Wo ist das Bild mit der Eierschecke? - Da ist es. Wahrscheinlich werden wir in den nächsten Jahren etwas seltener fröhlich grinsende Wirtschaftsminister mit einem Blech Eierschecke an der sächsischen Landesgrenze stehen sehen, um die seit 1990 ausgereisten Sachsen zur Rückkehr in die Heimat zu bewegen. Aber die Idee war so hübsch wie unsinnig. Denn die Weggezogenen kommen ja nicht wegen der Eierschecke, auch wenn es soziale und private Gründe sind, die sie zur Rückkehr bewegen.

Das haben nun schon mehrere Studien von 2006, 2010 und 2013 belegt, die Juliane Welz, Sigrun Kabisch und Annegret Haase auch kurz erwähnen in ihrem Beitrag “Rückkehr nach Leipzig” im neuen Quartalsbericht der Stadt. Eigentlich haben die drei Forscherinnen aus dem Umweltforschungszentrum das Thema Rückkehrer gar nicht extra untersucht. Sie wollten nur herausbekommen, wie die Leipziger Zuzügler und Umzügler eigentlich aussehen und was sie beim Umzug eigentlich erstreben.

Dabei kamen natürlich drei Umzügler-Gruppen ins Bild. Die größte ist die Gruppe der Zuzügler – also von Menschen, die zwischen Oktober 2012 und September 2013 erstmals nach Leipzig gezogen sind – in der Umfrage 1.270 Personen. Die zweite Gruppe sind die Umzügler, die, die innerhalb Leipzigs umgezogen sind – 982 an der Zahl. Zu beiden Gruppen hat das Amt für Statistik schon eigene Auswertungen vorgelegt. Die dritte Gruppe in diesem Zusammenhang ist neu, fiel aber sofort auf: Das sind die Zuzügler, die früher schon einmal in Leipzig gewohnt haben – also die Rückkehrer.

Die Überraschung zumindest für die drei Forscherinnen war: Diese 199 Personen, die in ihrer Stichprobe auffielen, kamen gar nicht alle – nachdem sie nun 20 Jahre den Westen haben aufbauen helfen – aus den alten Bundesländern zurück. Auch wenn es diese echten Aufbauhelfer natürlich gibt. 38 Prozent dieser Gruppe gaben an, aus den älteren Bundesländern zurückzukehren. Doch der größere Teil – rund die Hälfte der Befragten – kam direkt aus dem mitteldeutschen Raum zurück. Dass da eher nicht – wie insbesondere bei den Zuzüglern – die jungen Leute zur Ausbildung kommen, das war schon zu ahnen. Die Befragung bestätigt es natürlich: Die Rückkehrer sind im Schnitt deutlich älter. Und dass trotzdem auch Personen unter 26 Jahre dabei sind, hat mit der Haushaltsgröße der Rückkehrer zu tun: Der Anteil von Familien mit einem oder mehr Kindern war etwas höher als in den beiden anderen Gruppen. Was nicht bedeutet, dass unter den Zuzüglern nicht auch Familien mit Kindern sind – sind es auch. Und das ist schon seit einer Weile keine gute Nachricht mehr für die Landkreise, denn wenn schon die Familien ihr Hab und Gut packen, um in die noch funktionierende Großstadt zu ziehen, dann sieht das für die Zukunft der Landkreise gar nicht gut aus.

Und wenn noch jemand die Bestätigung dafür haben wollte, dass es beim Zuzug nach Leipzig nicht um Jobs und Einkommen geht, sondern um Infrastrukturen, der wird jetzt durch die Befragung der Rückkehrer bestätigt. Die “wirtschaftlichen Standortvorteile” kommen auch zur Sprache – aber unter ferner liefen – als Faktor Nr. 9 in der Rangfolge für die Rückkehr.

Ganz vorn tauchen all die Dinge auf, die den Planern der Stadt zumindest bewusst sind, die sie aber selten als eigentlichen Standortvorteil begreifen und vermarkten. Den Rückkehrern aber sind sie wichtig – und damit unterscheidet sich der Wohnort Leipzig signifikant vom infrastruktur-ausgedünnten Umland:

1. Freizeit- und Erholungsmöglichkeiten
2. attraktive Wohngegend
3. vielfältiges kulturelles Angebot
4. Verkehrsanbindung Leipzigs
5. in einem Großstadtraum leben
6. Image der Stadt
7. Einkaufsmöglichkeiten
8. medizinische Versorgung
Alles Punkte, die auch die Landespolitik aufhorchen lassen sollten. Und das wird in einer anderen Frage noch einmal konkretisiert: Welche Lagemerkmale am neuen Wohnstandort den Rückkehrern wichtig sind. Immerhin haben ja die meisten nun ein paar Jahre vergleichen können – zwischen dem “Wohnen im Grünen” in eher strukturschwachen Regionen und diesem irritierenden Leipzig, das mit seinem Großstadtleben lockt. Auch hier ist die Reihenfolge der Wichtigkeiten eindrucksvoll:

1. Lage der Wohnung insgesamt
2. gute Anbindung an Bus und Bahn (das dürfte dem MDV zu denken geben)
3. Nähe zu Einkaufsmöglichkeiten (das mit den Einkaufsmärkten auf der “grünen Wiese” scheint dann ja doch nicht so toll zu sein)
4. Ordnung und Sauberkeit im Wohngebiet
5. Nähe zu Parks und Grünanlagen
6. Ruf des Wohngebietes
7. genügend Parkmöglichkeiten in der Nähe
8. Verwandte und Freunde in der Nähe
9. Nähe zu Arbeits- und Ausbildungsstelle

Der Vergleich zeigt, dass die Rückkehrer dabei fast genau so ticken wie die Zuzügler. Was dann auch wieder zeigt, wie viel der starke Zuzug nach Leipzig mit den vorhandenen Infrastrukturen zu tun hat. Das Detail “Parkmöglichkeiten” zeigt aber auch, warum Leipzig zunehmend Parkplatzprobleme hat: Wer nach Leipzig zieht, meldet wohl in der Regel sein Auto um, meldet aber nicht ab.

Und die Befragung zeigt auch, wohin es die Rückkehr besonders zieht. Was dann wieder Leipzig Stadtplaner überraschen dürfte, denn 34 Prozent der Rückkehrer zieht es in den Stadtbezirk West. Das ist im Generellen betrachtet Grünau. So kleinteilig aber, dass man sehen könnte, ob das nun Grünau-Mitte, Lausen oder gar die neu entstandene Eigenheimsiedlung Schönau ist, ist die Auswertung nicht. Wenn Letzteres zutrifft, würde es zeigen, wie attraktiv innerstädtische Eigenheimsiedlungen gerade für Familien sind, die aus dem Leipziger Umland wieder ins nähere Stadtgebiet ziehen wollen.

Ähnliches könnte auf den Leipziger Nordwesten zutreffen, ebenfalls ein Gebiet, in dem in den letzten Jahren einige größere Eigenheimsiedlungen entstanden sind. Hierher zieht es 23 Prozent der Rückkehrer. Erst weit dahinter folgen dann als ausgewählte Stadtbezirke Leipzig-Mitte (13 Prozent), Alt-West (12 Prozent) und Südost (9 Prozent).

Und mit den Leipzigern und den Zuzüglern gemein hat auch ein Großteil der Rückkehrer die hohe Mobilität. 55 Prozent hegen für die nächsten zwei Jahre zum Teil sichere, zum Teil noch vage Wieder-Umzugsabsichten.

Aber das Gesamtbild bestätigt, wie sehr der anhaltende Zuzug nach Leipzig von den vorhandenen wichtigen Infrastrukturen – von der Kultur über den Einkauf bis zur Verkehrsanbindung – abhängt. Erst die (komplette) Mischung macht eine Stadt attraktiv.

Was dann den Blick zu den beiden anderen sächsischen Großstädten lenkt.

Dazu morgen mehr an dieser Stelle.

Der Quartalsbericht ist im Internet unter (http://statistik.leipzig.de) unter “Veröffentlichungen” einzusehen. Er ist für 7 Euro (bei Versand zuzüglich Versandkosten) beim Amt für Statistik und Wahlen erhältlich. Postbezug: Stadt Leipzig, Amt für Statistik und Wahlen, 04092 Leipzig, Direktbezug: Stadt Leipzig, Amt für Statistik und Wahlen, Burgplatz 1, Stadthaus, Zimmer 228.

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Ralf Julke über einen freien Förderbetrag senden.
oder

Keine Kommentare bisher

Schreiben Sie einen Kommentar