Die Nachricht, die das Statistische Landesamt am Montag, 18. August, veröffentlichte, lässt an Klarheit nichts zu Wünschen übrig: "Anstieg der Pro-Kopf-Einkommen erreicht alle Kreise außer der Stadt Leipzig - höchstes Plus im Erzgebirgskreis". Und das ist noch zurückhaltend formuliert. Leipzig liegt bei den erzielten Einkommen in Sachsen ganz am Ende der Reihe. Auch wenn es erst einmal nur Zahlen für 2012 sind.

Natürlich hat das seine Ursachen nicht nur im niedrigen Lohnniveau in vielen Branchen, auch wenn die Bruttolöhne in Leipzig etwas niedriger liegen als etwa in Dresden oder Zwickau und etwa auf dem selben Niveau wie in Chemnitz. In Leipzig wird tatsächlich – für sächsische Verhältnisse – eine hohe Wertschöpfung erreicht. Der Wert lag pro Einwohner 2012 sogar über dem von Dresden und Chemnitz.

Doch wesentlich stärker als in den beiden anderen sächsischen Großstädten macht sich der in den 1990er Jahren gewachsene Speckgürtel der Stadt Leipzig bemerkbar. Ein großer Teil der Leipziger Spitzenverdiener wohnt nicht in Leipzig, sondern im Landkreis Leipzig, der – trotz eines sehr niedrigen Bruttoinlandsprodukts – bei den Einkommen in Sachsen an der Spitze liegt.

Das Verfügbare Einkommen je Einwohner in Sachsen betrug 2012 insgesamt 17.802 Euro und damit 1,8 Prozent bzw. 323 Euro mehr als im Vorjahr. An der Spitze der sächsischen Kreise lagen die Pro-Kopf-Einkommen im Landkreis Leipzig (18.847 Euro) und der Stadt Chemnitz (18.502 Euro). Die niedrigsten Verfügbaren Einkommen je Einwohner wurden mit 16.647 Euro in der Stadt Leipzig bzw. 16.917 Euro im Landkreis Görlitz erzielt.

Entscheidender ist natürlich noch: Was bewegt sich da? Dass Leipzig immer wieder neue Arbeitsplätze schafft, ist das eine – aber klinken sich diese neuen Angebote auch in die Lohnentwicklung ein?

Der Blick auf die Entwicklung zum Vorjahr zeigt: Es ist nicht so. Im Gegenteil. Die Leipziger haben 2012 augenscheinlich sogar einen Einkommensverlust erfahren.

Oder mit den Worten der Statistiker aus Kamenz: Im Vergleich zu 2011 wurde in allen sächsischen Kreisen mit Ausnahme der Stadt Leipzig ein Zuwachs bei den Pro-Kopf-Einkommen festgestellt. Diese Betrachtung zeigt den Einfluss der Einwohnerzahl, die nur in den Städten Leipzig und Dresden im Vorjahresvergleich nennenswert anstieg. Der Erzgebirgskreis (2,8 Prozent bzw. 479 Euro Anstieg je Einwohner) und der Landkreis Nordsachsen (2,7 Prozent bzw. 469 Euro) konnten im Vergleich zu 2011 die deutlichsten Erhöhungen verbuchen.

Und was heißt das im Klartext? – Die hohen Einkommen werden von Menschen erzielt, die sich vor 20 Jahren oft im eigenen Häuschen in den Landkreisen um Leipzig angesiedelt haben. Sie profitieren auch von den Lohnsteigerungen der letzten Jahre am stärksten.In die Großstädte umgezogen aber sind die jungen Menschen – vor allem junge Leute, die zu Ausbildung und Studium in die Großstadt zogen. Sie haben natürlich in der Regel noch gar keine oder sehr geringe Einkommen, was dann den Durchschnitt in der Stadt Leipzig wieder drückt. Trotzdem macht sich im niedrigen Einkommensdurchschnitt von Leipzig die starke Ausprägung eines Dienstleistungssektors bemerkbar, in dem gerade keine überdurchschnittlichen Löhne gezahlt werden. So liegt Leipzig dann auch nur bei 93,5 Prozent des sächsischen Durchschnittseinkommens.

Und wenn es dann einen Zuwachs der Lohnsumme von 1,7 Prozent auf diesem niedrigeren Niveau gibt, ist das logischerweise weniger Lohnplus als bei gleicher Steigerungsrate bei höheren Durchschnittseinkommen. Oder einmal auf die Gesamtlohnsumme berechnet: In Leipzig wuchs diese 2012 um 149 Millionen Euro an, in Dresden zur gleichen Zeit um 165 Millionen Euro.

Wenn man es gar mit dem Bundesdurchschnitt vergleicht, fällt einem schnell der Spruch ein, den die Berliner für ihre Stadt so passend finden: Arm aber sexy. Auf Leipzig trifft er genauso zu.

Die Spanne der sächsischen Pro-Kopf-Einkommen im Vergleich zum Bundesdurchschnitt lag zwischen rund 92 Prozent im Landkreis Leipzig und 81 Prozent in der Stadt Leipzig, haben die sächsischen Landesstatistiker ausgerechnet. Auch sie sehen, wie das in Leipzig verdiente Geld sich jeden Tag auf die Räder macht und zum Schlafen und Erholen in die benachbarten Landkreise fährt: Ein Vergleich des Verfügbaren Einkommens je Einwohner mit den am jeweiligen Arbeitsort erzielten Bruttolöhnen und -gehältern zeigt, dass die in den Kreisfreien Städten erreichten höheren Verdienste der Arbeitnehmer durch den Transfer des Einkommens der Pendler auch in die Umlandkreise gelangen.

Der statistische Einkommensverlust der Leipziger für 2012 zeigt also auch ein bisschen, was für ein Kraftakt da hinter den Kulissen passiert, um der wachsenden Stadt auch neue Arbeitsplätze zu beschaffen. Allein 2012 wuchs Leipzig um 7.064 Einwohner. Das macht sich also auch in der Einkommensstatistik bemerkbar.

Insgesamt umfasste das Verfügbare Einkommen in Sachsen 2012 ein Volumen von 73,5 Milliarden Euro, benennen die Kamenzer Statistiker das Gesamtergebnis. Das entsprach 1,6 Prozent mehr als im Vorjahr bzw. 16,1 Prozent mehr als vor zehn Jahren. Alle sächsischen Kreise erzielten im Vergleich zu 2011 einen Zuwachs, der mit 1,9 Prozent in Nordsachsen am höchsten und mit 1,3 Prozent im Landkreis Görlitz am geringsten ausfiel. In Leipzig wuchs die Gesamteinkommensmenge um 1,7 Prozent bzw. die besagten 149 Millionen Euro auf 8,922 Milliarden Euro. Dresden erzielte zum Vergleich 9,352 Milliarden Euro.

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