskosten geltend macht in Höhe von 49 Millionen Euro. Deswegen titelt das BIAJ auch: “Zurückfordern statt fördern” – denn der Bund hat nicht nur die 722 Millionen Euro einbehalten und behält diese Summe – da sie ja 2011 nicht abgerufen wurde – auch 2012 ein. Er will auch die Mehrausgaben für die “Verwaltungskosten” – eben jene insgesamt 49 Millionen Euro – 2012 zurückbehalten.

Zum Nachrechnen: Für den Bundesanteil an den “Verwaltungskosten für die Durchführung der Grundsicherung für Arbeitsuchende” (84,8 Prozent der Gesamtverwaltungskosten) wurden 49 Millionen Euro mehr ausgegeben, 4,339 Milliarden statt der veranschlagten 4,290 Milliarden Euro. Die SGB II-Gesamtverwaltungskosten betrugen damit rechnerisch insgesamt 5,116 Milliarden Euro.

Für “Leistungen zur Eingliederung in Arbeit” insgesamt wurden sogar insgesamt 855 Millionen Euro weniger ausgegeben als veranschlagt. (4,445 Milliarden Euro von 5,300 Milliarden Euro).Und wo steht der Musterschüler Sachsen? – 303,207 Millionen Euro hätten den Jobcentern im Freistaat 2011 nach Bundeszuweisung zugestanden. Ausgegeben wurden aber nur 245,652 Millionen Euro. Das sind 57,555 Millionen Euro oder satte 19 Prozent weniger, als zur Verfügung standen. In einem Bundesland, in dem die Arbeitslosigkeit flächendeckend noch immer bei 10 Prozent liegt, ist das zumindest verblüffend. Der Bundesschnitt der Minderausgaben liegt immerhin nur bei 15,9 Prozent und besonders emsig im Nicht-Abrufen der Gelder waren eher jene Bundesländer, die sowieso schon eine niedrige Arbeitslosenrate haben: Niedersachsen nutzte 20,6 Prozent der Gelder nicht, Baden-Württemberg 24,6 Prozent, Bayern 26,7 Prozent.

Sachsen-Anhalt hat zum Beispiel nur 7,1 Prozent der Gelder nicht abrufen können. 16,3 Prozent waren es in Thüringen. Sachsen liegt da eher auf Höhe von Rheinland-Pfalz, ganz so, als wäre der Arbeitsmarkt tatsächlich weitgehend gesättigt. Ist aber nicht so. Es sind eher die Sparauflagen von Bund und Land, die in den Jobcentern eine Aufgabenbremse installiert haben.

Das berichtet das BIAJ beispielhaft aus Bremen.

“Die Jobcenter im Land Bremen haben (auch) 2011 im Ländervergleich einen höheren Anteil der zugewiesenen Bundesmittel für SGB II-Leistungen zur Eingliederung ausgegeben (90,3 Prozent) als im Bundesdurchschnitt. Dennoch: 6,9 Millionen Euro wurden nicht für SGB II-Leistungen zur Eingliederung ausgegeben und flossen, abzüglich von (ggf. entstandenen) Mehrausgaben bei den ‘Verwaltungskosten’, an den Bund zurück. Gleichzeitig wurden vom Land Bremen außerplanmäßig ESF-Mittel in Höhe von 1,5 Millionen Euro für ‘die ergänzende Förderung von AGH-MAE’ (Ein-Euro-Jobs) ausgegeben – “für die Abfederung der Auswirkungen der Kürzungen im Eingliederungstitel der Jobcenter” (Senator für Wirtschaft, Arbeit und Häfen). Vorläufiges Fazit: Das Haushaltsnotlageland Bremen hat 2011 mit ESF-Mitteln des Landes Einsparungen des Bundes finanziert.”

http://www.biaj.de

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