Das Leipziger Büro Hitschfeld hat eine neue Studie zur Akzeptanz von Großprojekten vorgelegt. Aber welches ist nun die wichtigere Botschaft? - "Elektro-magnetische Felder: Öffentlichkeit misstraut Grenzwerten", wie die Agentur nun selbst entschied? Oder der eigentlich größere Teil der Befragung, die zu dem deutlichenen Ergebnis kommt, dass die Deutschen den Projektträgern aus Politik und Wirtschaft nicht mehr über den Weg trauen?

Beim ersten Thema ging es um eine Frage, die im Zusammenhang mit den deutschlandweit diskutierten neuen Stromtrassen immer wieder auftaucht: Wie hoch ist die elektromagnetische Strahlung im Umfeld der Leitungen? Und wie gesundheitsschädlich ist sie?

“Mehr als zwei Drittel der Deutschen (68 Prozent der Befragten) misstrauen den gesetzlichen Grenzwerten für elektro-magnetische Felder. Diese Werte seien ein Kompromiss zwischen Politik und Unternehmen, garantierten jedoch nicht, dass zum Beispiel von Hochspannungsleitungen keine gesundheitlichen Gefahren ausgehen”, liest die Leipziger Agentur nun aus ihren Ergebnissen heraus. “Nur 32 Prozent der Befragten sind der Meinung, die gesetzlichen Grenzwerte für elektro-magnetische Felder entsprächen dem aktuellen Wissensstand in Technik und Medizin und garantierten, dass zum Beispiel von Hochspannungsleitungen keine gesundheitlichen Gefahren ausgehen.”

Tatsächlich zeigt die Befragung, dass die Deutschen recht genau wissen, wie Grenzwerte entstehen. 68 Prozent stimmten der Aussage zu: “Die gesetzlichen Grenzwerte für elektro-magnetische Felder sind ein Kompromiss zwischen Politik und Unternehmen und bedeuten nicht, dass von Hochspannungsleitungen keine gesundheitlichen Gefahren ausgehen.”

Dem könnte man abhelfen, in dem man transparenter informieren würde über Projekte und Messwerte. Aber dabei tun sich Politik und Wirtschaft seit 2011, seit “Stuttgart 21”, nicht leichter. Es ist so, als wüssten sie gar nicht, wie sie es anstellen sollen, dem Steuerzahler irgendwie ein transparentes Bild über Kosten, Gefahren und Gründe für Kostensteigerungen zu zeichnen. In königlicher Nachfolge von “Stuttgart 21” durchexerziert am Großflughafen-Projekt BER. Über das, was rund um die falschen Versprechungen zum Flughafen Leipzig/Halle alles nicht oder “etwas anders” gesagt wurde, ließen sich genauso Bände schreiben.

Und die Deutschen sind auch nicht so dumm, dass sie nicht mitkriegen, wie solche Projekte zustanden kommen und warum auf einmal aus der so gern beschworenen Öffentlichkeitsbeteiligung nichts wurde. Und wenn die Öffentlichkeit sich beteiligen darf, sind die wichtigsten Verträge in der Regel längst unterschrieben. Dabei hält sich die Unternehmensberatung Hitschfeld in der Bewertung der nun erzielten Daten noch sehr zurück: “Wie ein negativer Summenstrich erscheint deshalb auch die Zustimmung von 61 % der Befragten zur Aussage, dass die ‘bisherigen Aktivitäten für mehr Bürgerbeteiligung, Transparenz und Akzeptanz nicht ehrlich gemeint’ sind.”
Negativer Summenstrich? Eher eine Ohrfeige für ein politisches Gebaren, bei dem öffentliche Instanzen mit dem Geld der Steuerzahlen zum Teil dreist, oft genug verantwortungslos umgehen. Und für diejenigen, die von öffentlichen Bauprojekten dann auch noch selbst betroffen sind, wird der Versuch, irgendwo “beteiligt” zu werden, zu einem Anrennen gegen Gummiwände.

Der im Frühjahr 2014 gewählten Aussage “Vorhabenträger, Politik und Verwaltungen tun alles, um Projekte auch gegen den Willen der Betroffenen durchzusetzen” stimmten von den 1.049 Befragten 24 Prozent voll und ganz zu, 42 Prozent stimmten “eher” zu”. Nur 25 Prozent stimmten nicht oder eher nicht zu. Tatsächlich schlägt den Betreibern von Großprojekten aus dieser Umfrage ein geballtes Misstrauen entgegen.

Und das wird auch nicht geringer, wenn die Agentur eine durchaus provokante Frage stellt: “Vorhabenträger, Politik und Verwaltungen nutzen ihren Wissensvorsprung, um Projekte auch gegen den Willen der Betroffenen durchzusetzen.”

Hier stimmten 23 Prozent der Befragten ganz zu, 47 Prozent eher. Nur 21 Prozent tendierten zu einem Nein.

Und das, obwohl das Thema seit 2011 in aller Munde ist und Verwaltungen sich zumindest bemühen, ein bisschen mehr Transparenz herzustellen. Manchmal tun sie auch so, als hätten sie diese Transparenz sogar hergestellt. Aber auch da sehen die Befragten die Politik bestenfalls am Anfang des Weges.

Der Aussage: “Die Arbeitsweise von Vorhabenträgern, Politik und Verwaltungen hat sich im Zusammenhang mit ‘Bürgerbeteiligung, Transparenz und Akzeptanz’ in den letzten Jahren schon deutlich zum Positiven gewandelt” stimmen nur 4 Prozent der Befragten zu, 29 Prozent tendieren zu “stimme eher zu”. Aber 57 Prozent sehen da eher keinen Fortschritt.

Das Erstaunliche ist, dass Menschen mit hohem Einkommen hier deutlich mehr Fortschritte sehen als solche mit niedrigem. Was möglicherweise auch darauf hindeutet, dass politische Beteiligung in Deutschland stark vom Einkommen abhängt.Und das hat dann möglicherweise auch zu tun mit einem besseren Zugang zu Informationsquellen oder Entscheidergremien. Denn je eher man von einem Projekt erfährt, umso größer sind natürlich die Einflussmöglichkeiten. Da kann man noch Initiativen, politische Instanzen oder Fraktionen wachrütteln und eventuell Einfluss geltend machen.

Wer schlechter vernetzt ist und schlechter informiert wird, hat logischerweise weniger Einfluss. Und ist dann logischerweise auch geneigt, die nächste Aussage voll und ganz zu bejahen: “Vorhabenträger, Politik und Verwaltungen informieren meist viel zu spät über Projekte, um einen möglichen Widerstand möglichst klein zu halten.”

Dem stimmten 27 Prozent der Befragten ganz zu, 44 Prozent stimmten eher zu. Nur 20 Prozent tendierten hier zu einem Nein.

Und das Gefühl, dass man künftig besser informieren wolle als im Fall “Stuttgart 21” oder BER, mögen vielleicht die Entscheider haben, die Befragten haben es nicht.

Der Aussage “Die bisherigen Aktivitäten von Vorhabenträger, Politik und Verwaltungen im Zusammenhang mit mehr Bürgerbeteiligung, Transparenz und Akzeptanz sind nicht ehrlich gemeint” stimmten 20 Prozent der Befragten zu, 41 Prozent stimmten eher zu, nur 26 Prozent fanden, die Entscheider gäben sich ja doch Mühe.

Das Misstrauen sitzt tief. Und es geht nicht nur um Stromtrassen, Windparks, Verkehrswege – es geht um die grundsätzliche Frage, ob Politik und Projektträger in der Lage sind, ihr Vorhaben durch Akzeptanz mehrheitsfähig zu machen. Und das betrifft auch nicht nur Großprojekte, auch wenn man an solchen Großprojekten transparentes Agieren exemplarisch sichtbar machen könnte.

Wirklich viel Mühe haben sich da auch politische Instanzen nicht gegeben. Die Verteilung der Aussagen über die politischen Parteien zeigt dann auch, dass Parteianhänger des konservativen Lagers hier durchaus weniger Probleme sehen als die des linken oder grünen Spektrums, wo dann oft auch Kriterien des Umweltschutzes oder soziale Belange eine größere Rolle spielen. Was – so nebenbei – auch den Gerechtigkeitsgedanken ins Spiel bringt. Denn es ist ja nicht das Geld und die Welt der Reichen und Mächtigen, das da zumeist verbaut werden, sondern der Beitrag derjenigen, die eher das Gefühl haben, nicht gefragt zu werden – obwohl sie sichtlich die Mehrheit sind.

Direkt zur Auswertung der Studie:
www.hitschfeld.de/htdocs/down/Studie_Akzeptanz_2014_Welle_3.pdf

www.hitschfeld.de

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