Manche Nachrichten werden erst greifbarer, wenn man Statistiken nebeneinander legt. So wie bei der Bevölkerungsstatistik des Landes Sachen, das ja in weiten Teilen schon wieder heftig schrumpft. Jetzt liegen auch die neueren Zahlen vom Juni 2018 vor. Die Großstädte wachsen weiter ein bisschen – die Landkreise aber schrumpfen. Aber mit deutlichen Unterschieden.

Denn am stärksten verlieren Landkreise an Bevölkerung, die in größerer Entfernung der beiden Großstädte Dresden und Leipzig liegen. Dort erreicht der Bevölkerungsschwund gegenüber dem Dezember 2017 Werte zwischen 0,4 und 0,5 Prozent. Was eben für die betroffenen Landkreise doch rund 1.000 Einwohner sind, die binnen eines halben Jahres aus der Statistik verschwinden.

Was nicht nur an der niedrigen Geburtenzahl und der starken Überalterung liegt – nach wie vor wandern viele junge Menschen ab in die Großstädte. Die Wanderungsbewegung hat nie aufgehört – sie ist nur deutlich gebremster. Auch weil nicht mehr so viele junge Menschen da sind, die aus den Landkreisen abwandern können.

Deutlich niedriger sind die Verluste nur in jenen Landkreisen, die direkt an Dresden und Leipzig angrenzen. Dort machen die Statistiker nur Wanderungsverluste von 0,0 bis 0,2 Prozent aus.

Auch die leipzignahen Landkreise Leipzig und Nordsachsen gehören in diese Kategorie. Sie haben nur 237 bzw. 139 Einwohner verloren.

Wobei diese Formulierung schon leicht irreführend ist. Denn in Wirklichkeit ist die Abwanderungsbewegung der jungen Leute hier mindestens genauso stark wie in den anderen Landkreisen. Beide Landkreise haben allein 2017 jeweils über 2.000 Einwohner an die Stadt Leipzig verloren, wie das „Statistische Jahrbuch 2018“ nun ausweist. Dahinter folgen dann tatsächlich schon Dresden, Halle und Chemnitz. Leipzig „zieht“ also noch immer.

Aber im Frühjahr hatten wir ja schon darauf aufmerksam gemacht, dass augenscheinlich die zunehmende Knappheit bezahlbarer Wohnungen auf dem Leipziger Wohnungsmarkt dazu führt, dass das Bevölkerungswachstum ab jetzt gedämpft wird.

Auch den Effekt zeigt das „Statistische Jahrbuch“. Denn gerade an die drei Nachbarkreise verliert das wachsende Leipzig sogar mehr Bevölkerung, als es von dort dazubekommt.

Neben Nordhausen und dem Landkreis Leipzig ist es auch noch der Saalekreis im benachbarten Sachsen-Anhalt. Die Entfernungen sind kurz genug, um auch weiter zur Arbeitsstelle pendeln zu können – das Wohnungsangebot aber ist deutlich größer, preiswerter und oft auch noch mit einem Wohnen in ruhigerer Landschaft verbunden. Viele der dortigen Orte sind auch mit der S-Bahn gut erschlossen.

Das Ergebnis: 2017 wanderten 3.401 Leipziger in den Landkreis Leipzig ab, während von dort 2.682 Menschen in die Großstadt zogen. Macht statistisch ein Minus für Leipzig  von 719. Was man durchaus mitbedenken kann, wenn man die 237 „verschwundenen“ Landkreisbewohner aus der Landesstatistik sieht.

Ohne diesen Wegzug von Leipzigern, die in Leipzig nicht mehr wohnen wollen oder dort keine passende Wohnung finden, hätte der Landkreis Leipzig in derselben Dimension Bewohner verloren wie die abgelegeneren Landkreise in der Lausitz oder im Vogtland.

Dasselbe in Nordsachsen, das gegenüber Leipzig ein positives Wanderungssaldo von 190 hat. Im Saalekreis sind es 116.

Und grafisch schön herausgearbeitet haben es die Statistiker in der beigefügten Karte, die zeigt, wie stark insbesondere die dicht angrenzenden Städte Taucha, Markkleeberg, Zwenkau und Markranstädt vom Zuzug aus Leipzig profitieren. Fast alle Städte und Gemeinden in den Landkreisen profitieren vom Zuzug aus Leipzig.

Nur drei fallen negativ auf: Großpösna, Borsdorf und Schkeuditz. Schkeuditz sogar besonders stark. Man ahnt schon, dass hier die wachsende Lärmbelastung durch den Flughafen Leipzig/Halle dazu führt, dass sich Grund und Boden regelrecht entwerten und die Leute lieber wegziehen, als sich weiter von nächtlichen Lärmwellen krank machen zu lassen.

Aber der Trend ist unübersehbar: Waren auch die angrenzenden Landkreise bis 2014 lediglich Quelle für immer neue Leipziger Bevölkerungszuwächse, hat sich der Trend ab 2015 umgedreht, begann damals die spürbare Abwanderung gerade junger Familien in die angrenzenden Kommunen, anfangs ganz bestimmt noch verbunden mit guten Einkommen und dem Wunsch, ein eigenes Haus im Grünen zu bekommen.

Niemand erfasst ja wirklich die Einkommenssituation der Wandernden. Aber man darf bestimmt zu Recht vermuten, dass mittlerweile auch Normalverdiener und Nicht-so-doll-Verdienende ein neues Obdach lieber abseits des engen Leipziger Wohnungsmarktes suchen.

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Es gibt 3 Kommentare

@framo
Eine Korrektur: Schkeuditz hatte 2001 schon mal mehr als 19.000 Einwohner*innen.

@framo
“Der Verlierer heißt: Schkeuditz.
Trotz hoher Beschäftigungszuwächse und eines fast schon (Über)Angebotes an Arbeitsplätzen verlassen Bürger von dort ihre Heimat.”
Schkeuditz hat im ersten Halbjahr 2018 immerhin 197 Einwohner*innen hinzugewonnen und kommt nun auf 18.102 – so viele Einwohner*innen hatte Schkeuditz noch nie.
Schkeuditz hat damit auch den mit Abstand stärksten Zuwachs im Leipziger Umland im ersten Halbjahr 2018 gehabt.
Auf den Plätzen 2, 3 und 4 landen Rötha (+78), Neukieritzsch (+59) und Torgau (+47).
Den stärksten Verlust haben Frohburg (-102), Eilenburg (-82), Geithain (-66), Wurzen (-62) und Borna (-58) erlitten. Aber auch Borsdorf (-53), Colditz (-53), Oschatz (-45) und Wermsdorf (-43) haben massiv Bevölkerung verloren.

Im Gegensatz zu 2017 hat Taucha im ersten Halbjahr 2018 einen leichten Bevölkerungsverlust (-5) und Markkleeberg nur einen leichten Zuwachs (+33). Abgesehen von Schkeuditz haben alle direkt an Leipzig angrenzenden Gemeinden in den ersten 6 Monaten des Jahres 2018 nur einen leichten Zuwachs oder sogar Verlust.
Man kann also davon ausgehen, dass sich der Trend von 2017 wohl nicht für 2018 fortsetzen wird.

Der Verlierer heißt: Schkeuditz.
Trotz hoher Beschäftigungszuwächse und eines fast schon (Über)Angebotes an Arbeitsplätzen verlassen Bürger von dort ihre Heimat. Dafür gibt es einen einzigen Grund: Den brutalen Betrieb des Nacht- und Frachtflughafens, der keinerlei Interessen der Anwohner berücksichtigt, weil sein Eigentümer, die Länder Sachsen-Anhalt und als Mehrheit Sachsen es so wollen.
Das war nicht immer so. In den 90er Jahren war für die ihre Freiheit selbst erkämpft habenden Mitteldeutschen Schkeuditz das Tor zur Welt. Man flog selbstverständlich und mit einem gewissen Kribbeln im Bauch nach London, Paris, Rom, Barcelona, Amsterdam, Algarve, Andalusien, Malta, Sizilien, Toscana, Dom Rep…. -Alles Vergangenheit. Heute muß man nach Berlin, wenn man in den Urlaub oder die weite Welt will. Aus Schkeuditz kann man weiterhin fliegen. Als Paket.
Der Kotau vor Deutschlands obszönstem Konzernlen, oder wie soll man das nennen, wenn der angestellte Chef und sein Aufsichtsrat es o. k. finden, das 245fache des Durchschnittes seiner ebenfalls angestellten Untergebenen für seine Arbeitskraft zu erhalten, ist total.
Ich prophezeie, daß der Gegenwind für das Flugfeld wesentlich geringer wäre, wenn ein angemessenes Flugangebot für die Bürger offeriert würde. Nach dem Motto: Ich habe das ganze Jahr den Krach und Gestank, aber in den Urlaubsflieger kann ich zu Fuß gelangen, oder mit dem Fahrrad.
Aber danach sieht es nach dem Abgang von Ryan und der Pleite von Air Berlin garnicht aus. Im Gegenteil.

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