Das Interview der LVZ mit Sachsens Ministerin für Wissenschaft und Kultur, Sabine von Schorlemer, schlägt weiter Wellen. Immerhin hatte sie ihre Antworten ja auch mit Zahlen gespickt. Da ist die erste Zahl - 9.255, die sie als Vergleichszahl nennt, wenn von den von ihr verordneten Streichungen von 1.024 Stellen gesprochen wird.

In ihrer Antwort heißt es da: “Und derzeit steht der Abbau von unter 70 Stellen pro Jahr an allen Hochschulen in Rede – bei aktuell 9.255 Stellen.”

Und wenig später erklärt sie dem LVZ-Interviewer, um was für einen lächerlichen Betrag es eigentlich ginge, wenn an der Uni Leipzig 24 Stellen im Jahr wegfallen: “Die Universität Leipzig beispielsweise musste und muss in den Jahren 2013 bis 2015 je 24 Stellen abbauen. Das sind in diesem Jahr 1,15 Prozent der vom Land finanzierten Stellen.”

Dieser lütte Prozentwert bezieht sich auf die Stellen des wissenschaftlich-künstlerischen Personals. 2012 waren das nach Angaben des Statistischen Landesamtes an der Uni Leipzig 2.128. Kann man die Prozente einfach darauf berechnen? – Kann man nicht. Denn die Krux bei all den opulenten Stellenzahlen in Sachsens Hochschulen ist – sie verraten auf den ersten Blick nicht, wieviele Vollzeitstellen, Teilzeitstellen usw. es sind.

Der zweite Blick zeigt: Von den 2.128 Stellen waren nur 940 wirklich Vollzeitstellen, 1.188 waren Teilzeitbeschäftigte. Gestrichen aber werden Vollzeitäquivalente. Die können sich aus Vollzeitstellen – also etwa Professorenstellen – zusammensetzen, aber auch aus entsprechend vielen Teilzeitstellen. Wenn die Uni Leipzig also jedes Jahr 24 Vollzeitäquivalente streichen muss, um die Vereinbarung zu erfüllen, geht das nicht ohne Schließung von Instituten ab. Bis 2015 sind das dann schon 72 Stellen. Und selbst wenn man annimmt, das wären zur Hälfte Teilzeitstellen, heißt es eben doch, dass der Kern des Lehrpersonals um 36 Stellen oder 3,75 Prozent abgeschmolzen wird. Ohne dass die Studierendenzahlen sinken. Im Gegenteil: Vereinbart ist ja, dass die Uni ihre Studierendenzahl hält.Aber auch die von von Schorlemer genannten 9.255 Stellen sind ein Rätsel. Aber auch das kann man wohl im Bereich Teilzeit verorten. Denn verblüffenderweise steigt das aus dem Stellenplan des Wissenschaftsministeriums finanzierte “wissenschaftlich-künstlerische Personal” seit Jahren zahlenmäßig exorbitant an – von 7.376 Personen im Jahr 2003 auf 8.842 im Jahr 2012. 2011 waren es 8.559 gewesen. Der Blick ins Detail zeigt dann aber, dass die Zahl der Professorenstellen eher gleich blieb – 2003 waren es 2.251, 2012 dann 2.224 in ganz Sachsen. Das heißt: Schon in den vergangenen Jahren wurde der wachsende Lehrbedarf an den Hochschulen durch immer mehr Teilzeitkräfte erbracht. Und wenn Sabine von Schorlemer die 9.255 Stellen nennt, die es da derzeit gibt, dann begreift sie die gewachsene Zahl von Teilzeitbeschäftigten mit ein.

Die Zahl der Vollzeitstellen aber liegt eher im Bereich der 7.300, wie sie bis 2007 in der Landesstatistik zu lesen ist. Schon ab 2008 begegneten die Hochschulen dem starken Bewerberansturm mit dem Abfedern durch vermehrte Teilzeitbeschäftigung. Parallel nahm das Einwerben von Drittmitteln rasant zu. Wurden 2003 nur 2.752 Personen an den Hochschulen über Drittmittel finanziert, waren es 2012 schon 10.528.

Die Zahlen zeigen, wie vehement die sächsischen Hochschulen daran arbeiten, den Lehrbetrieb irgendwie zu sichern und gleichzeitig auch noch die Forschung zu ermöglichen, indem Projekte und Drittmittel eingeworben werden.

Die Stellenkürzungen der Staatsregierung – die übrigens Teil der 2010 von Stanislaw Tillich über den kompletten Staatsapparat verhängten Kürzungsorgie sind – greifen also elementar jenen Grundstock von 7.300 Vollzeitstellen im sächsischen Hochschulbetrieb an, der bislang immernoch gehalten werden konnte. Er zielt also direkt ins Herz der sächsischen Hochschullandschaft. Und Leipzigs Uni-Rektorin Prof. Dr. Beate Schücking spricht zu Recht von Amputation: Diese Kürzungsvorgabe ist nur zu erfüllen, wenn man Lehrstühle streicht und Institute schließt. Was die Leipziger CDU nun ausgerechnet der Leipziger Uni-Leitung als Erpressung vorwirft.

Ein erstaunliches Umdeuten der Wirklichkeit.

Aber hier gibt’s Futter zum Nachlesen:

Personal an Sachsens Hochschulen: www.statistik.sachsen.de/download/200_Mi-2013/mi14213.pdf

Das Interview mit Sabine von Schorlemer mit der LVZ: www.lvz-online.de/leipzig/bildung/ministerin-von-schorlemer-rechtfertigt-kuerzungen-an-leipzigs-uni/r-bildung-a-226885.html

Die “Zuschussvereinbarung” mit den konkreten Stellenstreichungen bis 2015 als PDF zum download.

Die Einzelheiten zum Stellenabbau im Freistaat Sachsen im Stellenentwicklungsbericht der Sächsischen Staatsregierung zum Haushaltsplan 2013/14 als PDF zum download.

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Ralf Julke über einen freien Förderbetrag senden.
oder

Keine Kommentare bisher

Schreiben Sie einen Kommentar