Fast hätte man sich den Quartalsbericht Nr. 1 für 2013 für etwas später gewünscht, ergänzt um allerlei Austauschblätter. Denn der "Zensus 2013" hat auch für Leipzig einiges zu Tage gebracht, was man zuvor in den Statistiken nicht lesen konnte. Etwa zu Erwerbstätigen: Manches entzieht sich schlicht der alltäglichen statistischen Erfassung. 14.663 Personen arbeiteten laut Quartalsbericht im März 2013 im Verarbeitenden Gewerbe.

Aber eine kleine Ziffer weist auf die Beschränktheit der Zahl hin: Nur Betriebe mit mehr als 50 Beschäftigen werden hier erfasst. Das sind für Leipziger Verhältnisse schon Großbetriebe. Eigentlich kann man die Zahl im Quartalsbericht nur so lesen: Die größeren Industriebetriebe in Leipzig haben die Größe ihrer Belegschaft binnen eines Jahres von 14.021 auf besagte 14.633 gesteigert.

Aber die meisten Unternehmen – auch im verarbeitenden Gewerbe – in Leipzig sind Klein-, Kleinst- und Winzig-Betriebe. Das Ergebnis aus dem “Zensus 2011”: 52.250 Leipziger sind im Verarbeitenden Gewerbe beschäftigt. Das ist dann schon eine andere Dimension – und es zeigt, welche Folgen für die Auftragsvergabe die Handvoll großer Ansiedlungen in Leipzig spielt. Immerhin sind das 20 Prozent aller Erwerbstätigen, die hier beschäftigt sind in dem, was man so klassisch “sekundärer Sektor” nennt. Hier werden die Produkte hergestellt, mit denen Leipzig Mehrwert erzeugt.

Laut Quartalsbericht war das 2012 ein Umsatzwert von 6,2 Milliarden Euro – ein Dämpfer gegenüber 2011, als immerhin 6,6 Milliarden Euro umgesetzt wurden. Aber auf wichtigen Absatzmärkten – insbesondere für hochwertige Pkw aus Leipzig – herrscht eben leider eine Dauer-Finanzkrise. Oder Staatsschuldenkrise, wie es einige Experten nennen.

Es gibt in Leipzig auch noch ein bisschen Primärwirtschaft – Land- und Forstwirtschaft gehören dazu sowie die Fischerei. Hier waren 2011 nur ganze 1.920 Personen beschäftigt.

Der größte Beschäftigungssektor in Leipzig ist der tertiäre: die Dienstleistungsbranche. Hier waren 2011 immerhin 207.140 Personen oder 79,3 Prozent aller Beschäftigten tätig. Der “Zensus 2011” ermöglicht auch einen Blick auf die Selbstständigen in Leipzig. Darüber geistern ja die verschiedensten Zahlen durch die Welt. Aber Fakt ist: Die meisten Erwerbstätigen in Leipzig sind Angestellte, genau: 220.750 im Jahr 2011. Dazu kamen 5.790 Beamtinnen und Beamte. Wirklich Selbstständige mit Beschäftigten – also Unternehmer im eigentlichen Sinn – gab es 11.020. Und dazu kamen dann noch 23.030 Einzelkämpfer – Selbstständige ohne Angestellte.

Insgesamt also 264.770 Erwerbspersonen. Was sich dann logischerweise von der sonst häufig genannten Zahl der “sozialversicherungspflichtig Beschäftigten” unterscheidet. Die ist im Quartalsbericht mit 227.252 angegeben. Davon arbeiten übrigens rund 37.000 außerhalb Leipzigs. Aber das alles sind höhere Zahlen als noch 2011. Da kann man gespannt sein, wie die Statistiker das alles zusammenklamüsern.Interessant ist auch die Zahl von 23.810 Erwerbslosen. Immerhin meldete die Arbeitsagentur Leipzig zu diesem Zeitpunkt 29.888 Arbeitslose in Leipzig. Die Widersprüche zwischen den Zahlen sind auffällig. Ist die Arbeitslosigkeit in Leipzig tatsächlich niedriger, als offiziell verkündet? Oder werden hier nur die ganzen Widersprüche der üblichen Statistik sichtbar?

Ähnlich auffällig war auch die durch den “Zensus” ermittelte Zahl von Ausländern in Leipzig: 21.500. Eine Zahl, die sich deutlich von den 30.866 unterscheidet, die der “Quartalsbericht” für Juni 2011 ausweist. Was damals eine Ausländerquote von 6,2 Prozent ergab. Nun sind es nur noch 4,3 Prozent. Aber das Phänomen, dass wesentlich weniger Ausländer in Deutschland leben, als bisher statistisch ausgewiesen, hat man ja auch auf Bundesebene gemerkt. Sind die Differenz dann noch weitere Datensätze im Einwohnermelderegister, die noch bereinigt werden müssen?

Da stecken einige harte Nüsse für die Statistiker drin. “Gretchen-Frage weitgehend ungeklärt” betitelte “Spiegel Online” ein Kapitel zur Frage nach der Religionszugehörigkeit. 17,4 Prozent der Befragten verweigerten im “Zensus” hierzu Angaben. Entsprechend wenig aussagekräftig ist auch das, was es zur Religionszugehörigkeit der Leipziger zu erfahren gibt. 22.400 bekennen sich demnach zur katholischen Kirche (das “Jahrbuch” der Stadt Leipzig gibt die Mitgliederzahl der Katholischen Kirche aber mit 28.942 fürs Jahr 2011 an). Und während das “Jahrbuch” für die protestantische Kirche in Leipzig 60.814 Mitglieder ausweist, bekennen sich laut “Zensus” 64.900 Leipziger zur protestantischen Kirche.

Und der Rest? – 415.680 Leipziger ohne Angabe? Das ist ein bisschen enttäuschend. Da hätte man doch gern erfahren, wer sich für einen echten Atheisten, Agnostiker oder echten Zweifler hält. Dieses “Sonstige, keine, ohne Angabe” ist auch deshalb so frustrierend, weil es ja auch eine ostdeutsche Besonderheit ist. Bundesweit werden in diese Kategorie nur 38,8 Prozent der Befragten sortiert – was freilich auch schon ein Zuwachs ist. Immer mehr junge Leute schließen sich nicht mehr einer der beiden großen Kirchen an. Aber hören sie deshalb auf zu glauben? Oder werden sie nicht-religiös?

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Das ist eine durchaus spannende Frage. Denn wenn man hier keine anderen Differenzierungsmöglichkeiten mehr hat als Kirchenmitgliedschaft ja oder nein, verwandelt sich der ganze große Rest in eine graue, undefinierte Masse. Die sie nicht ist. Denn in den 82,6 Prozent der Leipziger, die keiner der beiden Kirchen angehören, stecken ja trotzdem etliche Religionsgemeinschaften – Buddhisten, Moslems, Juden, Konfuzianer, aber auch jede Menge Leute, die gläubig sind, aber trotzdem keiner Kirche angehören.

Der “Zensus 2011” hat eine Menge Fragen erst mal aufgeworfen. Und es wird bestimmt spannend, was die Statistiker jetzt draus machen. Denn wenn die alten Zahlen mit den neuen nicht übereinstimmen, sollte man ja wohl zumindest die Ursachen klären.

Morgen kümmern wir uns mal um ein paar Leipziger Stadtteile.

Der Zensus 2011 als PDF zum download.

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