Manchmal muss man ein paar Aussagen, die statistisch wenig Sinn ergeben, auf den Kopf stellen. Dann kommt zuweilen etwas Spannendes dabei heraus. Etwa wenn Dr. Dietmar Pellmann, Leipziger Landtagsabgeordneter der Linkspartei, mal wieder nach den Landesbediensteten in den drei kreisfreien Städten Dresden, Chemnitz und Leipzig fragt. Während der Freistaat landesweit am Personal kürzt, steigen hier die Zahlen. Aber das hat Dietmar Pellmann erst mal nicht interessiert. Ihn verstört die Ungerechtigkeit.

Am 8. Juli hat ihm Innenminister Markus Ulbig auf die Kleine Anfrage dazu geantwortet.

Und Pellmann ist grummelig. “Vergleicht man die Anzahl der in Sachsens kreisfreien Städten Dresden, Leipzig und Chemnitz arbeitenden Landesbediensteten, ergibt sich ein sehr differenziertes Bild. Von einer wenigstens einigermaßen gerechten Verteilung kann überhaupt keine Rede sein”, sagt er. Und blättert die Zahlen auf: “So waren im Juni 2012 in Chemnitz 7.491, in Dresden 21.987 und in Leipzig 12.270 Landesbedienstete tätig. Selbst wenn man der Landeshauptstadt einen Bonus zugesteht, lässt sich nicht plausibel erklären, dass Dresden fast doppelt so viele Landesbedienstete wie Leipzig aufzuweisen hat. Zudem hat sich das Verhältnis in den letzten Jahren weiter deutlich zu Ungunsten der Messestadt verändert. Seit 2005 ging die Zahl der Landesbediensteten in Leipzig um ca. 20 Prozent zurück, in Dresden waren es lediglich 13 Prozent. Aber auch zwischen Leipzig und Chemnitz fällt Unausgewogenheit auf: Während in Chemnitz 32 Einwohner auf einen Landesbediensteten kommen, sind es in Leipzig 43.”

Die Zahlen zu den zurückliegenden Jahren hatte Pellmann im Januar 2012 abgefragt.

“Die Zahlen belegen, dass Leipzig insbesondere gegenüber der Landeshauptstadt, aber auch gegenüber Chemnitz weiter durch bewusst gesteuerte Landespolitik benachteiligt wird”, versucht er sich das Ganze zu erklären. “Da Landesbedienstete in der Regel über dem allgemeinen Einkommensdurchschnitt liegen, haben sie nicht unbeträchtlichen Einfluss auf die Kaufkraftentwicklung und die Steuereinnahmen einer Stadt. Auch vor diesem Hintergrund ist es nach wie vor scharf zu kritisieren, dass Leipzig nun auch noch den Dienstsitz des Landesrechnungshofes und damit weitere, in Leipzig tätigte Landesbedienstete verlieren soll.”Womit er wohl Recht hat. Ein gut Teil des besseren wirtschaftlichen Erfolgs wird durch die Vor-Ort-Präsenz der Landesregierung getragen. Ein Effekt, den Wirtschaftswissenschaftler auch für andere Landeshauptstädte ausgemacht haben. Ein paar Tausend Landesbedienstete mehr in Dresden, das schafft schon so etwas wie ein eigenes Wirtschaftscluster mit hohen Verdiensten.

Auffällig ist natürlich der Anstieg der Zahl der Landesbediensteten in Dresden, Leipzig und Chemnitz ab 2011. Ein Anstieg, der deutlich größer ist als der Zuwachs an Landesbediensteten insgesamt. Richtig gelesen: Die Zahl der Landesbediensteten steigt. Ganz leicht. Von 85.057 auf 85.177. Wobei wir für diese Zahlen natürlich keine Hand ins Feuer legen. Selbst das Landesamt für Statistik weist für die gleichen Jahre die unterschiedlichsten Zahlen aus, die in den letzten Jahren zwischen 82.000 und etwas über 85.000 schwanken. Noch komplexer wird es, wenn die Tabellen das Ganze nach Angestellten, Beamten und Richtern sortieren. Oder gar nach Vollzeitbeschäftigung und den immer mehr zunehmenden Teilzeitbeschäftigten. Was dann die berühmten Rechnungen mit “Vollzeitäquivalenten” ergibt.

Und da diese hübschen Beschäftigungen auf Zeit vor allem an den sächsischen Schulen und Hochschulen entstanden sind, wächst die Zahl der Landesbediensteten vorrangig in den drei kreisfreien Städten – ohne auch nur annähernd den wachsenden Bedarf zu decken.

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Einem Zuwachs an Landesbediensteten seit 2010 von 1.065 steht zum Beispiel ein Zuwachs an Lehrpersonal in Leipzigs Schulen von 81 Lehrkräften gegenüber. Nachdem 2011 mit 3.399 Pädagogen der absolute Tiefpunkt erreicht wurde. 2012 wurde scheinbar kräftig aufgestockt auf 3.514 Lehrkräfte in Leipzig, womit das Niveau von 2007 wieder leicht übertroffen wurde. Der kleine Unterschied ist, dass damals 3.507 Lehrerinnen und Lehrer insgesamt 36.481 Schülerinnen und Schüler unterrichteten. 2012 war das Verhältnis 3.514 zu 40.797.

Von einer transparenten Berichterstattung zum Landespersonal ist die sächsische Staatsregierung noch weit entfernt. Und da auch bei Polizei und Justiz nicht wirklich mehr Personal eingestellt wurde – im Gegenteil bei der Polizei weiter abgebaut wird, ist natürlich die Frage: Warum gab es dann ausgerechnet in den drei kreisfreien Städten einen Zuwachs bei “Landesbediensteten”?

Die Antwort liegt wohl in der Statistik des sächsischen Hochschulpersonals und der drastischen Zunahme der Beschäftigung von wissenschaftlichen Hilfskräften. Die Hochschulen versuchen schon seit Jahren verzweifelt, den Abbau von Vollzeitstellen mit solchen meist auf Honorarbasis arbeitenden Hilfskräften abzufedern. Das bläht natürlich die Statistik der “Landesbediensteten” auf, kaschiert aber in Wirklichkeit die Tatsache, dass auch in Dresden, Leipzig und Chemnitz weiter Landespersonal abgebaut wird. Die Zahlen, die Dr. Dietmar Pellmann bekommen hat, sind also mal wieder mehr Schein als Sein.

Landesbedienstete in Sachsens kreisfreien Städten 2012: http://edas.landtag.sachsen.de/viewer.aspx?dok_nr=12171&dok_art=Drs&leg_per=5&pos_dok=-1

Landesbedienstete in den drei kreisfreienStädten 2005 bis 2010: http://edas.landtag.sachsen.de/viewer.aspx?dok_nr=7705&dok_art=Drs&leg_per=5&pos_dok=-1

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